Von unserem Redakteur Ingo Schneider
Koblenz – Am Schienenhaltepunkt Mitte in Koblenz darf vorerst weitergebaut werden. Zusätzliche 1,9 Millionen Euro hat der Stadtrat freigegeben und damit den von Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig befürchteten Baustopp verhindert.
Doch die Zukunft des Projekts ist offen. Denn die Diskussionen im Rat haben gezeigt, dass es für die volle Kostensteigerung, die die Verwaltung mit mehr als 5 Millionen Euro beziffert, keine Mehrheit im Rat gibt. Nach langen Diskussionen konnte man sich nur auf einen Kompromiss einigen. Der lautet: Sondersitzung am 17. Januar. So lange darf die Baustelle weiterlaufen.
„Wir sind keine Abnicker“: Mit dieser Aussage hat Uwe Diederichs-Seidel (Grüne) zum Ausdruck gebracht, was wohl fast alle Ratsmitglieder bewegt. Man fühlt sich von der Entwicklung überfahren, lückenhaft informiert, von Planern über den Tisch gezogen, von den Controllern im Stich gelassen. „Skandalös“ sei die Entwicklung, meinte Diederichs-Seidel. Ein Wort, das alle Fraktionen unterschreiben.
Eindringlich hatte OB Hofmann-Göttig zu Beginn der Debatte für eine Vernunftlösung geworben. Das Bauchgefühl der Wut könne er gut verstehen, er teile es selbst. Aber: Jetzt gehe es um Schadensbegrenzung. Daher müsse man jetzt den Haltepunkt zügig fertigbauen. Bis April sei das zu schaffen – der Bahnhof ist nach Einschätzung der Planer bereits zu etwa 80 Prozent fertiggestellt. Mittlerweile hat das Rechnungsprüfungsamt damit begonnen, das gesamte Projekt genau unter die Lupe zu nehmen. Fehler sollen aufgedeckt, Verantwortlichkeiten und Ersatzansprüche geklärt werden. Doch das wird sich hinziehen, wie Harald Klein, Leiter des Rechnungsprüfungsamts, betonte. Immerhin gilt es, 72 Aktenordner zu prüfen – sechs Monate könnte das dauern. Langwierige Prozesse dürften folgen.
Die CDU sprach sich dennoch klar für einen Baustopp aus. „Wir werben dafür, diesen Wahnsinn anzuhalten“, sagte Andreas Biebricher. „Augen zu und durch“: So gehe es nicht. Zumal der Baustopp nicht automatisch einen Rückbau nach sich ziehen werde.
Nicht nur die Grünen, auch BIZ und FDP teilten diese Haltung. „Nicht der Rat versagt heute, wenn er Nein sagt“, sagte Dr. Michael Gross (BIZ). Jetzt solle man erst mal den Prüfbericht abwarten. Auch die Liberalen wollten sich nicht über den Zeitdruck zu einem Weitermachen zwingen lassen. „Das kennen wir vom Zentralplatz“, meinte Peter Kaiser. Für ihn stellt sich die Frage, wie man künftig mit Kostenschätzungen bei Projekten umgehen will.
Die SPD dagegen schloss sich den Argumenten des OB an: „Jeder Tag Baustopp wird die Maßnahme verteuern“, betonte Marion Lipinski-Naumann. Bei allem berechtigen Zorn: Neue Erkenntnisse über Verantwortlichkeiten seien so bald nicht zu erwarten. Daher helfe eine Vertagung nicht weiter. FBG-Chef Manfred Gniffke sah es genauso, eine geschlossene Meinung seiner Fraktion gab es aber nicht. Außer der, dass Koblenz derzeit Stoff für Komödien abgibt
Wie viel ein Baustopp kosten würde, das hatte Matthias Kluge, Mitarbeiter des viel gescholtenen Controllers Drees und Sommer, auf Nachfrage in der Sitzung beziffert: Er geht von etwa 18 000 Euro pro Tag aus. Und zwei Dinge sind für ihn klar: Bei dem Projekt gebe es keinerlei Einsparpotenzial mehr. Und: Die Bahn werde eine ruhende Baustelle nicht lange dulden, werde auf jeden Fall den Rückbau fordern. Der aber wäre für die Stadt deutlich teurer als die Fertigstellung des Haltepunkts.