Es ist die Frage, die viele beschäftigt: Werden alle Gäste, die zur Bundesgartenschau (Buga) 2029 anreisen, einen Schlafplatz finden? Gibt es ausreichend Restaurants, Gaststätten und Cafés im Welterbe Oberes Mittelrheintal, um die erwarteten 1,5 Millionen Besucher auch außerhalb der Buga-Gelände zu verköstigen? In der Tourismusbranche ist man da zuversichtlich, weiß aber auch, dass noch etliche Hausaufgaben zu machen sind.
In der Machbarkeitsstudie zur Bundesgartenschau im Welterbe wurde 2018 als eines der Ziele ausgegeben, moderne und innovative Geschäftsmodelle in Tourismus, Gastronomie und Hotellerie zu schaffen. Es brauche eine Qualitätsoffensive und Angebotserweiterung, denn der Tourismus spielt gerade auch in Zukunft für die regionale Wirtschaft eine wichtige Rolle. Um das dezentrale Konzept der Gartenschau am Rhein erfolgreich umsetzen zu können, müsse eine „Investitionsoffensive“ angestoßen werden. Erfahrungen mit der ebenfalls dezentralen Buga in der Havelregion 2015 hätten gezeigt, dass fehlende Beherbergungskapazitäten in der Region und ihrer direkten Nachbarschaft die Besucherzahl deutlich nach unten drückten.
„Der Mittelrhein steht heute nicht schlecht da, was die Bettenzahl angeht.“
Christian Dübner, Geschäftsbereich Tourismus bei der IHK Koblenz
Ebenfalls im Jahr 2018 stellte eine IHK-Studie zur Hotelbedarfsanalyse in der Ferienregion Romantischer Rhein fest, dass bis 2028 „rund 3000 neue Hotelbetten – 1500 Doppelzimmer – in der Ferienregion Romantischer Rhein benötigt“ werden. Laut Christian Dübner, Geschäftsbereich Tourismus bei der IHK Koblenz, hat sich in der Zwischenzeit einiges getan: „Der Mittelrhein steht heute nicht schlecht da, was die Bettenzahl angeht.“
In der Statistik werden rund 25.000 Betten in der Region gezählt. Etwas mehr als 13.000 Betten dürften es allein entlang des Rheins sein, wie eine Umfrage unserer Zeitung bei Bürgermeistern und Verwaltungen zwischen Bingen/Rüdesheim und Koblenz/Lahnstein ergeben hat. Tatsächlich sind es deutlich mehr, denn die amtliche Statistik erfasst lediglich Betriebe mit mehr als zehn Betten. Rechnet man kleinere Pensionen, private Vermieter, Airbnb-Ferienwohnungen und andere Angebote hinzu, so ergibt sich eine breite Palette an Unterkünften. Nicht zu vergessen die Campingplätze.

In Koblenz wurde der Tourismus seit der Buga 2011 kräftig angekurbelt, erklärt Christian Dübner. Es wurden etwa 300.000 Übernachtungen mehr verzeichnet als vor der Gartenschau im Jahr 2011. Neue Hotels sind hinzugekommen, 23 waren es laut Stadtverwaltung im Jahr 2023, weitere sind geplant. Auch in der Region hat sich was getan, von Bingen, wo die Landesgartenschau positive Akzente setzte, über Montabaur bis Mülheim-Kärlich und Andernach. „Das ist eine schöne und positive Entwicklung“, ergänzt Richard Hover, IHK-Regionalgeschäftsführer. Vor allem in den Spitzenbetrieben sei die Qualität top, was sich in zahlreichen Tourismuspreisen ebenso zeige wie in guten Bewertungen durch Gourmet- und Hotelführer. „Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ‚in der Fläche‘ noch einige Hausaufgaben erledigt werden müssen.“
Eine Buga kann zweifelsfrei durch staatliche und private Investitionen nicht nur die Infrastruktur einer Region verbessern, sie spült auch Geld in die Kassen: Übernachtungsgäste geben laut Zahlen des Tourismusnetzwerks Rheinland-Pfalz im Land in gewerblichen Betrieben 132,20 Euro pro Tag aus, in Privatquartieren 78,60 und auf Campingplätzen 43,20 Euro. Jeder Tourist gibt in Rheinland-Pfalz im Durchschnitt 38,80 Euro pro Tag aus, Tagesgäste 27,80 Euro, was nicht nur der Gastronomie, sondern auch den lokalen Geschäften zugutekommt. Einzelhandel, Dienstleistungen und Handwerk werden belebt, Arbeitsplätze geschaffen.
Nicht zu vergessen: Tourismus ist eine stabile Quelle für öffentliche Einnahmen und stärkt die finanzielle Basis der Kommunen. Allein aus Mehrwertsteuer und Einkommenssteuer resultieren in Rheinland-Pfalz jährlich circa 760 Millionen Euro Steuereinnahmen aus dem Tourismus (die Zahlen sind etwas älter, eine aktuelle Berechnung des Wirtschaftsfaktors Tourismus ist in Bearbeitung).
„Die Zeit ist knapp. Es gilt, sich jetzt direkt auf den Weg zu machen, um die Verluste auch im Mittelrheintal selbst zu kompensieren. Die Hoffnung allein auf benachbarte Regionen zu setzen, kann nicht die Lösung sein.“
Richard Hover, IHK-Regionalgeschäftsführer
Gleichwohl sind die Probleme in Hotellerie und Gastronomie noch nicht überwunden. 2018 prognostizierte die IHK-Analyse, dass mehr als ein Fünftel der Beherbergungsunternehmen aus Altersgründen und fehlenden Nachfolgern in den kommenden Jahren schließen werden. „Das kann für die Buga zum Problem werden“, mahnt Richard Hover. Der Prozess ist im Gange, wie auch die Umfrage unserer Zeitung bei Bürgermeistern zeigt: In den vergangenen fünf Jahren haben allein in den Rheinorten 22 Hotelbetriebe dichtgemacht – bei sieben Neueröffnungen.
Nach Einschätzung von Hover schließen vor allem kleinere Häuser. „Die Zeit ist knapp. Es gilt, sich jetzt direkt auf den Weg zu machen, um die Verluste auch im Mittelrheintal selbst zu kompensieren. Die Hoffnung allein auf benachbarte Regionen zu setzen, kann nicht die Lösung sein.“ Und was ist mit dem viel beklagten Investitionsstau in den Hotels? Förderprogramme des Landes könnten auch kleineren Häusern helfen, sagt Dübner, um Beherbergungsbetriebe auf den neuesten Stand zu bringen. Private Betreiber müssten die vier Jahre bis zur Buga nutzen. „Es ist mühsam, aber es geht voran“, so das Fazit des Experten.
Region im Wandel
Auch Kristina Neitzert von der Romantischer Rhein Tourismus GmbH sieht die Buga als Motor für die infrastrukturelle Entwicklung der Region. Sie berge im Bereich Hotellerie „das Potenzial, wichtige Investitionen nach sich zu ziehen“, was sich in Bingen und Koblenz deutlich gezeigt habe. Außerdem weist sie auf private Investitionen im Umfeld von touristischen Anziehungspunkten etwa in Andernach oder auch auf Schlössern und Burgen hin. Was die geforderte Qualitätsoffensive und Angebotserweiterung angeht, so lasse „sich schon feststellen, dass sich in den letzten Jahren diesbezüglich in der Region ein Wandel vollzieht“.
In vielen Orten, nicht nur in Koblenz, wurden und werden auch zuvor geschlossene Hotels renoviert, neu und wiedereröffnet, habe es erfolgreiche Übergaben von Betrieben gegeben. Die Entwicklung von sieben Jugendherbergen in der Gesamtregion sei ebenfalls positiv zu erwähnen. Ein zeitgemäßer und wertiger Standard der Betriebe, so Kristina Neitzert, ist auch unabhängig von der Buga wichtig für die Fortentwicklung der touristischen Destination.
Mit Blick auf das Obere Mittelrheintal nennt sie zudem die Gruppe der Welterbegastgeber, Hotels, die zu den Top-Betrieben gehören. Die Prognose Neitzerts ist, „dass wir uns innerhalb der Gesamtregion auch weiterhin positiv fortentwickeln. Und mit Blick auf die Gesamtregion bin ich der Überzeugung, dass alle Gäste, die die Buga besuchen möchten, auch untergebracht werden können.“
„Die Buga 2029 allein kann diese Probleme nicht lösen, bietet jedoch durch ihre Strahlkraft die Möglichkeit, zusätzliche Investitionen zu mobilisieren und die Region nachhaltig attraktiver zu gestalten.“
Wiebke Neumann, Leiterin der Kommunikation der Buga 2029 GmbH
Für die Buga GmbH erklärt Wiebke Neumann, Leiterin der Kommunikation: Dank der engen Kooperation mit Partnern wie der Romantischer Rhein Tourismus GmbH, der IHK Koblenz, dem Dehoga, den Hochschulen und dem Wirtschaftsministerium schaffe man die Grundlage für eine langfristige Stärkung der regionalen Wertschöpfung und Attraktivität. Die Buga unterstütze und befürworte dazu ein weiteres wichtiges Vorhaben: die Einführung eines Gästebeitrags, der zusätzliche Mittel für den Ausbau touristischer Angebote generieren soll.
Gleichwohl stellen laut Wiebke Neumann der demografische Wandel, die Herausforderungen durch fehlende Nachfolgeregelungen und die strengen Brandschutzauflagen weiterhin erhebliche Hürden bei notwendigen Investitionen dar. „Die Buga 2029 allein kann diese Probleme nicht lösen, bietet jedoch durch ihre Strahlkraft die Möglichkeit, zusätzliche Investitionen zu mobilisieren und die Region nachhaltig attraktiver zu gestalten. Damit der touristische Strukturwandel gelingt, ist es entscheidend, die Investitionsbereitschaft durch gezielte Förderprogramme und politische Unterstützung weiter zu stärken.“

Neues Design für die Buga 2029: Logo soll Tradition und Romantik auf frische Weise verbinden
Die Bundesgartenschau 2029 hat ein neues Design bekommen. Es soll die enge Verbundenheit der Veranstaltung mit Geschichte und Entwicklung der Region Welterbe Oberes Mittelrheintal ausdrücken, indem es florale Elemente und Landschaft, Erlebnis und Genuss verbindet und symbolisiert.
Die Situation in der Havelregion, wo 2015 ebenfalls eine Buga in einem größeren Radius und nicht an einem zentralen Ort stattfand, ist nach Meinung der Buga GmbH nicht vergleichbar, da das Obere Mittelrheintal als touristische Destination bereits einen hohen Bekanntheitsgrad genieße. Was die Übernachtungen im Buga-Jahr 2029 anbelangt, sei davon auszugehen, „dass insbesondere an den stärker frequentierten Wochenenden zusätzliche Kapazitäten in den benachbarten Businesshotels in Koblenz, Mainz und Wiesbaden genutzt werden können. Mit Blick auf die gesamte Region sind wir somit der festen Überzeugung, dass alle Gäste, die die Buga besuchen möchten, untergebracht werden können.“
„Der Buga kommt die wichtige Funktion des Impulsgebers zu, die von möglichst vielen touristischen Akteuren in der Buga-Gebietskulisse genutzt werden sollte“, meint Gereon Haumann, Präsident des Dehoga Rheinland-Pfalz. Für das Gastgewerbe gelte es zu differenzieren zwischen dem reinen Buga-Zeitraum und der Zeit danach. Aus den Erfahrungen beispielsweise in Koblenz wisse man, „dass im Aktionszeitraum vor allem Tagestouristen ins Mittelrheintal kommen werden und in den Jahren danach mit einem deutlichen Anstieg von Übernachtungsgästen zu rechnen ist“. Den Mitgliedern im Beherbergungssektor empfehle man, das Angebot quantitativ und qualitativ für 2030 und den Folgejahren auszubauen.
Wer kann von der Buga nachhaltig profitieren?
Wer sich für die Buga und die Folgejahre rechtzeitig vorbereitet, so Haumann, und dies quantitativ und qualitativ macht, werde von der Buga nachhaltig profitieren. „Dabei ist uns bewusst, dass dies in vielen Fällen enorme Investitionen in den Betrieb erfordert; materiell in Gebäude, Einrichtung und Akquise sowie Qualifizierung des Mitarbeiter-Teams, aber auch ideell durch ein besonderes Engagement unserer Gastgeber.“

Gastronomie braucht wieder „Fleisch an die Knochen“
Der reale Umsatz in der Gastronomie fällt deutlich geringer aus als vor der Pandemie. Das Leben ist teurer geworden. Das merken Restaurantbetreiber – und ihre Gäste. Doch die Herausforderungen sind noch komplexer.
Wesentliche Gründe für Betriebsaufgaben sieht der Dehoga-Präsident bei den sich in vergangenen Jahren „stetig verschlechternden gesetzlichen, steuerlichen und sonstigen Rahmenbedingungen für das Gastgewerbe“. Während der Pandemie habe man in Rheinland-Pfalz etwa 2500 gastgewerbliche Betriebe verloren. Seit der Mehrwertsteuer-Erhöhung im vergangenen Jahr schlossen noch einmal 500 Betriebe, sodass es aktuell landesweit nur noch etwas mehr als 10.000 Betriebe sind. In den zurückliegenden fünf Jahren ist die Zahl der Betriebe um knapp 24 Prozent zurückgegangen.
Mehr Übernachtungen in Rheinland-Pfalz
Die Beherbergungsbetriebe in Rheinland-Pfalz registrierten von Januar bis November 2024 mehr Gäste und Übernachtungen als im Vorjahreszeitraum. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Bad Ems stieg die Gästezahl in den ersten elf Monaten um 1,3 Prozent auf 8,2 Millionen. Die Zahl der Übernachtungen erhöhte sich auf 21,2 Millionen (plus 0,4 Prozent). Die Anbieter im Mittelrheintal verbuchten zwar 0,3 Prozent mehr Gäste, mussten jedoch bei den Übernachtungen ein Minus von 0,3 Prozent hinnehmen. Mit 1,12 Millionen Gästen und 2,43 Millionen Übernachtungen in diesem Zeitraum liegt das Tal aber landesweit nach Mosel-Saar, der Pfalz und der Eifel an vierter Stelle der Tourismusregionen. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 wurden im Rheintal noch etwas mehr als 1,3 Millionen Übernachtungsgäste und 2,77 Millionen Übernachtungen gezählt. ms