Dieblich/Alanya
Ausgewandert ans Mittelmeer: Die Özdels zogen aus Dieblich nach Alanya
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„Wir leben da, wo andere Urlaub machen“, sagt Cem Özdel. Gemeinsam mit seiner Frau Kerstin genießt er den Blick über Alanya.
Cem und Kerstin Özdel/privat

In Alanya an der türkischen Riviera sind Kerstin und Cem Özdel heimisch geworden - der auch bei Deutschen beliebte Badeort ist das vorläufige Ziel einer langen Lebensreise des Paars. Vorübergehend war die Terrassenmosel ihre Heimat - in Dieblich lebten sie mehrere Jahre, heirateten einst in Kobern-Gondorf. Was hat die beiden an die Mittelmeerküste verschlagen? Und was haben Hunde damit zu tun?

Lesezeit 5 Minuten

Cem und Kerstin Özdel sind zwar nicht in der Region Koblenz aufgewachsen, aber sie haben rund vier Jahre in Dieblich gelebt. Im Herbst 2012 verließen die beiden ihr Zuhause an der Mosel. „Wir sehnten uns nach dem Meer und der Sonne. Und da Cem einen türkischen Pass besitzt, entschlossen wir uns zu einem Umzug an die türkische Riviera“, erzählt Kerstin Özdel. Mit vier Koffern und zwei Hunden machten sie sich auf den Weg ins Urlaubsparadies Alanya – dort bauten sie sich ein neues Leben auf. Heute ist eine erfolgreiche Marketingagentur ihr Lebensmittelpunkt, und Kerstin Özdel liebt darüber hinaus ihre Arbeit als einzige deutsche Hundetrainerin in der Türkei. Bis sich alles so wunderbar fügte, ist im bunten Leben der Özdels viel passiert.

Die Serie
Mehr als 12.000 Menschen aus Rheinland-Pfalz haben 2021 ihre Heimat verlassen – aus verschiedenen Gründen: bessere Verdienstmöglichkeiten, geringere Lebenshaltungskosten, Lust auf Abenteuer. Wir stellen einige von ihnen vor.

Ladies first – zunächst schauen wir uns den Werdegang von Kerstin Özdel an. Die 59-Jährige ist in Hildesheim geboren und wollte eigentlich Tierpflegerin werden. Weil ihre Eltern aber meinten, dass es besser sei, eine solide Berufsausbildung zu absolvieren, landete sie im Einzelhandel. Als Verkäuferin arbeitete sie für ein bekanntes Modehaus, ehe sie 2002 im Betrieb ihres Bruders eine neue Aufgabe fand.

Apropos Bruder: Er ist generell ist ein bedeutender Faktor in Kerstin Özdels Vita. Im Rahmen einer Geschäftspräsentation lernte sie nämlich durch ihn ihren heutigen Mann kennen. „Im Juni 2005 sind wir uns in Hannover das erste Mal begegnet“, erzählt sie. Gefunkt hat es bei ihr aber nicht sofort. Cem Özdel: „Ich war auf den ersten Blick total begeistert von ihr. Zunächst glaubte ich allerdings, sie sei die Frau meines Geschäftspartners.“ Als sich herauskristallisierte, dass sie in Wahrheit die Schwester von ihm ist, schlug Cem innerlich vor Freude Purzelbäume. Es hatte ihn erwischt, und er ließ nicht mehr locker. Seit Anfang 2006 sind die beiden ein Paar.

Aus Istanbul über Salzgitter nach Palma – und dann an die Mosel

Und Cem Özdel? Geboren in Istanbul, zog er als Siebenjähriger mit seinen Eltern nach Salzgitter. Keine leichte Zeit: „Wir gehörten zu den ersten Gastarbeiterfamilien in Deutschland. Ich wurde eingeschult, ohne ein Wort Deutsch zu verstehen“, berichtet er. Sein Abitur hat er trotzdem locker geschafft, und das mit der Integration war auch kein Problem. Mit 18 jobbte er als DJ: Platten auflegen, Events zu organisieren und zu moderieren – das war sein Ding. Kommunikation war und ist seine große Stärke. „1985 war ich in der Disco-Szene so bekannt, dass ich im Auftrag von Großinvestoren neue Tanztempel hochzog. Discos eröffnen – Ende der Achtziger war das ein lukratives Geschäft für Investoren.“

Erstaunlich: Lange hatte Cem Özdel völlig andere Vorstellungen. Er hatte eine Lehre als Technischer Zeichner absolviert, und sein Interesse galt zunächst dem Maschinenbau. „Mein Traum war es, als Maschinenbauer mit deutschem Abschluss nach Brasilien auszuwandern.“ Aha! Das Thema Auswandern ist in dem Sohn türkischer Auswanderer offenbar tief verankert. Jedenfalls studierte er in Hildesheim Bauingenieurwesen, doch statt anschließend ein One-Way-Ticket nach Rio zu buchen, gründete er in Braunschweig seine erste Marketingagentur. „Die Agentur lief sehr gut. Ich organisierte zum Beispiel für Mercedes, Porsche, Audi und Jaguar Neuwagenpräsentationen, für TUI und andere renommierte Reiseveranstalter Katalogpräsentationen – und alles in Form von außergewöhnlichen Events.“

Hochzeit in Kobern-Gondorf

Als dann im Jahr 2005 Kerstin in sein Leben platzte, war er gerade in einer Umbruchphase. Er erkannte bereits zu diesem Zeitpunkt das Internet als die zukünftige Business-Plattform. Frisch verliebt zog er mit ihr nach Palma de Mallorca – mit der Idee im Gepäck, sich beruflich auf die Produktion von Verkaufsvideos für hochwertige Immobilien, Yachten, Hotels und Sterne-Restaurants im Internet zu konzentrieren. Als die Welt nur zwei Jahre später von einer gewaltigen Wirtschaftskrise erschüttert wurde, kehrten sie nach Deutschland zurück. Ihr Ziel: Koblenz. „Es war eine Entscheidung aus Kerstins Bauch heraus“, sagt Cem Özdel. „Sie hatte gehört, dass es an Rhein und Mosel schön sein soll, und mehr Argumente brauchten wir nicht.“ Freunde halfen bei der Wohnungssuche, letztlich landeten die Özdels in Dieblich. Vier schöne Jahre verbrachten sie in der Region, 2010 heirateten sie in Kobern-Gondorf. Doch dann kribbelte schon wieder dieses Fernweh. Die Türkei rückte in den Blickpunkt.

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Kerstin Özdel arbeitet als Hundetrainerin in der Türkei.
Cem und Kerstin Özdel/privat

Sie zogen in eine 50 Quadratmeter-Wohnung im berühmten Badeort Alanya. Dort Fuß zu fassen, war nicht leicht. Kerstin Özdel ganz ehrlich: „Wir haben drei Jahre gekämpft, aber wir haben den Optimismus nie verloren.“ Der erste Geschäftspartner, auf den sie setzten, entpuppte sich als zwielichtig, der zweite Auftraggeber änderte 2014 unverhofft seine Strategie. Generell ließen sich ihre deutschen Honorarvorstellungen nicht ansatzweise auf dem türkischen Markt realisieren. Richtig Schwung kam in ihr Business erst durch die Corona-Krise. Dass plötzlich fast alles digital laufen musste, spielte ihren Marketingaktivitäten in die Karten. Ein Zoom-Meeting jagte das nächste, und Kerstin Özdel startete mit ihrem Hunde-Training durch.

Zwischen Hundetraining und Social-Media-Betreuung

„Kerstin ist die einzige zertifizierte deutsche Hundetrainerin in der Türkei“, sagt Cem Özdel. Die Frauchen und Herrchen, die sie buchen, kommen überwiegend aus Deutschland, der Ukraine, auch Russen sind darunter. „Die Türken haben ein komplett anderes Verhältnis zum Tier als wir, daher gehören sie seltener zu meinen Kunden“, erläutert sie. Sie selbst hat übrigens einen prämierten Border-Collie, einen türkischen Mischling aus dem Tierheim und drei Katzen. „Wenn ich kein Hundetraining gebe, helfe ich in unserer Agentur“, sagt Özdel. Ihre Aufgaben: Social-Media-Kanäle betreuen und Webseiten gestalten. Und was ist mit Freizeit? „Wir arbeiten mit Leidenschaft und brauchen keinen Urlaub“, versichern die beiden glaubhaft.

Wichtig: Möglich ist Kerstin Özdels tierischer Job als Einzelunternehmerin nur, weil sie seit 2019 auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt. Ausländern ist die Gründung von Einzelunternehmen nämlich nicht erlaubt. Haben die beiden vor, für immer in Alanya zu bleiben? „Wir lieben unsere Freiheit und haben deshalb hier auch kein Eigentum erworben“, erwidert Cem Özdel. Es ist nicht auszuschließen, dass sie irgendwann mit einem Wohnmobil durch die Welt rollen. So gut sich das Leben in der Türkei zur Zeit auch anfühlen mag – bei den Özdels ist nichts so beständig wie der Wandel.

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