Rheinland-Pfalz
Aus für die Flohmärkte

Sonnenpreise, Regenpreise? Auf vielen Trödelmärkten wird bald überhaupt nichts mehr verkauft - wenn sie am Sonntag geplant sind. Foto: dpa

Rheinland-Pfalz - Das Mainzer Wirtschaftsministerium hat die Ordnungsämter sowie Vertreter von Städten und Gemeinden hinter verschlossenen Türen auf das Aus der meisten Flohmärkte eingeschworen.

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Von unserer Redakteurin Ursula Samary

Rheinland-Pfalz – Das Mainzer Wirtschaftsministerium hat die Ordnungsämter sowie Vertreter von Städten und Gemeinden hinter verschlossenen Türen auf das Aus der meisten Flohmärkte eingeschworen. Denn ein Rundschreiben vom Frühjahr hatte offenbar nicht für die erwünschte Klarheit gesorgt. Aber jetzt steht fest: Die meisten Flohmärkte an Sonn- und Feiertagen sterben im nächsten Jahr. Denn das Ministerium setzt jetzt folgende eindeutige Richtschnur für Kommunen:

Werktags: Floh- und Trödelmärkte sind an Werktagen zulässig, „wenn eine Vielzahl von gewerblichen Anbietern (im Regelfall mindestens zwölf) Waren aller Art anbieten“. Neuwaren dürfen aber auch nur dann eine untergeordnete Rolle spielen. Dies lässt sich, so das Ministerium, über die Anzahl der Händler oder die Größe der Verkaufsfläche regulieren. Problem: An Werktagen haben nur wenige Besucher Zeit fürs Trödelvergnügen. Außerdem fehlen die Parkplätze von Supermärkten.

Sonntags: „Floh und Trödelmärkte können ausnahmsweise an verkaufsoffenen Sonntagen zulässig sein, wenn sie räumlich in unmittelbarer Nähe zu den geöffneten Ladengeschäften stattfinden“, heißt es amtlich. Diese Ausnahme-Nische dürften auch viele Städte und Gemeinden künftig nutzen, weil Trödel längst auch zur Attraktion geworden ist.

Vereine bekommen sonntags kein Problem, wenn sie Basare organisieren und der Verkauf von Gebrauchten oder Gebasteltem einem gemeinnützigem Zweck dient. Einschränkung: Es darf kein gewerblichen Veranstalter eingeschaltet werden, der Standmiete verlangt.

Weihnachtsmärkte dürfen noch adventlich einstimmen. Aber auch für sie steht die amtliche Rute bereit. Denn das Wirtschaftsministerium lässt wissen: „Dabei müssen die zuständigen Behörden jedoch darauf achten, dass an Sonntagen die Pflege des Brauchtums im Vordergrund steht.“ Also sonntags ist ein Rahmenprogramm absolute Pflicht. Also zum Markt gehören auch Krippenspiele, weihnachtlichen Konzerte oder das Erscheinen vom Nikolaus, der kleine Geschenke an Kinder austeilt. Klartext des Ministeriums: „Demnach dürfen sich auch Weihnachtsmärkte an Sonntagen nicht auf kaufen/verkaufen beschränken.“

Antikmärkte: Da wird es komplizierter und schwammiger. Das Ordnungsamt muss im Einzelfall genau prüfen, wie die Auskunft des Ministeriums zeigt: „Zulässig sind an Sonntagen auch Antikmärkte, bei denen der Schwerpunkt der Veranstaltung in der Information über die jeweilige Stilepoche liegt.“ Antik ist, so das Ministerium, was mindestens 100 Jahre alt ist oder zu einer Epoche wie Jugendstil gehört. „Krempel aus den 50er-Jahren ist nicht antik genug“, heißt es auf Nachfrage.

Bei Messen und Ausstellungen muss sonntags „der Gelderwerb hinter dem Charakter der erbrachten Dienstleistung“ zurückstehen. Wenn es bei einer Hochzeitsmesse nicht nur Tipps für das unvergessliche Fest gibt, sondern auch die passende Robe dazu, wird es also heikel. Es genügt auch nicht, „irgendwo ein Karussell als Alibi“ hinzustellen, heißt es auf Nachfrage. Die Voraussetzung für eine Messe „ist in der Regel erfüllt, wenn der Hauptzweck der Veranstaltung aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Förderung von Erholung, Entspannung, Freizeitinteressen und anderen nicht werktäglichen Unternehmungen besteht“, lernen Ordnungsämter.

Hintergrund: Das Eil-Urteil des des Verwaltungsgerichts Neustadt/Weinstraße. vom 3. September 2009 und mit dem Aktenzeichen 4 K 668/09 hat die Welle der Flohmarkt-Verbote in der Pfalz schon ausgelöst. Dass auch viele Städte und Gemeinden irritiert sind, stößt im Wirtschaftsministerium auf völliges Unverständnis, wie es unserer Zeitung erklärt. Wörtlich heißt es: „Bekannt war den Behörden seit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 1988, dass marktmäßig organisierte Verkäufe von 'Privat an Privat' an Sonn- und Feiertagen nicht durchgeführt werden dürfen, weil sie dem Sonn- und Feiertagsschutz zuwiderlaufen. Die Sonn- und Feiertage sind besonders gesetzlich geschützt, um zu gewährleisten, dass an diesen Tagen keine werktäglichen Arbeits- und Erwerbsprozesse stattfinden, damit die Zeit zur Ruhe, Erholung, für Freizeitbeschäftigungen und andere nicht werktägliche Unternehmungen genutzt werden kann“. Offenbar haben aber viele Gemeinden in der Gewerbeordnung eine Öffnungsklausel gesehen. Das Ministerium erklärt zur vermeintlichen, aber unzulässigen Lücke: An Sonn- und Feiertagen sind „alle Handlungen verboten“, die „mit der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung unvereinbar sind“.

Wer meint, Stöbern erbaue erholsam seine gestresste Seele, bekommt auch die Nachhilfe, dass dies nicht sein kann und darf: „Dieser institutionelle Schutz der Sonn- und Feiertage, der in der Weimarer Reichsverfassung im Jahr 1919 begründet wurde und bis heute fortbesteht, verbietet Handlungen, die auf Warenumsatz und Gelderwerb und damit auf eine typischerweise an Werktagen stattfindende Tätigkeit ausgerichtet sind.“

Protest von Gewerbetreibenden, die jetzt um ihre Existenz fürchten, prallt am Ministerium ab: Wenn sie erklären, „dass sie ,ihr Geschäft' nur sonntags machen können“, lieferten sie doch „den Beleg dafür, dass der Hauptzweck der Floh- und Trödelmärkte im Warenabsatz und damit in einer typischerweise an Werktagen stattfindenden Tätigkeit liegt“. Weil der Sonn- und Feiertagsschutz im Grundgesetz verankert ist, lautet für das Ministerium die „praktische Konsequenz“ nur: „Reine Verkaufsveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen sind nicht zulässig.“ Punkt.

Die Organisatoren von Flohmärkten wollen nicht so schnell aufgeben. Sie hoffen irgendwie noch auf ein Einsehen der Politik und sammeln Unterschriften für eine Petition an den Landtag und einen Bürgerprotest.

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