Berlin/Koblenz
Arbeitspflicht für Asylbewerber: Was Hubertus Heil dazu denkt und was die Freien Wähler in Koblenz vorhaben
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Sollen Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden? Im Einzelfall könne dies sinnvoll sein, findet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Einzelne Landkreise wenden das Asylbewerberleistungsgesetz bereits an. Folgt bald die Stadt Koblenz? Die Freien Wähler bringen das Thema jedenfalls in den Stadtrat.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält eine Arbeitspflicht für Asylbewerber im Einzelfall für sinnvoll. „Dass die Kommunen Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten können, ist geltendes Recht. Im Einzelfall mag es auch sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunterkünften zu beschäftigten“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung. Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration werde so allerdings nicht gelingen.

Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis sollen Asylbewerber zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet werden. Grundlage ist eine entsprechende Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz, wie ein Kreis-Sprecher am Dienstag sagte. Die Geflüchteten sollen für 80 Cent Entlohnung pro Stunde einfache Arbeiten erledigen. Weigern sie sich, drohen Geldkürzungen von bis zu 180 Euro im Monat.

Freie Wähler stellen Anfrage in Koblenz

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Eine solche Regelung für Koblenz können sich die Freien Wähler (FW) gut vorstellen. Deren Stadtratsfraktion hat für die kommende Stadtratssitzung eine Große Anfrage eingereicht, in der sie unter anderem wissen möchten, ob der Stadtverwaltung die Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach Paragraf fünf Asylbewerberleistungsgesetz bekannt sind, ob diese bereits praktiziert werden und welche Träger solcher Maßnahmen in Koblenz in Frage kommen. Die Fraktion möchte diese Anfrage in der kommenden Ratssitzung am 14. März besprochen wissen, heißt es in einer Pressemitteilung.

Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es im Paragraf fünf: „Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet.“

Ein bisschen Taschengeld dazuverdienen

Heil sagte, sein Ziel sei, Menschen, die hier Schutz gefunden hätten, dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen. „Deshalb setze ich auf den Job-Turbo, mit dem wir die Betreuung durch die Jobcenter intensivieren, Fähigkeiten und Qualifikationen der Geflüchteten ermitteln und somit konkrete Arbeitsangebote unterbreiten.“

Hubertus Heil
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales
Moritz Frankenberg. dpa/Moritz Frankenberg

Natürlich dürfe diese Arbeitsleistung nicht in Konkurrenz mit Unternehmen aus der freien Wirtschaft stehen, sagt Stephan Wefelscheid, Vorsitzender der Koblenzer Stadtratsfraktion der FW. “Aber wenn die Asylbewerber sich ein bisschen Taschengeld dazuverdienen könnten, in dem sie kleinere Arbeiten für staatliche, kommunale oder gemeinnützige Träger verrichten, hätten alle Seiten etwas davon", ist Wefelscheid überzeugt, der auch FW-Landesvorsitzender ist.

Wefelscheid: Vorurteilen entgegentreten

So könne man nicht nur den Geflüchteten selbst die Möglichkeit geben, etwas für die Allgemeinheit und nicht zuletzt auch für das eigene Selbstwertgefühl zu tun, man könne auch aktiv Vorurteilen entgegentreten: „Oft liest man ja, die Geflüchteten würden nur ,rumlungern‘, dem ,Staat auf der Tasche liegen' und gar nicht arbeiten wollen. Hier könnte man zeigen, dass dem nicht so ist“, wird der Vorsitzende zitiert.

Land bietet Arbeitsgelegenheiten in eigenen Einrichtungen

Ob der Paragraf fünf in rheinland-pfälzischen Kommunen angewandt wird, entzieht sich der Kenntnis des Landesintegrationsministeriums. Aber: In Aufnahmeeinrichtungen des Landes werde interessierten Bewohnern die Ausübung von Arbeitsgelegenheiten bereits seit Jahren angeboten – auf freiwilliger Basis. „Mit dieser Praxis haben wir gute Erfahrungen gemacht, das Angebot stößt auf großes Interesse der Bewohnerschaft“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage.

Das Ganze führe zu vielen positiven Effekten. „So erhalten Asylbewerberinnen und Asylbewerber zum einen die Möglichkeit, ihre aktuelle Lebenssituation selbst mitzugestalten und etwas zum eigenen Lebensunterhalt aber auch zum Gemeinwohl beizutragen.“ Außerdem beuge die Praxis Spannungen vor – weil eine gewisse Alltagsstruktur entsteht.

Seit Jahresbeginn wurden dem Land laut Ministerium 1568 Asylsuchende zugewiesen. Die Zahlen haben sich stabilisiert – seit Mitte Februar werden nur noch durchschnittlich 250 Personen pro Woche auf die Kommunen verteilt, so der Sprecher weiter. Zuvor waren es 300 Asylsuchende.

Anmerkung der Redaktion:Wir haben den Artikel aktualisiert, nachdem uns ein aktuelles Statement aus dem Mainzer Integrationsministerium erreicht hat.

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