Deutschkurs im Jahr 1985
Als Papst Franziskus für kurze Zeit ein Bopparder war

Regelmäßig schrieb ihnen der heutige Papst aus Buenos Aires zu Weihnachten und zu Ostern.

Dieser Artikel ist erstmals 2013 erstmals erschienen. Aus Anlass des Todes von Papst Franziskus haben wir ihn erneut veröffentlicht.

Helma Schmidt erinnert sich an den Sommer 1985, als Jorge Mario Bergoglio in ihrem Haus wohnte und am Goethe-Institut Deutsch lernte. Damals ahnte niemand, dass der bescheidene Jesuitenpater aus Argentinien einmal Papst Franziskus werden würde.

 

„Schalt mal den Fernseher an, Bergoglio ist Papst geworden“, meldete sich die Tochter von Helma Schmidt am Telefon. Die 95-Jährige drückte die Fernbedienung und staunte nicht schlecht, als sich der 76-jährige Jesuitenpater aus Argentinien auf der Loggia des Petersdomes erstmals als Papst Franziskus den Menschen zeigte.

Am Goethe-Institut Deutsch gelernt

Diesen Mann kennt sie. Mit ihm betete sie, mit ihm saß sie zusammen am Mittagstisch, und mit ihm unterhielt sie sich über Gott und die Welt. Auch ihr Mann, ihre Kinder und Enkelkinder kennen ihn. Jorge Mario Bergoglio hat zwei Monate in ihrem Haus in der Peter-Josef-Kreuzberg-Straße in Boppard gewohnt, in einem Zimmer im Parterre. Das ist lange her. Im Sommer 1985 hatte der Jesuitenpater aus Argentinien einen Deutschkurs im Bopparder Goethe-Institut belegt. So hat der traditionsreiche Ruf „Habemus papam“ in Boppard einen ganz besonderen Klang.

„Oft erinnere ich mich an die Tage, die ich in Boppard bei Ihnen gelebt habe“

„Oft erinnere ich mich an die Tage, die ich in Boppard bei Ihnen gelebt habe“, schrieb Bergoglio am 12. Februar 2007 an Josef und Helma Schmidt. Er sprach von „schönen Tagen im gemütlichen Haus“. Zugleich entschuldigte er sich für seinen aus seiner Sicht schlechten Schreibstil, „aber ohne Übung habe ich meine Deutschsprachfähigkeit verlernt“. Das war das letzte persönliche Schreiben in einer langen Reihe von Briefen, die Josef und Helma Schmidt sorgfältig verwahrt haben, so als hätten sie es geahnt, dass dieser Mann, dem sie einen Sommer lang Gastfreundschaft boten und Familienanschluss gewährten, mal ganz groß herauskommt. Aber das konnten sie natürlich nicht wissen. Dafür gab es im Sommer 1985 überhaupt keine Anhaltspunkte. Als ganz normalen, einfachen Menschen ohne jede Allüren haben sie ihn in Erinnerung behalten.

Helma Schmidt zeigt Briefwechsel mit Bergoglio
Bergoglio wohnte 1985 im Haus von Familie Schmidt in Boppard.
Thomas Frey/dpa

Briefe kommen seit 1986 regelmäßig nach Boppard

In seinen Briefen, die er ab 1986 regelmäßig zu Ostern und Weihnachten an seine Bopparder Gastfamilie schrieb, bringt der Jesuitenpater immer wieder zum Ausdruck, wie gut es ihm doch in Boppard gefallen hat. Und in schöner Regelmäßigkeit erscheint der Hinweis „Ich bete für Sie“ und die Bitte, „das auch für mich zu tun“. Bergoglio erkundigt sich auch nach dem Befinden der ganzen Familie. Er kennt sogar die Namen der vier Enkelkinder, die er ganz besonders in sein Herz geschlossen hat.

Über seine kirchliche Laufbahn teilt der Jesuitenpater kaum etwas mit. Nur einmal lässt er seine Bopparder Brieffreunde an seinem wohl bedeutendsten Karrieresprung teilhaben. In einem Brief vom 3. Juni 1992 berichtet er, dass er zum Weihbischof von Buenos Aires ernannt worden ist und am 27. Juni die Bischofsweihe erhält. Und es folgt wiederum die Bitte, „für mich zu beten“.

In diesem Haus hat Papst Franziskus vorübergehend bei einer Bopparder Familie gewohnt.
Thomas Frey

Als Philosophiestudent vorgestellt

Seinen Habitus als Ordensmann scheint der Jesuitenpater während seines Deutschkurses am Bopparder Goethe-Institut ganz gut versteckt zu haben. Seine Lehrerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, berichtet gegenüber unserer Zeitung, dass sich der nicht mehr ganz junge Deutsch-Schüler aus Argentinien ihr und den übrigen Kursteilnehmern als Philosophiestudent vorgestellt hat, der in Deutschland studieren wolle.

„Ich wusste nicht, dass er Theologe ist, und schon gar nicht, dass er den Jesuiten angehört.“ Bei zahlreichen Diskussionen nach dem Unterricht sei ihr jedoch aufgefallen, dass er ein echter Luther-Experte ist. An eine Diskussion über den Reformator kann sich die Lehrerin jedenfalls noch ganz genau erinnern.

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