Als ehemaliger US-Militär-Airport Hahn hat der größte Flughafen in Rheinland-Pfalz seit dem Ende des Kalten Kriegs schon viele Höhenflüge und Abstürze erlebt. Die Hängepartien zerren an den Nerven in der Hunsrückregion, die immer wieder um Arbeitsplätze bangt.
Als 1993 die US-Streitkräfte den Flughafen samt einer riesigen Stadt verlassen, verliert die Region Millionen an Kaufkraft. Der damalige Ministerpräsident Rudolf Scharping (SPD) und sein Vize, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), setzen auf einen zivilen Flughafen im Hunsrück, obwohl in der Region Bahn- und Autobahnanschluss fehlen. Aber inzwischen hat der Hahn seit Jahrzehnten doch ein „goldenes Ei“: Die Erlaubnis, dass hier rund um die Uhr Flieger starten und landen können.
Rückenwind vom Billigfligermodell
Dass 1998 die Flughafen Frankfurt/Main AG (FAG heute Fraport AG) eine Mehrheitsbeteiligung von 73,07 Prozent an der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH übernimmt und Ende 2005 das Land Hessen neben Rheinland-Pfalz und der Fraport AG dritter Miteigentümer wird, gilt als politischer Erfolg. Damit hat das Land Profis an Bord, die zudem später noch Defizite übernehmen.
Der Flughafen bekommt mit dem Billigfliegermodell von Ryanair dann auch richtig Rückenwind. Im Rekordjahr 2007 überspringt der Airport nach Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) mit 4.014.898 Fluggästen die Vier-Millionen-Marke. Später sinkt die Zahl der Fluggäste deutlich. Denn die Discountlinie fliegt inzwischen auch größere Flughäfen in Ballungsgebieten wie Köln/Bonn an. Zudem entdecken andere Regionalflughäfen das Billiggeschäft und kopieren das Modell vom Hahn.
Am 1. Januar 2009 kommt es zu einem harten Schnitt, weil die Fraport einen „Hahn-Taler“ (eine Terminalgebühr von 3 Euro pro Passagier) fordern will. Das passtRyanair nicht. Das Land Rheinland-Pfalz lenkt ein und übernimmt rückwirkend sämtliche Geschäftsanteile der Fraport AG zum symbolischen Kaufpreis von 1 Euro. Damit muss es auch für Defizite aufkommen. Daher hat sich die Fraport AG damals auch sehr darüber gewundert, dass das Land sie so einfach ziehen lässt, wie es inoffiziell heißt.
Am 2. Juni 2016 wird der Hahn chinesisch
Im November 2011 sieht das Innenministerium schwarz, sprich tiefrote Zahlen: Nach einem Jahresverlust von 10,8 Millionen Euro in 2010 dürften die Verluste des Flughafens in vier Jahren dessen Eigenkapital aufgezehrt haben. Im März 2015 beschließt das Mainzer Kabinett, seine Anteile am Hahn zu verkaufen.
Am 2. Juni 2016 wird der Hahn chinesisch: Aber schnell kommt es Beobachtern spanisch vor, wie das Konsortium unter Führung der Shanghai Yiqian Trading Company (SYT) den Kaufpreis überhaupt aufbringen kann. Das Land, so stellt sich heraus, ist auf windige Hochstapler hereingefallen und stoppt den Verkauf. Ende Juli 2017 gibt die EU-Kommission ihr Plazet für den zweiten Verkaufsversuch und den Zuschlag für den chinesischen Mischkonzern HNA. Kurz danach ist der Verkauf von 82,5 Prozent für rund 15 Millionen Euro an HNA perfekt. Das Land Hessen hält weiter seine 17,5 Prozent.
Dunkle Wolken ziehen auf: Ryanair verlagert mehr Flüge an die benachbarten Airports Frankfurt und Köln/Bonn. Die Zahl der Passagiere sinkt auf nur noch 1.496.362. Dann kommt Corona – mit allen Verlusten im Passagiergeschäft, auch wenn der Frachtumschlag besser läuft. China zieht die Reißleine: HNA, seit 2017 Mehrheitseigner am Hahn, ist zahlungsunfähig. Im Oktober 2021 meldet der Flughafen Insolvenz an. Als Insolvenzverwalter wird der Frankfurter Anwalt Jan Markus Plathner bestimmt, der zunächst das Geschäft ruhig weiterführt und nun mit gleich zwei potenziellen Investoren für Überraschung und Spannung in der Gläubigerversammlung sorgt. Sie hat heute das Wort. Ursula Samary