Plus
Rheinland-Pfalz/Berlin

Sozialpsychologin im Interview über die Gefahr von Telegram: „Hass im Internet wird oft unterschätzt“

Von Bastian Hauck
Foto: tashatuvango - stock.adobe.com

Was kann der Staat gegen Hass und Hetze beim kostenlosen Messengerdienst Telegram, der seinen Sitz in Dubai hat, unternehmen? Wer nutzt die Plattform, die von den Brüdern Pavel und Nikolai Durov gegründet wurde, überhaupt? Und für wie gefährlich hält Pia Lamberty Telegram und Co. für unsere Demokratie? Wir haben mit der Sozialpsychologin und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Berliner Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) gesprochen.

Lesezeit: 6 Minuten
Telegram ist seit Jahren mitunter ein Forum für Hass und Hetze, ein Sammelbecken für Radikale, für Islamisten, für Neonazis und nun für Corona-Leugner. Warum steht Telegram jetzt gerade so im Fokus der Öffentlichkeit, Frau Lamberty? Wenn man sich Telegram-Gruppen anschaut, sieht man, dass seit Beginn der Corona-Pandemie radikale Inhalte verbreitet und ...
Möchten Sie diesen Artikel lesen?
Wählen Sie hier Ihren Zugang
  • 4 Wochen für nur 99 Cent testen
  • ab dem zweiten Monat 9,99 €
  • Zugriff auf alle Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
E-Paper und
  • 4 Wochen gratis testen
  • ab dem zweiten Monat 37,- €
  • Zugriff auf das E-Paper
  • Zugriff auf tausende Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
Bereits Abonnent?

Fragen? Wir helfen gerne weiter:
Telefonisch unter 0261/9836-2000 oder per E-Mail an: aboservice@rhein-zeitung.net

Oder finden Sie hier das passende Abo.

Anzeige

Justizminister Buschmann knöpft sich Telegram vor

Im Kampf gegen Radikalisierung und Hetze im Netz hat sich Justizminister Marco Buschmann für ein gemeinsames europäisches Vorgehen gegen die Onlineplattform Telegram ausgesprochen. Dies mache auf die Betreiber von Telegram „mehr Eindruck, als wenn das jedes Land allein versucht“, sagte der FDP-Politiker. „Beim Umgang mit dem IS (Islamischer Staat) ist es auf diese Weise gelungen, dass die Kanäle der Terrororganisation einfach abgestellt wurden.“

Da Telegram mit Werbung Geld verdienen wolle, dürften die Betreiber ein Interesse daran haben, weiterhin Zugang zum finanziell lukrativen europäischen Markt zu haben. Zugleich warnte Buschmann vor der Illusion, dass Hass und Hetze aufhören, wenn alle Regeln gegen Telegram durchgesetzt seien. „Radikale werden sich neue Wege und Plattformen suchen“, sagte der Minister voraus. Man müsse vielmehr herausfinden, wie und warum sich Menschen im Netz radikalisierten. Darüber sei zu wenig bekannt. „Daher hat mein Haus mehrere Forschungsaufträge dazu vergeben. Das Thema ist viel größer als Telegram.“

Nach teils radikalen Äußerungen von bayerischen AfD-Politikern in einem internen Telegram-Chat ermittelt inzwischen die Generalstaatsanwaltschaft München. Die Beschuldigten sollen sich im Dezember 2020 in der aus rund 200 Mitgliedern bestehenden Telegram-Gruppe geäußert haben. Dabei sollen die Begriffe „Umsturz, Revolution und Bürgerkrieg“ gefallen sein. Der Bayerische Rundfunk hatte den Skandal um die Äußerungen öffentlich gemacht und Anfang Dezember aus teilweise radikalen Inhalten einer geschlossenen Telegram-Gruppe mit dem Namen „Alternative Nachrichtengruppe Bayern“ zitiert.

Psychologin Pia Lamberty klärt über Verschwörungsmythen auf

Pia Lamberty leitet gemeinsam mit Josef Holnburger das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) mit Sitz in Berlin. Die Psychologin forscht seit Jahren zur Frage, warum Menschen an Verschwörungen glauben und welche Konsequenzen das mit sich bringt.

Pia Lamberty war an den Universitäten in Köln, der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität sowie in Beer Sheva (Israel) tätig. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitete sie unter anderem beim Projekt „Seventy Years Later: Historical Representations of the Holocaust and their effects on German-Israeli Relations“ mit, was übersetzt „70 Jahre später: Historische Repräsentationen des Holocausts und ihre Auswirkungen auf die deutsch-israelischen Beziehungen“ heißt. Sie ist Doktorandin am Lehrstuhl für Sozial- und Rechtspsychologie der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität.

Mit CeMAS verortet sich Pia Lamberty an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft. Sie will über Verschwörungserzählungen, Desinformation und Rechtsextremismus aufklären, wie auf der Internetseite der Organisation zu lesen ist. Das Ziel von CeMAS sei es, die Gesellschaft zu befähigen, Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus im Rahmen aktueller Problemlagen und zukünftiger Krisen aktiv entgegentreten zu können.

Gemeinsam mit Katharina Nocun veröffentlichte die Sozialpsychologin 2020 auch das Sachbuch mit dem Titel „Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen“. Es stand auf der Liste der „Spiegel“-Bestseller. 2020 erhielt sie außerdem den Bad Herrenalber Akademiepreis für ihre Forschungsarbeiten.

Bastian Hauck

Meistgelesene Artikel