Die „New York Times“ zeigt Bilder aus den besonders betroffenen Gebieten in Deutschland auf den Titelseiten von Samstag und Sonntag und hebt die politische Dimension der Überflutungen hervor: „Der Wandel in der Debatte kommt, als die Europäische Union einen ehrgeizigen Plan angekündigt hat, die Mitgliedstaaten bis 2050 klimaneutral zu machen. Kein europäisches Land dürfte stärker betroffen sein als Deutschland, die größte Volkswirtschaft des Kontinents.“ Auch die bevorstehenden Wahlen hat die renommierte Zeitung im Blick: „Die Auswirkungen des Klimawandels sind eines der Themen, die in Deutschland vor den Wahlen im September, bei denen die Grünen hinter den konservativen Christdemokraten von Herrn Laschet um den zweiten Platz kandidieren, heftig diskutiert wurden.“ In der Ausgabe von Sonntag stellt die „New York Times“ den Zusammenhang zwischen dem extremen Starkregen in Europa und der Hitzwelle mit Rekordtemperaturen im Westen der USA her.
Den Klimawandel und seine Folgen stellt auch der britische „Independent“ in den Fokus: „Die Warnungen klingen seit Jahrzehnten in unseren Ohren – eigentlich seit den 1980er-Jahren, als Wissenschaftler erstmals begannen, die Folgen der früheren Industrialisierung zu verstehen. Westeuropa war schließlich der Schmelztiegel der ersten industriellen Revolution und trägt insofern eine Mitverantwortung für die anschließende Umweltverschmutzung und -zerstörung.“
Die Londoner „Times“ schreibt, niemand könne mit Sicherheit sagen, dass diese Katastrophe durch den Klimawandel verursacht wurde, Wetterkapriolen hat es schon immer gegeben. „Allerdings warnen Wissenschaftler seit Jahren davor, dass steigende CO2-Emissionen zu einer globalen Erwärmung und zu immer extremerem Wetter in Form von Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürmen führen würde. Diese Extremereignisse treten nun viel häufiger auf, als die Wissenschaftler selbst prognostiziert haben. Das sollte uns alle beunruhigen.“
Auch die österreichische „Kronen-Zeitung“ schreibt in ihrem boulevardesken Stil: „Der Klimawandel zeigt seine Fratze! Wir erstarren vor unseren TV-Geräten. Wir können es nicht fassen. Das passiert ja nur ein paar Hundert Kilometer von uns entfernt.“
Die spanische Zeitung „El País“ zeigt sich überrascht über die erschreckenden Folgen Flut: „Was bei den Überschwemmungen überrascht hat, ist deren Intensität und Ausmaß. Das Geschehen zeigt, dass selbst entwickelte Gesellschaften mit hervorragender Infrastruktur und gutem Katastrophenschutz von den verheerenden Auswirkungen solcher Extremwetter nicht verschont bleiben. Die Auswirkungen haben das Herz des am weitesten entwickelten Teils Europas getroffen, mit einer tragischen Bilanz.“
Zahlreiche europäische Zeitungen blicken vor allem auf die politischen Folgen der Katastrophe, die wenige Wochen vor der Bundestagswahl ein urgrünes Thema in den Fokus rückt. Der Schweizer „Tages-Anzeiger“ spekuliert über einen möglichen Profiteur: „Den Grünen, in den Umfragen zuletzt zurückgefallen, kommt das Thema natürlich wie gerufen: Der Klimaschutz ist das Fach, in dem man ihnen die größte Kompetenz zubilligt. Es könnte also gut sein, dass die zuletzt wegen eigener Fehler angeschlagene (Annalena) Baerbock am Ende von den Hochwassern mehr profitiert als der Krisenmanager (Armin) Laschet.“
Ähnlich sieht das die italienische Zeitung „Corriere della Sera“: „Es bleibt abzuwarten, ob es dann die Grünen sind, die von der neuen deutschen Angst profitieren. Eine Sache ist sicher: Nach der Katastrophe wird die Wahl in Deutschland im kommenden September die erste in Europa sein, die beim Thema der Klimaerwärmung gewonnen oder verloren wird.“ Die Pariser Zeitung „Le Figaro“ sieht die Rolle der Grünen etwas anders: „Zwei Monate vor den Parlamentswahlen hat die Naturkatastrophe in Deutschland eine politische Wendung genommen. Von den meisten deutschen Medien ins Visier genommen, wurden die Grünen beschuldigt, die Tragödie auszunutzen.“
„Zweieinhalb Monate vor der Wahl ist das politische Berlin massiv auf den Klimawahlkampfzug aufgesprungen“, schreibt „De Volkskrant“ aus den Niederlanden, „wenn es – wie die Grünen – nicht schon drauf war. Besonders auffällig ist die plötzliche Bekehrung der CDU zum Mitglied im Klub der Warner vor dem Klimawandel.“ Spitzenkandidat Armin Laschet habe das Thema bisher vor allem im Kontext des wirtschaftlichen Wettbewerbs angesprochen, wenn es um Deutschland als Produzent von sauberer Energie und sauberen Autos ging. „Jetzt hebt er jetzt die Bedeutung vieler schneller Maßnahmen zur Verlangsamung des Klimawandels hervor.“
Der Klimawandel hat weltweite Folgen, der Anstieg des Meeresspiegels bedroht vor allem Küstenlinien und Inselstaaten. Der ehemalige Präsident der Malediven, H.E. Mohamed Nasheed, veröffentlichte ein Statement im „Climate Vulnerable Forum“: „Dieses tragische Ereignis erinnert daran, dass im Klimanotstand niemand sicher ist.“ dpa/hoh