Rheinland-Pfalz

Prozess am Landgericht Koblenz: Idar-Obersteinerin verehrte IS glühend

Von Ursula Samary
Nadine K. ist unter anderem wegen zu Beihilfe wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sie soll sie in Syrien und dem Irak gegangenen haben. Foto: Thomas Frey/dpa
Nadine K. ist unter anderem wegen zu Beihilfe wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sie soll sie in Syrien und dem Irak gegangenen haben. Foto: Thomas Frey/dpa

Sie soll mit ihrem Mann eine jesidische Frau als Sklavin gehalten, Beihilfe zum Völkermord sowie zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Syrien und im Irak begangen haben: die Idar-Obersteinerin Nadine K. (37). Und: Sie soll eine glühende Anhängerin des sogenannten Islamischen Staats (IS) gewesen sein.

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Die heute zweifache Mutter reiste im Dezember 2014 mit ihrem nach islamischen Ritus ver­heirateten Ehemann, einem Mediziner, über die Türkei ins Herrschaftsgebiet des IS aus. Beide lebten teils in Syrien und seit spätestens Juni 2015 für längere Zeit in Mossul/lrak. Nach der Anklage der Bundesanwaltschaft horteten sie dort in einer Villa Sprengstoff und Waffen. Zudem sollen sie dort mit Lizenz und Geld des IS eine Art Frauenhaus für alleinstehende IS-Mitglieder betrieben haben, wie Zeuginnen dem Landeskriminalamt (LKA) berichteten.

Im April 2016 soll der Mann, der neben der Angeklagten noch drei Frauen hatte, eine Jesidin (22) ins Haus geholt haben, die er ständig vergewaltigte und schlug. Nadine K. soll überwacht haben, dass die Sklavin nicht vor Qualen fliehen konnte.

Hinweis vom LKA

Wie ein Ermittlungsführer des Mainzer LKA vor dem OLG berichtet, laufen die Ermittlungen seit März 2019. Vom LKA Baden-Württemberg habe man einen Hinweis auf die Idar-Obersteinerin erhalten. Sie war zu dieser Zeit mit ihren beiden Töchtern wohl schon in Gefangenschaft bei kurdischen Kräften in Syrien. Das LKA war zunächst im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz tätig. Als sich Ermittlungen dann ausweiteten, übernahm der Generalbundesanwalt den Fall.

Wie der LKA-Beamte sagt, waren die Eltern von Nadine K. seit der Durchsuchung bei ihnen sofort sehr kooperativ. Sie stellten auch Chats bereit, die sie mit ihrer Tochter austauschten. Die Gedankenwelt ihrer Tochter muss die Eltern ohne islamischen Hintergrund über Jahre erschüttert haben. Die radikalisierte Tochter verteidigte noch Anfang 2020 fanatisch den IS.

Dass die Terrororganisation nach ihrem mittelalterlichen Weltbild Menschen ermordet, hinrichtet, schächtet, enthauptet und in großem Stil vertreibt, wollte sie damals nicht wahrhaben. 2017 hatte sie noch gehofft, dass auch „Deutschland zu unserem Staatsgebiet gehören“ würde. Keinesfalls wolle sie, dass ihre Kinder in Deutschland aufwachsen, wo „Moral nur noch ein Wort im Kreuzworträtsel“ sei. Ihre Kinder müssten nach islamischen Regeln leben, um nicht in der Hölle zu laden. Bei den Kontakten habe sie ihren genauen Aufenthaltsort immer geheim gehalten, schildert der Beamte.

Schlimme Verhältnisse

Die Eltern, die auch den Prozess verfolgen, hielten stets zu ihr – schickten ihr über einen Mittelsmann in der Türkei auch Geld, damit sie in einem Lager mit katastrophalen Zuständen überleben konnte. Wie der LKA-Beamte berichtet, gab es dort nicht genug Wasser, auch keinen Strom. Nadine K. sei an Typhus erkrankt, die Kinder hätten ständig unter Durchfall gelitten. Am Ende wollte die Idar-Obersteinerin doch nach Deutschland zurück, wohl wegen „der schlimmen Verhältnisse“, vermutet der Beamte.

Ende März 2022 wurde sie von Deutschland zurückgeholt. Seitdem sitzt die Frau in Untersuchungshaft. Ob sie sich vom IS losgesagt hat, ist offen. Sie hat bisher geschwiegen und will sich erst im Februar schriftlich zur Sache äußern. Ihr syrischer Mann soll in Nordsyrien bei Kurden inhaftiert sein. Dafür hat das LKA Hinweise, das seit Ende 2019 Zeuginnen in Deutschland vernommen hat. Der LKA-Beamte muss erneut aussagen – zu bisher noch wenig bekannten Fakten.

Denn der Verteidiger von Nadine K., Gabor Subai (Remagen), moniert, dass ihm erst kürzlich umfangreiche Akten und Dateien übermittelt wurden, die für ihn technisch teilweise nicht lesbar seien. Deshalb beantragt er, den Prozess auszusetzen oder zu unterbrechen, um mehr Zeit zu haben. Darüber hat der Senat unter Vorsitz von Martina Kohlmeyer noch nicht entschieden. Vom LKA-Beamten wollen die Verteidiger zunächst wissen, warum kaum geklärt sei, wo und wie Nadine K.s Mann als Arzt für den IS agiert habe. Der Syrer habe nicht im Mittelpunkt der Ermittlungen gestanden, hält der Beamte entgegen.