Rheinland-Pfalz

Fordert die Bundesregierung zum Handeln auf: Minister Hoch macht sich für mehr Psychotherapieplätze stark

Clemens Hoch (SPD)
Clemens Hoch (SPD). Foto: Arne Dedert/DPA

Die Wartezeiten auf eine Psychotherapie sind zu lang. Besonders für Kinder und Jugendliche. Gesundheitsminister Hoch appelliert an die Bundesregierung – und macht drei kurzfristig umsetzbare Vorschläge.

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Die Folgen der Corona-Krise, des Ukraine-Kriegs, der Inflation sowie des Klimawandels machen vielen zu schaffen. „Gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit warten viele dringend auf einen Therapieplatz“, sagt Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). „Bei der psychotherapeutischen Bedarfsplanung gibt es echten Handlungsdruck.“ Die Wartezeiten auf einen Termin liegen nach Angaben der Landespsychotherapeutenkammer derzeit – je nach Region – bei mehr als fünf Monaten. Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer, hatte gegenüber unserer Zeitung erklärt: „Eine angemessene psychotherapeutische Versorgung ist so nicht mehr zu gewährleisten.“

Lange Wartezeit kann fatale Folgen haben

Hoch fordert die Bundesregierung in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (auch SPD) nun auf, bereits im Vorgriff auf die im Koalitionsvertrag festgelegte Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung aktiv zu werden und für mehr Therapieplätze – insbesondere für Kinder und Jugendliche – zu sorgen. Dass eine lange Wartezeit auf einen Therapieplatz für die Seele insbesondere junger Menschen fatale Folgen haben kann, hatte der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Peter Andreas Staub unserer Zeitung geschildert. Zuletzt hatte auch die Ministerpräsidentenkonferenz auf Initiative der Landesregierung die Bundesregierung aufgefordert, „schnelle gesetzliche Regelungen für eine kurzfristige Reduktion der Wartezeiten auf eine ambulante psychotherapeutische Behandlung“ zu beschließen.

Damit die Bundesregierung das Problem der fehlenden Plätze möglichst zeitnah anpacken kann, sieht Minister Clemens Hoch drei Möglichkeiten, die mit Gesetzesänderungen oder Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Kassen (GBA), des höchsten Gremiums der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, kurzfristig die Lebenssituation der Menschen verbessern könnten. „Die Zeit drängt.“ Das sind Hochs drei Lösungsvorschläge:

1 Das Verhältnis der zugelassenen Psychotherapeutenkassensitze zur Einwohnerzahl: „Nach den Vorgaben des GBA kommt in zentralen Orten ein Therapeut auf 3173 Einwohner, im Umland dieser Großstädte kommt einer auf 6390 Einwohner. Die Zahl ist viel höher, weil man davon ausgeht, dass auch Menschen aus den ländlichen Regionen zu einem Arzt beziehungsweise Psychotherapeuten in der Großstadt gehen“, erläuterte Hoch. „In den rein ländlichen Bereichen kommt ein Therapeut auf 5754 Einwohner.“ Rheinland-Pfalz als ländlich geprägtes Bundesland hat laut dem Minister vielerorts daher sehr wenige Kassensitze für Psychotherapeuten. Wenn das Verhältnis in den Regionen auf einen Therapeuten pro 4500 Einwohner erhöht werden könnte, entstünden rund 140 zusätzliche Kassensitze. „Für die Wartezeiten wäre das schon eine große Entlastung“, sagte Hoch. Im Gegensatz zu anderen medizinischen Berufen gebe es zudem keinen Fachkräftemangel. „Wir haben genügend ausgebildete Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen, die aber keine Kassenzulassung haben.“

Wie Maur unserer Zeitung sagte, fehlen mindestens 200 zusätzliche Kassensitze, um eine angemessene psychotherapeutische Versorgung gewährleisten zu können. Staub, der auch Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung ist, geht von 170 bis 200 zusätzlichen Sitzen aus, darunter 40 bis 50 Sitze für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Die jährlichen Zusatzkosten kalkulierte er auf 17 bis 20 Millionen Euro. Die Kassen in Rheinland-Pfalz hatten sich gegenüber unserer Zeitung aber bereits gegen eine Ausweitung der Kassensitze für Therapeuten „nach dem Gießkannenprinzip ausgesprochen“.

2 Eine andere Definition von Überversorgung: Ebenfalls 140 Kassensitze könnten geschaffen werden, wenn die rechnerische Überversorgung weiter gefasst wird „und wir nicht bei 110 Prozent weitere Zulassungen sperren, sondern erst bei 140 Prozent“. Dies würde zwar nicht nur den Vorteil in ländlichen Regionen bringen, sondern sich anders verteilen. „Aber in Rheinland-Pfalz sind die Wege auch nicht so weit.“ Auch hier könnten die Kassen ihr Veto einlegen.

3 Vorübergehende Institutsermächtigungen: „Die dritte Möglichkeit wäre, wenn die psychiatrischen Krankenhäuser oder Fachabteilungen, die eine stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung anbieten, für eine Übergangszeit eine sogenannte Institutsermächtigung bekämen“, sagte Hoch. „Dann könnten die Ärzte und Ärztinnen und die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die im Krankenhaus tätig sind, auch ambulante psychotherapeutische Angebote machen, und wir würden darüber hinaus sogar noch die Krankenhausstandorte stärken.“ Doch hier steckt der Teufel im Detail. So hat die Dr. von Ehrenwall’sche Klinik in Ahrweiler, die mit der Behandlung Tausender Traumatisierter im Ahrtal konfrontiert ist, bereits eine solche Institutsermächtigung. Doch deren Ambulanz erhält eine Pauschale, die nur ein Sechstel des Honorars beträgt, das ein niedergelassener Therapeut mit regulärer Psychotherapie mit einer Sitzung pro Woche verdient. dpa/ck