Rheinland-Pfalz. Es ist ein Thema, das nicht häufig im Fokus der Öffentlichkeit steht. Und eines, das man nicht zuallererst mit der FDP in Verbindung bringen würde. Dennoch waren es die Liberalen, die das Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit auf die Tagesordnung des rheinland-pfälzischen Landtags setzten – zur Verwunderung mancher Abgeordneter.
So merkte die CDU-Parlamentarierin Anette Moesta an: „Ich bin überrascht, dass die FDP-Fraktion das Thema der Wohnungs- und Obdachlosigkeit ausgesucht hat. Die soziale Verantwortung habe ich bei der FDP bisher noch nicht so ausgeprägt gesehen.“ So viel sei gesagt: Es war das einzige Scharmützel an diesem Nachmittag. Dafür war die Angelegenheit zu ernst, die Fraktionen sich beim Ziel einig: Wohnungs- und obdachlosen Menschen soll geholfen werden, möglichst schnell eine eigene Wohnung zu bekommen.
Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) kündigte an, ab dem kommenden Jahr auf einen neuen Ansatz zu setzen. Der lautet: „Housing First“, also zu Deutsch „Wohnung zuerst“. Die Idee dahinter: Zuerst bekommen Wohnungs- und Obdachlose ohne Auflagen und ohne Fristen eine reguläre Unterkunft. Sie müssen also nicht in eine Notunterkunft und nicht zuerst bestimmte Stufen erreichen, bis sie eine Herberge erhalten. Erst nach dem Einzug stehen die Arbeitsplatzsuche oder Suchtfragen im Fokus. Schweitzer teilte mit, man werde diesen Ansatz in Rheinland-Pfalz mit Leben füllen. Erste Gespräche fänden mit den Kommunen und Trägern bereits statt. Der Pfälzer sagte: „Trautes Heim, Glück allein – das soll für möglichst viele Menschen in Rheinland-Pfalz gelten.“
Der „Housing First“-Ansatz erziele in einigen Ländern bereits hohe Erfolgsquoten, verwies Steven Wink, sozialpolitischer Sprecher der Liberalen, etwa auf Finnland. Studien hätten gezeigt, dass es für den Steuerzahler keinesfalls günstiger sei, wenn man die Betroffenen einfach ihrem Schicksal überlasse. SPD-Kollegin Lana Horstmann sagte, dass es jede Mühe wert sei, den Menschen zu helfen. „Ein warmes und sicheres Dach sollte in Deutschland kein Luxus sein.“
Annette Moesta, die auch Vorsitzende des Caritasverbands Koblenz ist, stimmte überein, dass eine Wohnstätte wichtig sei. Sie gebe Würde. Allerdings gehe es auch um ein Gesamtpaket: Prävention, sozialer Wohnungsbau und darum, den Menschen bei den ganz einfachen und praktischen Dingen zu helfen, zum Beispiel bei der Suche nach Möbeln. Wohnungs- und Obdachlosenhilfe sei ein langer Prozess. Dafür brauche es ein gutes Netzwerk.
In Rheinland-Pfalz geben die Kommunen die Zahl wohnungsloser Menschen zum Stichtag 30. September 2020 mit 6044 an. Das sind allerdings nur die registrierten Fälle. Einige melden sich nicht bei den Kommunen, die Dunkelziffer dürfte höher sein, waren sich die Parlamentarier einig.
Dass es diese Daten überhaupt gibt, sei ein Erfolg, berichtete Daniel Köbler (Grüne). Rheinland-Pfalz sei Vorreiter, eine bundesweite Statistik werde im nächsten Jahr folgen. Diese Erhebung sei wichtig. Sie zeige, dass es sich bei Wohnungs- und Obdachlosigkeit um ein vielfältiges Phänomen handelt. Außerdem müsse man sogenannte Clearingstellen weiter fördern, so Köbler. Das sind Anlaufstellen für Menschen ohne oder mit ungeklärtem Krankenversicherungsschutz. Köbler sagte: „Ich glaube, wir haben in Rheinland-Pfalz gute Grundlagen gelegt, und ich bin dankbar dafür, dass die Debatte einen Anstoß gibt, da weiterzuarbeiten.“
Steven Wink, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, dankte für eine sachliche Diskussion. Es sei wichtig, das Thema immer wieder ins Bewusstsein zu rufen. Ein Thema, das nicht häufig im Fokus der Öffentlichkeit steht.