Bad Neuenahr-Ahrweiler

Es hakt beim Krisenmanagement im Ahrtal: Helfer und Betroffene fordern stärkere Koordination

Von ua/bea/us/dpa
Bundeswehr baut Brücke über die Ahr
Einsatzkräfte der Bundeswehr bauen eine Behelfsbrücke über die Ahr im Weinort Rech im Landkreis Ahrweiler. Foto: Ira Schaible/dpa

Nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal gibt es Kritik an der Koordination der Hilfe. Es gebe Probleme bei der „operativen Arbeit an Ort und Stelle“, sagte der Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen, unserer Zeitung. Die Dinge, die funktioniert hätten, seien häufig unter dem Radar des Krisenstabes gelaufen. Seit dem 19. Juli fordern die betroffenen Kommunen deshalb eine Verbindungsperson zwischen dem Krisenstab und ihren Verwaltungen. Diese Stelle gebe es bis heute nicht.

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Auch die Handwerkskammer (HwK) Koblenz fordert eine bessere Koordination der Helfer im Ahrtal. Kammern, Innungen und einzelne Handwerker seien längst da, um zu helfen. Aber: „Die Obermeister fühlen sich alleingelassen“, sagte HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich unserer Zeitung. Die Arbeiten müssten stärker gesteuert werden.

Derweil wird das Ausmaß der Schäden immer deutlicher. Orthen schätzt den materiellen Schaden allein in seiner Stadt auf 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro. Die schwierigen Lebensumstände führen in den von der Unwetterkatastrophe betroffenen Gebieten zunehmend auch zu wütenden Reaktionen gegen Helfer und Polizisten. In einem internen Bericht der Direktion Bereitschaftspolizei der Bundespolizei, aus dem „Bild“ zitierte, heißt es, die Versorgung der Bevölkerung werde von den Einsatzkräften in Rheinland-Pfalz als „problematisch bewertet“. Viele Betroffene seien stark traumatisiert, die Akzeptanz gegenüber den Einsatzkräften „sinkt stetig“.

Das habe nicht nur damit zu tun, dass die Versorgung mit Trinkwasser und Strom in den Katastrophengebieten teilweise noch nicht vollständig wieder gewährleistet sei, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf. Den Polizisten schlage auch Wut entgegen, wenn sie Menschen, die ihr Hab und Gut retten wollten, am Betreten ihrer einsturzgefährdeten Häuser hindern müssten.

In der teils aufgeladenen Situation brechen sich auch immer wieder Gerüchte Bahn. So warnte die Polizei vor kursierenden Falschmeldungen. „Aktuell wird in sozialen Netzwerken über angeblich 600 Kinderleichen berichtet“, sagte Florian Stadtfeld vom Polizeipräsidium Koblenz. Er rief dazu auf, ausschließlich seriösen Quellen zu vertrauen und sich nicht „am unreflektierten Verbreiten von Meldungen im Internet“ zu beteiligen.

An der Verbreitung von Gerüchten seien auch immer wieder „Querdenker“ beteiligt, sagte der Koblenzer Polizeivizepräsident Jürgen Süs. „Unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft wurde hier verschwörerisches Gedankengut verbreitet, und die Maßnahmen der Hilfs- und Rettungsdienste und der Polizei wurden diskreditiert.“ Dies habe Ängste und Sorgen in der Bevölkerung erhöht. Positiv bewertete Süs es daher, dass eine Gruppe von „Querdenkern“, die in den vergangenen Tagen eine Schule in Bad Neuenahr-Ahrweiler genutzt hatte, das Gebäude auf Anordnung der Stadtverwaltung verlassen hat. „Auch nach dem Abzug der ,Querdenker' aus der Schule werden wir ihre Aktivitäten weiterhin aufmerksam beobachten“, sagte Süs.

ua/bea/us/dpa