Rheinland-Pfalz/Neuwied

Ehrenamtliche Impflotsen: Passanten ansprechen und über Corona-Impfungen informieren

Von Ira Schaible
Walid Alsem ist einer von 37 Impflotsen, die bislang in Rheinland-Pfalz unterwegs sind. In Neuwied spricht der 31-Jährige Menschen an, trifft er auf Ungeimpfte, informiert er über die Corona-Schutzimpfung. Er spricht mehrere Sprachen und hat festgestellt: Vielen Menschen mit Migrationshintergrund fehlen oft schlicht die Informationen über Impfmöglichkeiten. Hier kann er helfen.
Walid Alsem ist einer von 37 Impflotsen, die bislang in Rheinland-Pfalz unterwegs sind. In Neuwied spricht der 31-Jährige Menschen an, trifft er auf Ungeimpfte, informiert er über die Corona-Schutzimpfung. Er spricht mehrere Sprachen und hat festgestellt: Vielen Menschen mit Migrationshintergrund fehlen oft schlicht die Informationen über Impfmöglichkeiten. Hier kann er helfen. Foto: dpa

Jede Impfung zählt im Kampf gegen die Pandemie. Um Ungeimpfte doch noch vom Nutzen der Corona-Schutzimpfung zu überzeugen, hat die Landesregierung ein aufwendiges Projekt auf den Weg gebracht. Einer, der zum Gelingen dieses Projektes beiträgt, ist Walid Alsem. Er spricht Menschen vor Schnelltestzentren, Geschäften, Behörden und auf Spielplätzen an.

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„Wir suchen die Menschen, die noch nicht geimpft sind“, berichtet der Impflotse aus Neuwied. „Vielleicht haben sie noch eine Frage über den Impfstoff oder so.“ Der 31 Jahre alte Medizintechniker aus Syrien kann mit den Menschen auf Arabisch, Deutsch, Persisch und Türkisch über den Schutz gegen das Coronavirus sprechen.

Einer Handvoll Leute habe er nach wenigen Einsätzen bereits über den QR-Code auf dem Flyer der Impflotsen helfen können, einen Termin für die erste Spritze zu vereinbaren, beichtet Alsem. „Das Wichtigste für uns ist, dass sich die Menschen mit uns wohlfühlen. Und wir können sie auch zum Impfzentrum begleiten.“ Die Reaktionen auf die Ansprache der Impflotsen sind ganz unterschiedlich. „Manchmal reagieren die Menschen aggressiv, manchmal normal und manchmal freundlich“, berichtet Alsem.

„Es ist nicht immer einfach. Aber jeder Piks zählt“, sagt die aus dem Iran stammende Psychologin Sepideh Baghdadi von den Maltesern, bei denen das Projekt in Mainz angedockt ist. „Manche wollen nicht darüber sprechen, warum sie nicht geimpft sind, und beschimpfen uns.“ Bei vielen Menschen mit Migrationshintergrund fehlten aber einfach Informationen. „Wir vereinbaren auch Termine für sie und begleiten sie zum Impfen.“

Landesweit gibt es 37 Impflotsen

Die Ehrenamtlichen sind in Rheinland-Pfalz erst seit Kurzem unterwegs, von landesweit 37 Impflotsen sind auch noch nicht alle geschult. Bislang machen die Städte Mainz, Neuwied und Koblenz sowie der Kreis Mayen-Koblenz in dem Projekt mit, berichtet die Sprecherin der koordinierenden Landeszentrale für Gesundheitsförderung, Birgit Kahl-Rüther. In Ludwigshafen sei ein erstes Treffen geplant, die Landeszentrale spreche nach und nach weitere Kommunen und Kreise an.

„Die Impflotsen und -lotsinnen sind mit einheitlichen Westen, Taschen, Buttons als Impflotsen erkennbar“, berichtet Kahl-Rüther. „Sie sind rund um die mobilen Impftermine unterwegs, da es sehr wichtig ist, den Menschen ein konkretes, unkompliziertes Impfangebot machen zu können.“ Auch bei den Tafeln schauen sie regelmäßig vorbei. Die meisten Lotsen hätten einen Migrationshintergrund und könnten daher auch Gespräche in ihrer Muttersprache führen.

Manchmal reagieren die Menschen aggressiv, manchmal normal und manchmal freundlich.

Walid Alsem schildert seine Erfahrungen als Impflotse

„Die Impflotsinnen und Impflotsen beseitigen durch den direkten Kontakt Hürden vor Ort in den Quartieren. Sie informieren und klären auf – und bauen dadurch Ängste und Unsicherheiten ab“, erläutert Impfkoordinator Daniel Stich das Konzept. „Das Ziel ist, dass wir so immer mehr Menschen erreichen, die sich freiwillig impfen lassen. Und wir tun das mit großem Aufwand“, sagt Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

„In der jetzigen Phase der Impfkampagne, in der alle Impfberechtigten und Impfwilligen auch tatsächlich ein Angebot erhalten haben, gilt es, jene zu überzeugen, die immer noch skeptisch sind oder sich verweigern“, betont Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). Die Impflotsen holten die Menschen quasi daheim ab mit allen Bedenken, Sorgen und Barrieren. „Und wir gewinnen sie so auch als Unterstützer für die Impfkampagne.“

Mehrsprachigkeit ist immer ein Vorteil

Impflotsin Carola Herbrik vergleicht die Corona-Schutzimpfung in ihren Gesprächen mit dem Sicherheitsgurt im Auto: Eine Ansteckung mit dem Coronavirus ist nicht ausgeschlossen, aber verläuft weniger schlimm. Die Mainzerin, die auch mehrere Sprachen spricht oder zumindest versteht, ist eigentlich seit Pandemiebeginn schon als eine Art Impflotsin aktiv, wie sie sagt. In einem der 56 Häuser der Familie in Rheinland-Pfalz, das sind Anlaufstellen und Orte der Begegnung für alle Familien, berät sie alle, die mit verschiedenen Problemen und Fragen zu ihr kommen. Darunter sind viele, die kaum Deutsch sprechen oder seit Jahren arbeitslos sind.

In den Gesprächen gehe es auch immer wieder ums Impfen. Herbrik informiert, versucht Ängste abzubauen und falsche Behauptungen richtigzustellen. Sie erklärt auch Regeln, die ihre Gesprächspartner sonst nicht kennen oder verstehen würden. Dabei erlebt sie oft das Gefühl von Benachteiligung und Ohnmacht. Viele hätten das Gefühl, überhaupt keine Macht mehr über sich zu haben, im Fall der Impfung aber selbst bestimmen zu können, berichtet Herbrik. Sie versuche ihrem Gegenüber dann klarzumachen, dass es sich dafür entscheide, schwer krank zu werden, wenn es die Impfung nicht wolle. Mancher habe auch Angst, seinen Minijob zu verlieren, wenn er wegen Nebenwirkungen der Impfung fehle.

„Impflotsen sind nicht wie Drückerkolonnen“, sagt Herbrik zu kritischen Kommentaren im Internet. „Es geht um Aufklärung, um Ansprache auf Augenhöhe – und darum, die Leute ernst zu nehmen.“