Rheinland-Pfalz

Die verbotene Insel mitten im Rhein: Warum Petersaue niemand betreten darf

Von Peter Zschunke
Die Petersaue liegt über eine Länge von drei Kilometern zwischen linkem und rechtem Rheinufer. Für die Städte Mainz und Wiesbaden ist sie vor allem wegen der 26 Brunnen bedeutsam.  Foto: Peter Zschunke/dpa
Die Petersaue liegt über eine Länge von drei Kilometern zwischen linkem und rechtem Rheinufer. Für die Städte Mainz und Wiesbaden ist sie vor allem wegen der 26 Brunnen bedeutsam. Foto: Peter Zschunke/dpa

Reif für die Insel? Da hat der Rhein einige zu bieten. Eine davon ist die Petersaue, die für die Öffentlichkeit gesperrt ist. Ein Grund, genauer auf dieses Stück Land zu schauen, das sich etwa drei Kilometer lang in den Fluss schmiegt.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Am Ufer stakst der Graureiher durch das in diesem Sommer sehr flache Wasser. Über Eschen und Silberweiden kreist der Schwarzmilan. Aber das Flussidyll verbirgt, dass die Petersaue von großer Bedeutung für die Trinkwasserversorgung von Mainz und für die Abwasserreinigung von Wiesbaden ist. Mit dem Hinweis auf die kritische Infrastruktur wird erklärt, warum nur wenige Menschen die Insel betreten dürfen.

Kurz bevor der breite Strom nach Westen abknickt, trennt die lang gestreckte grüne Insel die Industriegebiete links und rechts. Sie liegt auf hessischem Gebiet, zwischen der Mainzer Neustadt und den Wiesbadener Stadtteilen Mainz-Kastel und Mainz-Amöneburg. Die aus alpinen Kalkablagerungen entstandene Insel ist im Stromverlauf die erste einer Kette, die sich weiter über Rettbergsaue, Mariannenaue, Fulder-Aue und Ilmen-Aue bis zur Rüdesheimer Aue und der Mäuseturminsel erstreckt. Die Ufer sind meist dicht bewachsen. Die Petersaue gehört zum Vogelschutzgebiet Inselrhein. „Von der Petersaue profitieren zahlreiche klimasensitive Arten“, sagt eine Sprecherin des hessischen Umweltministeriums und nennt unter anderem Grauspecht, Wachtelkönig, Flussregenpfeifer und den Großen Brachvogel.

Gewöhnt haben sich die Vögel an die Einrichtungen der Wasserwirtschaft. An der nordwestlichen Spitze liegt die Kläranlage von InfraServ, der Betreibergesellschaft des Wiesbadener Industrieparks Kalle-Albert. In der Mitte erstreckt sich das Wasserwerk der Stadt Mainz. Das südöstliche Ende ist bei Hochwasser schnell überflutet. Dort lagern Kormorane, an einem Tümpel, dessen Wasser auch nach langer Trockenheit noch durch die Bäume schimmert.

Petersaue-Wasser ist Uferfiltrat

Nahe der Eisenbahnbrücke liegt das seit 1958 bestehende Wasserwerk der Mainzer Stadtwerke. Aus den 26 Brunnen der Petersaue, die meist etwa 80 Meter tief in Kalk- und Tongestein reichen, wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des hessischen Umweltministeriums 5,5 Millionen Kubikmeter Wasser entnommen. Das waren 15,7 Prozent weniger als 2020, aber 14,8 Prozent mehr als 2019. Das Rheinwasser wird beim Versickern durch die Bodenschichten gereinigt. Dieses Uferfiltrat wird dann nach oben gepumpt.

Im Wasserwerk wird es unter anderem mit Luft angereichert, sodass unerwünschte Inhaltsstoffe wie Eisen und Mangan oxidieren und in einer Mehrschichtfilteranlage abfiltriert werden. Schließlich wird es mit UV-Licht bestrahlt und so desinfiziert. Nitrat macht hier anders als beim Grundwasser aus landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen keine Probleme. Bei einem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter wies das Petersaue-Wasser bei Messungen meist Werte von weniger als 0,5 Milligramm auf. Uferfiltrat, also ufernahes Grundwasser, deckt rund 30 Prozent der Grundwasserversorgung in Rheinland-Pfalz ab.

Bei einer Zunahme extrem trockener und heißer Jahre werde die Suche nach Entnahmemöglichkeiten aus ufernahen Rheinbrunnen künftig an Bedeutung gewinnen, erwartet das Umweltministerium in Mainz. Gleichzeitig werde der Druck auf rheinnahe Wasserwerke mit hohem Anteil an ufernahem Grundwasser zunehmen.

An der Nordwestspitze der Insel geht es darum, belastete Industrieabwässer zu reinigen. Die 1972 eingerichtete biologische Abwasserreinigungsanlage (Bara) behandelt nach Angaben der Firma InfraServ täglich rund 15.000 Kubikmeter Abwässer aus den Produktionsanlagen des Wiesbadener Industrieparks Kalle-Albert. Diese gelangen über eine Betriebsbrücke, traditionell benannt nach der früheren chemischen Fabrik Kalle, zur Kläranlage auf der Insel.

Dort wird das Abwasser zunächst mechanisch, chemisch und physikalisch vorgereinigt, ehe die eigentliche biologische Reinigung folgt. Dabei kommen Mikroorganismen zum Einsatz, mal unter Ausschluss von Sauerstoff (anaerob), mal mit Beteiligung von Sauerstoff (aerob). Für die Entwässerung und Verwertung von dabei entstehendem Schlamm wurde im April dieses Jahres eine neue Anlage in Betrieb genommen. Auf dem Bara-Gelände arbeiten rund um die Uhr etwa 20 Beschäftigte. Zusätzlich zur Abwasserreinigung werden außerdem etwa 85 000 Kubikmeter Kühl- oder Regenwasser der Fabriken nach Kontrolle am rechten Rheinufer in den Rhein geleitet.

Stift St. Peter als Namensgeber

Ihren Namen hat die Petersaue, historisch auch als Peters Au bezeichnet, vom Stift St. Peter vor den Mauern, dem die Insel gehörte. Heute erinnert die barocke Kirche St. Peter in Mainz mit ihren markanten Doppeltürmen an das 944 gegründete und 1802 aufgehobene Stift.

Ein Teil der Insel wird landwirtschaftlich genutzt, etwa für den Getreideanbau. Historisch bedeutsam war die Insel auch wegen ihrer von Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Befestigungsanlagen. Deren Reste tauchten in vergangenen Jahren gelegentlich als Verfärbungen im Gerstenfeld auf.