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Rheinland-Pfalz

Das Dilemma der kleinen Wahllokale: Ist das Wahlgeheimnis wirklich in Gefahr?

Von Carsten Zillmann
Wenn in einem kleinen Wahlbezirk nur wenige Leute ihren Stimmzettel auch wirklich in die Urne werfen, ist unter Umständen das Wahlgeheimnis nicht gewahrt. Doch müssen daher kleine Wahllokale aufgegeben werden? Der Landeswahlleiter sieht mehrere Möglichkeiten, das zu verhindern.
Wenn in einem kleinen Wahlbezirk nur wenige Leute ihren Stimmzettel auch wirklich in die Urne werfen, ist unter Umständen das Wahlgeheimnis nicht gewahrt. Doch müssen daher kleine Wahllokale aufgegeben werden? Der Landeswahlleiter sieht mehrere Möglichkeiten, das zu verhindern. Foto: picture alliance / Arne Dedert/dpa

Das Bundesinnenministerium bestimmt den Ablauf der Bundestagswahl mithilfe der Bundeswahlordnung. Horst Seehofer (CSU) hat in der neuesten Auflage vom 27. Juni 2020 darin eine Klarstellung verankern lassen: Wenn weniger als 50 Stimmen in der Wahlurne landen, ist aus Sicht seines Hauses das Wahlgeheimnis in Gefahr. Die Befürchtung ist, dass die individuelle Wahlentscheidung anhand der Wählerliste nachvollziehbar wird. In Rheinland-Pfalz gibt es so viele kleine Dörfer wie in keinem Land außer Sachsen. In den Landkreisen Bad Kreuznach und Idar-Oberstein, die gemeinsam den Bundestagswahlkreis 201/Kreuznach bilden, kursierte schnell eine Befürchtung: Kleine Wahllokale werden geschlossen. Das wird nicht passieren. Wir erklären alle Hintergründe und Lösungsansätze.

Lesezeit: 2 Minuten
Wie viele Wahlbezirke wären in Rheinland-Pfalz betroffen? Eine seriöse Einschätzung ist nur annäherungsweise möglich. Der Blick auf das amtliche Endergebnis der Landtagswahl gibt gewisse Aufschlüsse: In mehr als 600 Ortsgemeinden stimmten zwischen einem (Speyer/Siedlungsschulen) und 60 Wählern (Hattgenstein im Kreis Birkenfeld) an der Urne ab. Dass der Wert dort unter die ...
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Carsten Zillmann über die kleinen Wahllokale: Undurchdachte Reform und durchschaubarer Furor

Das Bundesinnenministerium sieht in kleinen Wahllokalen das Wahlgeheimnis in Gefahr. In den Landkreisen Bad Kreuznach und Birkenfeld ärgern sich darüber – vor allem – CDU-Politiker. Die Reform der Bundeswahlordnung ist undurchdacht und der Furor im Wahlkreis Kreuznach ebenfalls. Und zudem durchschaubar.

Wenn kaum jemand an die Urne geht, ist das Wahlgeheimnis in Gefahr. Im Wahllokal Speyer/Siedlungsschulen hat ein Mensch seinen Stimmzettel in die Urne geworfen. Seine Wahl war schlichtweg nicht geheim. Ob das auch bei 40 oder 49 Stimmen der Fall ist, ist durchaus umstrittener. Deshalb wirkt die Grenze von 50 abgegebenen Stimmen willkürlich. Faktisch kann sie auch das Gegenteil bewirken: Wenn Bürger nun im Nachbarort wählen müssten, weil es kein Lokal im Dorf gibt, drängt das Menschen zur Briefwahl. Die hält das Bundesverfassungsgericht zwar für legitim, aber problematisch – hinsichtlich des Wahlgeheimnisses. Denn: Die Richter sehen die geheime Wahl auch gefährdet, wenn Ehemann und Ehefrau ihre Bogen füreinander einsehbar ausfüllen. Das bedeutet, dass die geheime Wahl dann am Küchentisch statt im Wahllokal gefährdet wird. Zielführend ist das nicht. Die Aufregung im Wahlkreis Kreuznach ist allerdings auch nicht wirklich durchdacht. Landeswahlleiter Marcel Hürter (SPD) kann lediglich Vorschläge unterbreiten. Die Landräte Bettina Dickes und Matthias Schneider (beide CDU) treffen die Entscheidung. Das war im Übrigen stets so, und es gab auch keine „Kehrtwende“, wie Schneider insinuiert. Parteipolitik.

Dabei ist die Verordnung von Horst Seehofer (CSU) ein Wink ans Land: Dort pflegen CDU und SPD gemeinsam extrem kleinteilige Kommunen. In anderen Ländern sind die – von just diesen Parteien – längst abgeschafft. In Rheinland-Pfalz wurde nur die Studie zu einer Kommunalreform schon zur Versündigung an der Struktur des Landes deklariert und mit roten Linien zerrissen.

E-Mail: carsten.zillmann@rhein-zeitung.net

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