Rheinland-Pfalz

Bahnpendler in Rheinland-Pfalz brauchen starke Nerven: So ist die Lage auf den Schienen

Von Isabell Scheuplein, Ira Schaible
Alltag am Koblenzer Hauptbahnhof: Pendler und sonstige Zugreisende eilen zu ihrem Gleis. Dort verbringen sie mitunter viel Zeit, weil sich Züge mal wieder verspäten oder gar ausfallen. Fahrgastverbände berichten von vielen Problemen, die von Statistiken bestätigt werden.  Foto: Thomas Frey/dpa
Alltag am Koblenzer Hauptbahnhof: Pendler und sonstige Zugreisende eilen zu ihrem Gleis. Dort verbringen sie mitunter viel Zeit, weil sich Züge mal wieder verspäten oder gar ausfallen. Fahrgastverbände berichten von vielen Problemen, die von Statistiken bestätigt werden. Foto: Thomas Frey/dpa

Verspätungen, Zugausfälle, zu wenig Information: Mangelnde Zuverlässigkeit im öffentlichen Nahverkehr sorgt weiter für reichlich Kritik. Vergangenes Jahr hatte eine Krankheitswelle empfindliche Einschränkungen des Schienenangebots verursacht. Doch noch immer gibt es viele Beschwerden verärgerter Pendler, heißt es bei Pro Bahn. Zu den Gründen zählt der Fahrgastverband zahlreiche Baustellen – von denen es in der nächsten Zeit allerdings noch mehr geben wird.

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Pendler, die bisher leicht auf dreistellige Ausgaben für Fahrkarten im Monat kommen, sind sauer. „Wenn ich von Mainz nach Frankfurt zur Arbeit fahre, reicht es nicht, den Zug zu nehmen, der theoretisch gut passen würde. Ich muss immer einen früher nehmen, um nicht zu spät zu kommen“, berichtet eine 27-Jährige stellvertretend für viele Leidensgenossen im ganzen Land. „Der fällt dann allerdings oft aus.“ Häufig schaffe sie es gar nicht pünktlich zum Mainzer Hauptbahnhof, weil die Straßenbahn ausfällt oder verspätet ist. „Die S-Bahnen fahren anders als die Züge relativ pünktlich, sind aber meistens total voll.“

„Jedes Mal ist irgendwas“, sagt ein weiterer Pendler. Signalstörungen, Zugausfälle oder auf der Strecke stehen bleibende Bahnen. Letzteres geschehe häufig kurz vor dem Mainzer Hauptbahnhof. „Abends, wenn du kaputt von der Arbeit bist, und du siehst dein Ziel eigentlich schon, darfst aber nicht aussteigen – das ist frustrierend“, sagt der 29-Jährige.

Auch Zugbegleiter sind frustriert

Viele Züge kommen nur stockend voran, müssen immer wieder halten, um andere vorzulassen und brauchen deutlich länger als geplant, berichtet ein anderer Pendler. Der Verdruss sei häufig auch den Zugbegleitern in ihren Durchsagen anzuhören. „Wenn man einen Termin hat, muss man immer mindestens einen Zug früher nehmen, um pünktlich zu sein“, lautet auch hier das Fazit.

Die Schieneninfrastruktur ist allgemein hoch ausgelastet, nicht nur im Rhein-Main-Gebiet, auch an der gesamten Rheinstrecke. „Hinzu kommen lokale Ursachen wie Infrastrukturstörungen. Auch hohe Krankenstände und externe Umstände wie beispielsweise Personen im Gleis sorgen immer wieder für Verspätungen und Ausfälle“, sagt die Sprecherin des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV), Vanessa Rehermann. Zu Medienberichten über geballte Probleme in Koblenz und Mainz verweist sie auf alte und störanfällige Anlagen, zudem lägen die Bahnhöfe an vollen Schienen-Korridoren. „Die Infrastruktur ist nicht im gleichen Takt mitgewachsen, wie das Verkehrsaufkommen.“ Im engmaschigen System der Bahn könnten sich Störungen wie ein Dominoeffekt auf das gesamte Netz übertragen.

„Der Mainzer Hauptbahnhof ist für die Menge an Zügen, die dort durchfahren und vor allem wenden viel zu klein“, sagt Martin Mendel vom Fahrgastverband pro Bahn in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Auch die Menge an Passagieren sei zu groß für den Bahnhof. Daher sei der geplante Neubau des Bahnhofs Mainz-Schott sehr wichtig, dieser werde aber noch einige Jahre auf sich warten lassen. Mendel verweist auf Verspätungen wegen Bauarbeiten auf der rechten Rheinseite zwischen Wiesbaden-Biebrich und Eltville und kritisiert, dass solche „planbaren“ Verspätungen nicht beispielsweise im DB Navigator eingespielt werden, um Anschlusszüge erreichbar zu machen.

49-Euro-Ticket weckt Hoffnungen

Immerhin ist auf der Kostenseite Besserung in Sicht: Das bundesweit gültige 49-Euro-Ticket soll am 1. Mai starten. Mit einem Massenansturm wie beim 9-Euro-Ticket vergangenen Sommer rechnet Pro Bahn nicht, dazu sei das Angebot noch zu teuer, sagt der hessische Vorsitzende des Fahrgastverbands, Thomas Kraft.

Der Nahverkehr auf der Schiene wäre seiner Einschätzung nach pünktlicher, wenn Baustellen früher kommuniziert und besser koordiniert sowie Kommunen und Verbände zuvor einbezogen würden. Gehe es weiter wie bisher sei jedenfalls zu befürchten, dass die durch die Verkehrswende anvisierten Klimaschutzziele nicht erreichbar seien. Wenn das Personal oder die sonstigen Kapazitäten nicht ausreichten, um den Fahrplan zu erfüllen, wäre es ehrlicher, Ausweitungen des Angebots von vorne herein eine Absage zu erteilen, sagte Kraft: „Auf dem Fahrplan fußen ja auch wichtige Entscheidungen wie die Wahl des Wohnorts.“.

Der Verbandsvorsitzende Rheinland-Pfalz/Saarland hat zuletzt einzelne Verbesserungen registriert: Die Probleme mit der S9 (S-Bahn Rhein-Main) seien weniger geworden. „Die Situation ist wieder relativ stabil“, sagte Mendel. Die Personallage im Stellwerk Mainz-Bischofsheim habe sich wieder verbessert und offenbar seien auch wieder mehr Triebfahrzeugführer verfügbar.

Isabell Scheuplein/Ira Schaible

Etliche Bahnbaustellen werden Zugreisende in naher und ferner Zukunft nerven: Ein Überblick

Baustellen können Bahnreisenden den letzten Nerv rauben – und davon wird es in nächster Zeit in der Großregion einige geben. Ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Rhein-Main: Hier hat die Bahn weitere Arbeiten für die Osterferien angekündigt. In Frankfurt wird der Citytunnel dicht gemacht. Auch die Strecke nach Bad Vilbel wird erneut voll gesperrt. Auf weitere Baustellen verweist das Bahnunternehmen Vlexx, wie etwa zum Ausbau des Knotens Frankfurt-Stadion. „Für den Vlexx-Fahrplan heißt das: Es fallen die Halte zwischen Frankfurt Hauptbahnhof und Mainz Hauptbahnhof aus, und es werden Züge über Frankfurt-Höchst umgeleitet. Zudem kommt es zu Verspätungen beziehungsweise früheren Ankunftszeiten“, so eine Sprecherin.

Moselstrecke: Das „Digitale Stellwerk“ in Wittlich sollte eigentlich bereits im November 2022 in Betrieb gehen und die bisherigen Stellwerke zwischen Ehrang und Bullay ersetzen. Einen aktuellen Termin für die Inbetriebnahme kann man derzeit allerdings nirgends finden. Aktuell werden seitens der Bahn weiterhin Bauarbeiten zwischen Cochem und Ehrang gemeldet, die vorerst bis in den Juni hinein angezeigt werden. Immer mal wieder wird es bis dahin zu einzelnen Ausfällen und Schienenersatzverkehre (SEV) kommen.

Lahnstrecke: Die Vorbereitungen für die Erneuerung von zwei Tunneln und der Neubau einer Eisenbahnbrücke in Obernhof führen zu einer Sperrung zwischen Nassau und Limburg vom 1. April bis zum 8. Mai.

Rechte Rheinstrecke: Aktuell stehen an diesem Wochenende und noch einmal Ende des Monats jeweils mehrtägige Sperrungen bei Rheinbrohl wegen Brückenbauarbeiten an. Detaillierte Infos unter www.spnv-nord.de. Auf der RB 28 kommt es zwischen 25. Februar und 4. März sowie zwischen 10. und 26. März zu Zugausfälle zwischen Neuwied, Engers und Niederlahnstein. Ein SEV zwischen Neuwied und dem Koblenzer Hauptbahnhof wird eingerichtet. Arbeiten für zusätzliche Gleise der S13 laufen bereits und werden noch einige Jahre andauern: Die Strecke von Troisdorf bis Bonn-Beuel geht nach der derzeitigen Planung 2028 in Betrieb, der südliche Abschnitt bis Bonn-Oberkassel 2030. Auch auf der Rheingaulinie wird gebaut. So sind Fahrplanabweichungen und Teilausfälle noch bis zum 16. Februar angekündigt (unter anderem kein Halt in Rüdesheim).

Linke Rheinstrecke: Längerfristig soll die „Westspange Köln“ mit zusätzlichen Gleisen versehen werden. Auch im Bereich Bonn sollen zusätzliche Gleise die bestehende Überlastung entspannen. Zeitrahmen: „irgendwann“.

Gesamtes Mittelrheintal: Hier zeichnen sich größere Umstände ab – in ein paar Jahren sollen für die geplanten „Hochleistungskorridore“ viele Maßnahmen (unter anderem Wiedereinbau von Weichenverbindungen und zusätzliche Signale) gebündelt und dafür Strecken teilweise über Wochen oder Monate komplett gesperrt werden. „Testfall“ dafür wird im kommenden Jahr die Riedbahn nach Mannheim sein. dpa/hpg

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