1870 ist der Thron in Madrid verwaist. Spanien bietet seine Krone Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen an, einem entfernten Cousin des preußischen Königs Wilhelm I. In Frankreich ruft das Angebot Unruhe hervor. Zumal Kaiser Napoleon III. unter Druck steht. In seinem Land gibt es soziale Spannungen und politischen Streit zwischen dem liberalen und dem konservativen Lager. Er sucht dringend einen außenpolitischen Erfolg.
„Die Wahrnehmung in Frankreich zu jener Zeit ist die, dass sich die Gewichte in Europa zuungunsten Frankreichs verschieben“, erläutert Andreas Fahrmeir, Historiker in Frankfurt. Nicht ganz zu Unrecht: Vier Jahre zuvor hat Preußen einen siegreichen Krieg gegen Österreich geführt und war damit zum stärksten deutschen Staat aufgestiegen. Frankreich ist entschlossen, keinen weiteren preußischen Machtzuwachs zuzulassen. Preußen sucht unter seinem Ministerpräsidenten Otto von Bismarck seinerseits nach Wegen, seine Macht auszubauen. In Berlin wie in Paris betrachten viele Entscheidungsträger einen Krieg als unvermeidlich. Die Frage ist nur, wann er beginnt. Den Kriegsgrund liefert dann die Frage der spanischen Thronfolge.
Napoleon III. befürchtet, zwischen zwei mit Hohenzollern besetzten Thronen in Madrid und Berlin eingekreist zu werden – zumindest sagt er das. Tatsächlich ist diese Gefahr gering. Denn Leopold wäre als spanischer Monarch vor allem spanischen Interessen verpflichtet gewesen, nicht preußischen. Aber eine vermeintliche Einkreisung taugt gut als Schreckgespenst. Doch auch Bismarck verfolgt seine Agenda. Der Historiker Andreas Wirsching sieht in der Bearbeitung der Emser Depesche eine „von Bismarck mit dem Willen zum Krieg versehene Kürzung“. Preußen und die mit ihm verbündeten deutschen Staaten besiegen Frankreich innerhalb weniger Monate. 1871 ist der Krieg vorbei. Zuvor haben die deutschen Fürsten im Spiegelsaal von Versailles die Gründung des Deutschen Reichs proklamiert – mit Wilhelm I. als Kaiser und Bismarck als Reichskanzler.