Abenteuer Gletscher: Zu Fuß ins ewige Eis

Auf geht es zum höchsten Berg Österreichs: Unser Mitarbeiter hat den Großglockner erklommen.

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Von unserem Mitarbeiter Axel Ehrlich

Von Grün nach Weiß in fünf Stunden. Grün, das ist Sommer, Mitteleuropa. Weiß – tiefster Winter, Schnee, Eis, Arktis.

Vor uns steht, nein, thront das Ziel. Der mächtige, 3798 Meter hohe Großglockner, Österreichs höchster Berg. Teil des Nationalparks Hohe Tauern, streng geschützt – und ein Naturwunder. Dieses Naturwunder will uns Magdalena Habernig (32), Nationalpark-Rangerin, zeigen. „Der Weg hinauf führt durch alle Klima- und Vegetationszonen“, sagt sie. Und das entspricht tatsächlich einer 4000 Kilometer langen Reise in die Arktis.

Anpfiff zum Aufstieg

Aufbruch. Erst mal Grün. Manchmal auch leuchtendes Purpur – jetzt windet sich der Pfad durch eine Almrausch-Wiese, groß wie mehrere Fußballfelder. Farbrausch! Weiter oben: Sträucher statt Bäumen, magerer Gebirgsrasen – aber immer noch Grün.

Der intervallartige Pfeifton erinnert an den Rauchmelder in der heimischen Küche. Ist aber – ein Murmeltier. „Das Signal bedeutet ,Gefahr am Boden'“, erklärt Magdalena. Das Murmeltier meint uns. Dabei sind wir völlig harmlos. Murmels ärgster Feind kreist wenig später lautlos über uns – ein Steinadler. Vor Jahren fast ausgestorben, gibt es am Großglockner inzwischen wieder 40 der majestätischen Vögel. Wappentier des Nationalparks, Flügelspannweite bis zu zwei Metern.

Der Pfad wird steiler, führt über Geröll. Wir sind mehr als 2200 Meter hoch, Region Grau. Karge Felsenlandschaft. Wenn man genau hinsieht, findet man überall zwischen den Steinblöcken farbige Oasen. Crémefarbener Gletscherhahnenfuß, rosa Mannschild, blitzeblauer Eisenhut.

Rangerin Magdalena zeigt uns durchs Fernrohr den Stolz der Region. Eins, zwei, drei mächtige Steinböcke stehen, scheinbar trotzig, auf einigen benachbarten Felsspitzen. Sie bewegen sich, als wären sie ausgestopft – nämlich gar nicht. Auch diese Tierart war hier eigentlich ausgestorben.

Seitdem aus dem Schweizer Engadin systematisch Steinbockmänner und -frauen in die Tauernregion importiert werden, stieg die Population auf 400 Tiere an.

Wir sind immer noch in der grauen Zone, es wird sogar immer grauer. Der blaue Himmel weicht dickem Nebel – grau. Es beginnt zu regnen. Kein Wetter, um die nächste Etappe heute noch anzugehen. Auf 2202 Metern ist erst mal Schluss. Übernachtungspause in der Stüdlhütte. Die futuristische Röhre aus Zink und Zedernholz schmiegt sich an den grauen Felsgrat. Drinnen ist schon mächtig Trubel – alle 120 Plätze belegt. Zum Glück hatten wir sicherheitshalber reserviert. Die Nacht im Matratzenlager wird keine wirkliche Erholung. 20 Menschen in einem Raum, gefühlt die Hälfte davon Extremschnarcher …

In eisige Höhen

Jetzt wird es weiß. Endlich geht es auf den Gletscher. Unser Ziel: das Teischnitzkees, mehr als 3000 Meter hoch, direkt unter dem Zugspitzgipfel. Doch zuerst kommt die Sicherheit. Toni verteilt der Reihe nach: Stöcke, Steigeisen, Klettergurt, Helm. Pflicht. „Wenn du hier irgendwo abstürzt“, sagt Toni, „verbringst du den Rest deines Lebens mit Abstürzen.“ Und dieser Rest dauert noch höchstens ein paar Sekunden. Toni Riepler (39) ist Bergführer. Er kennt die Gefahr, sie gehört zu seinem Job. „Erst vergangene Nacht habe ich verirrte Wanderer aus einer Felswand gerettet“, erzählt er. Schlechte Ausrüstung, die eigenen Kräfte überschätzt, das passiert hier oben fast täglich. Gut, dass wir Toni dabeihaben. Wir laufen im Gänsemarsch, gesichert durch ein langes Seil. Vorn Toni, drei Meter dahinter der Nächste. Sinn der Anseilerei: Wenn einer in eine der zahlreichen tückischen, viele Meter tiefen Gletscherspalten rutscht, müssen die anderen ihn wieder rausziehen.

Hier, an seinem unteren Ende, zerbricht der Gletscher unendlich langsam in riesige, turmartige Trümmer. Mit tiefen Schluchten dazwischen. In so eine Schlucht seilen wir uns jetzt ab. Die Stahlspitzen der Steigeisen krallen sich in die senkrechte Eiswand. Die Sonnenstrahlen brechen sich zu einem gleichmäßig milchig blauen Licht. Nahezu völlige Stille bis auf das fortwährende Tröpfeln, ab und zu ein leises Knacken. Als würde der Gletscher genau jetzt, genau hier brechen – und gleich krachend 500 Meter senkrecht in die Tiefe donnern.

Wir sind am Ziel. Mitten im viele Tausend Jahre alten Eis, 20 Meter tief in einer schmalen Gletscherspalte. Arktis, Winter – mitten im Sommer.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.osttirol.com