Das blaue Wunder in der Luxusklasse

Das blaue Wunder in der Luxusklasse Foto: Manfred Ruch

Zauberhafte, wild bewachsene Buchten, aneinandergereiht wie Perlen auf einer Kette. Kristallklares, türkisfarbenes Wasser, in das man sich einfach nur hineinstürzen möchte.

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Von unserem Redakteur Manfred Ruch

Der frische Wind in den Segeln, der blaue Himmel, die Sonne – das ist kein Traum. Wir reden von der Südwestküste der Türkei, genauer: der lykischen Küste, die sich von Antalya bis hinüber nach Bodrum erstreckt und die als Szenerie dient für einen touristischen Kassenschlager, den die Türkei zu bieten hat: die Blaue Reise.

Die Tour dieses Namens gibt es schon lange. 1925, so heißt es, prägte der nach Bodrum verbannte türkische Dichter Cevat Sakir diesen Begriff, weil er von der Schönheit der Landschaft und der Buchten entlang der südwestlich-türkischen Küste regelrecht überwältigt war. 1962 startete dann die erste Blaue Reise als touristisches Angebot. Bis in der 80er-Jahre als Geheimtipp gehandelt, liegen heute Hunderte Jachten unterschiedlichster Qualität und Ausstattung in den Häfen bereit, um mit ihren Gästen auf Blauen Reisen entlang der traumhaften Küste zu schippern. Die Kabinen sind oft eng und verfügen nicht selten über keine eigene Toilette. Es ist halt die Schönheit der Landschaft, die als Hauptargument für diese Reise gilt.

Jetzt aber erobert sich ein neues Segment seine Kundschaft: Gulets der Luxuskategorie werben nicht nur mit den üblichen Attributen der Blauen Reise, sondern auch mit einem Komfort der Extraklasse. Allen voran sind das Kabinen, die weitaus mehr bieten als die engen, spartanisch ausgestatteten Kajüten, in die man sich des Nachts nur widerwillig presst. Reichlich Platz und Stauraum, Klimatisierung und eine komfortable Dusche inklusive – das sind die Attribute dieser Premiumschiffe. Aber es sind auch die Verpflegung, die Bar an Bord und das gesamte Ambiente, mit denen die Schiffseigner punkten wollen.

Eine von ihnen ist Martina Mutlu-Naske. Die Hamburgerin jobbte lange in einer Werbeagentur, bis sie 1995 ihren türkischen Mann kennenlernte – natürlich während einer Blauen Reise auf dessen Zweimaster-Gulet „Atlantis“. Martina bekam rasch einen Heiratsantrag und folgte ihrem Mann in atemberaubender Geschwindigkeit in dessen Heimat Antalya. Der Betriebswirt und Steuerberater war erfüllt von seiner Liebe zu Schiffen und Booten und ließ nach seinen Vorstellungen weitere Gulets bauen. Heute nennen er und seine Frau bereits vier Schiffe ihr Eigen. Das reicht von der mittlerweile generalüberholten „Atlantis“ bis hin zur „MS Admiral 2“, einem prachtvollen Dreimaster mit 36 Gästen in insgesamt 16 Kabinen, der erst im Juni 2013 seine Jungfernfahrt absolvierte und der nun für eine Woche unser Zuhause ist.

Die Kenner unter den Gästen nicken anerkennend bei so viel bestechender Handwerkskunst, die in diesem Schiff steckt. Überall ist Holz. Teakholz zumeist. Und Holz vom Maulbeerbaum, wo es besonders hart sein muss. „Holz – das hat Herz“, gerät der Schweizer Bruno beim Anblick der Details ins Schwärmen. Das alles erscheint umso erstaunlicher, wenn man sieht, wie diese Luxusschiffe entstehen. Auf einer Werft in Fethiye wachsen gerade zwei neue Exemplare heran: die „Queen Atlantis“ für 16 Personen und die „MS Royal Admiral“ mit 18 Zweibettkabinen, die das größte Schiff der Flotte werden soll. Der Rumpf des Viermasters ist schon weit fortgeschritten, der Innenausbau läuft bereits. Der Stapellauf ist für Anfang 2016 geplant, heißt es in der Werft. Doch Werft ist der falsche Ausdruck. Wir befinden uns auf einem riesigen Gelände, auf dem bis zu 20 Schiffsbauer scheinbar chaotisch an ihrem Großprojekt feilen. Einen echten Bauplan, wie wir ihn uns nach deutschen Maßstäben vorstellen, den gibt es tatsächlich nicht. Vieles wird am Objekt und kurzerhand während des Baus entschieden. In der benachbarten Tischlerei entstehen die Türen. Doch am Ende fügt sich das alles zu einem Traum von Schiff.

Mittlerweile wächst die Zahl der Schiffseigner, die die Luxusvariante der Blauen Reise anbieten. Deswegen hat sich das Ehepaar Mutlu als neue Station Fethiye im Südwesten der Türkei ausgesucht. Von hier aus geht es nach links und rechts entlang der Küste, aber auch hinaus aufs Meer und hinüber zu den griechischen Inseln.

Die Gulets der Mutlus sind dabei häufig komplett von Reisegruppen gechartert. Diesmal begleitet uns auf dem Schwesterschiff „Grand Admiral“ der Shanty-Chor „Frische Brise“ auf unserer Tour entlang der Küste. In einer der Buchten dürfen wir uns sogar über ein spontanes Ständchen freuen. „Heut ist ein wunderschöner Tag, und keiner geht nach Haus“, hallt es über die Bucht. Norddeutsche Gastlichkeit in türkischer Traumkulisse. Welch ein Kontrast.

Auch Reiseveranstalter entdecken diese neue Luxusklasse. Anbieter wie Öger Tours wollen mitmischen und buchen freie Kontingente. Der Preis scheint zu stimmen. Bruno, der Holzfachmann aus der Schweiz, und seine Frau Teres jedenfalls haben am Preis-Leistungs-Verhältnis nichts auszusetzen. Zumal der Erholungswert der Blauen Reise erheblich ist. „Alles zählt doppelt“, verspricht Martina. Stimmt. Nach eineinhalb Tagen auf dem Gulet fühlt man sich, als hätte man bereits vier Tage hinter sich. Beim Landausflug am Kleopatra-Strand kraxeln wir dann gemeinsam in die Höhe und genießen von dort den Blick über die Bucht und das majestätische Schiff, das vor Anker liegt. Der Dichter Sakir hat nicht übertrieben.

Ruth, die etwas nervige Mittsechzigerin aus Düsseldorf, hat auf ihren Reisen schon ganz andere Gulets gesehen. Kleine Boote, in denen auch die hygienischen Verhältnisse zu wünschen übrig ließen. Hier an Bord der „MS Admiral 2“ hat sie zumindest darüber nichts zu meckern. „Egal, wohin, Hauptsache schön“ – mit diesem Ausspruch prägt sie schon am ersten Abend das Motto der Woche.

Nach dem Ausflug erwartet uns an der Bar wie immer der fröhliche Mustafa, der früher auf einem Chemietanker angeheuert hatte. „Das hier ist besser“, sagt er. Er und die anderen Crewmitglieder verbreiten gute Laune an Bord. Doch sie wirken dabei nicht gekünstelt, sondern echt. Da sind die beiden anderen Mustafas, von denen sich einer Özgür nennt, damit es für die Gäste leichter wird. Oder Koch Ali, der an den Mann aus der Geramont-Werbung erinnert. Der stille Kapitän Rahfet und Bootsmann Fikret, denen man einfach vertraut. Nach den Tagen an Bord hat man unweigerlich das Gefühl zusammenzugehören. Ob man will oder nicht. Denn ausweichen kann man sich an Bord nicht. Bei Menschen wie Ruth ist das durchaus manchmal eine Herausforderung.

Am Ende der einwöchigen Reise sind wir trotzdem einfach froh. Die Bilder dieser Küste haben sich in unser Gedächtnis gebrannt. Nur die Segel dieses stolzen Gulets, die hätten wir wirklich gern mal in ihrer ganzen Pracht erlebt, statt immer nur den Schiffsmotor zu hören.

Ein Video finden Sie unter www.ku-rz.de/admiral2