Edler Wein auf der Insel der Schönheit

Jean-Luc Santini führt auf Korsika das Weingut Domaine Montemagni in Patrimonio in der dritten Generation. Der Familie gehört der älteste Weinberg im Mittelmeerraum, der durchgängig betrieben worden ist.  Foto: Silke Müller
Jean-Luc Santini führt auf Korsika das Weingut Domaine Montemagni in Patrimonio in der dritten Generation. Der Familie gehört der älteste Weinberg im Mittelmeerraum, der durchgängig betrieben worden ist. Foto: Silke Müller

Île de béaute. Insel der Schönheit, so nennt der französische Volksmund liebevoll Korsika. Den Grund dafür umschreibt Isabelle Demoustier vom botanischen Garten Saleccia, der nur wenige Kilometer von Île-Rousse entfernt liegt, so: „Landschaftlich gesehen, sagt man, dass Frankreich eine Miniatur Europas ist, und Korsika ist eine Miniatur Frankreichs.“

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Von unserer Redakteurin Silke Müller

Die 42-Jährige ist auf der Insel in der Balagne geboren und würde dieses Fleckchen Erde nie im Leben verlassen. „Ich bin sehr verwurzelt mit der Region und mag einfach diese botanische Vielfalt, die wir hier haben: von karibisch bis alpin“, sagt sie und fügt hinzu: „Alle 10 bis 15 Kilometer ändert sich das Bild der Landschaft. Das ist doch großartig.“

Genau das hat seinerzeit auch ihren Vater Bruno Demoustier zutiefst beeindruckt. In den 60er-Jahren kam der heute 76-jährige Landschaftsarchitekt von St. Étienne nach Korsika – und blieb. „Mein Vater hat sich in diese Insel verliebt“, erzählt Isabelle Demoustier. Und zwar so sehr, dass er mit seiner Frau Irène das rund 100 Hektar große Areal, auf dem sich heute der Park befindet, vor der sicheren Bebauung gerettet hat. „Damals gab es Pläne, auf dem Gebiet rund 250 Gebäude nebst Supermarkt zu errichten. Das haben meine Eltern verhindert, indem sie das Gelände gekauft haben“, berichtet Isabelle Demoustier. Auf dem Gebiet, das ursprünglich Teer und Beton geweiht war, entstand der auf Korsika einzigartige Parc de Saleccia. Bei einem Streifzug über das Gelände erhält der Besucher komprimiert ein erschöpfendes Bild von der vielfältigen Vegetation der Insel und kann der historischen korsischen Landwirtschaft nachspüren. Aber nicht nur das, denn Isabelle Demoustier, die engagiert die Arbeit ihrer Eltern weiterführt, will noch mehr: einen Ort der Teilhabe, der Begegnung und des Wissens. Deswegen denkt sie sich immer wieder neue verschiedene Aktivitäten und Aktionen aus. Sie reichen von Workshops für Kinder über Ausstellungen und sportliche Veranstaltungen bis hin zu Konzerten und Freilichtkino. Dabei arbeitet sie eng mit Vereinigungen und Gruppen in der Region zusammen. Ein Beispiel ist die Kooperation mit dem Kunstverein „Et pourtant ça tourne – association de cinéma, d'art et d'essai d'Île-Rousse“, der regelmäßig ein Filmfestival im Park veranstaltet. Auch Schulen und Seniorengruppen aus den umliegenden Dörfern besuchen immer wieder den Park. „Er ist ein Treffpunkt – auch für Einheimische“, unterstreicht Isabelle Demoustier. Und daran will sie stets arbeiten. Sie hat noch jede Menge vor, um den Park weiterzuentwickeln. Er ist ihr ganzes Leben, in ihn steckt sie sämtliche Energie. Korsika eines Tages zu verlassen, um auf dem Kontinent zu leben, das kommt für sie niemals infrage. „Die Insel ist meine Heimat. Ich liebe dieses Relief, auf dem platten Land könnte ich nie leben“, unterstreicht sie.

Und das gibt es auf Korsika, das gern auch Gebirge im Meer genannt wird, eben nicht. Mehr als 25 Berge sind höher als 2000 Meter. Der höchste unter ihnen mit 2810 Metern heißt Monte Cinto und befindet sich zwischen Calvi und Corte. Diese Topografie beschert dem Eiland seine Fruchtbarkeit. Denn auf den Höhen gibt es Schnee und in der Folge viel Wasser. Korsika ist deshalb die grünste Insel im Mittelmeer mit mehr als 1000 verschiedenen Pflanzenarten. Zahlreiche wilde Olivenbäume und Palmen säumen zum Beispiel die Straßen in der Balagne, die Region, die auch Obstgarten Korsikas genannt wird. Aber auch Winzer gibt es auf der Insel.

Um zu einem der ältesten Weinberge im Mittelmeerraum, die durchgängig betrieben worden sind, zu gelangen, geht es von Île-Rousse durch die Agriate-Wüste nach Patrimonio zum Domaine Montemagni. Etwas länger als eine Stunde dauert die Fahrt auf den engen, teils steilen und kurvigen Straßen. Anstatt Olivenbäumen und Palmen bestimmt dort eine karge Landschaft aus Büschen und von der Meeresluft geschliffenen Granitfelsen das Bild. Immer wieder gibt es atemberaubende Ausblicke aufs Meer, auf majestätische Bergkämme und in die malerischen Täler. Je näher Patrimonio kommt, desto grüner und üppiger wird wieder die Vegetation. Erste Weinberge tauchen auf, der Duft der korsischen Pflanze Immortelle liegt in der Luft. Das ist die Heimat von Jean-Luc Santini. Der 35-jährige Winzer ist Urenkel von Andria Montemagni, der das Weingut im Jahr 1850 gegründet hat. „Damals hatten wir nur rund fünf Hektar, heute sind es um die 110“, erzählt Jean-Luc Santini. Zu verdanken hat die Familie dies Louis Montemagni, Santinis Großvater. Er hat das Gut maßgeblich entwickelt. Der 87-Jährige arbeitet auch heute noch im Weinberg mit. Enkel Jean-Luc Santini führt den Betrieb gemeinsam mit seiner Familie nun bereits in der dritten Generation. Schon als Zehnjähriger war er im Weinberg unterwegs und half mit. „Mein Großvater hat meine die Lust am Weinbau geweckt“, sagt Jean-Luc Santini rückblickend. Und daran hat sich bis heute auch nichts geändert. Kultiviert werden im Domaine Montemagni die Rebsorten Niellucci, Malvoisi und Muscat à Petits Grains. Unter den Weinen ist auch eine Cuvée Andria zu finden. „Den haben wir zu Ehren meines Urgroßvaters kreiert“, sagt Jean-Luc Santini.

In Deutschland gibt es die edlen Tropfen des Gutes Montemagni nicht. „Wir exportieren nur innerhalb Frankreichs“, erläutert Jean-Luc Santini, der seinen Beruf über alles liebt. Als Winzer jedoch auf dem Kontinent zu arbeiten, das kann er sich überhaupt nicht vorstellen. „Korsika ist für uns die schönste Insel, die es gibt, weil wir hier alles haben“, sagt er. „Innerhalb von zwei Stunden können wir vom Strand in den Schnee fahren.“ Ähnlich sieht es sein Sohn Pierre-Louis. „Ich bin hier geboren, und ich bleibe hier, weil es für mich der schönste Ort der Welt ist“, erklärt der 13-Jährige. Er weiß übrigens auch schon, was er später einmal machen möchte. „Ich will Oenologie studieren“, sagt Pierre-Louis. Einen größeren Gefallen kann er seinem Vater mit dieser Entscheidung gar nicht tun. „Damit ist gesichert, dass wir das Gut auch in der vierten Generation fortführen können“, unterstreicht der korsische Winzer.