Satire 2011: EU bittet zur Kaffeekasse

Karrikatur Leergut von Tomicek
Leergut Foto: Tomicek

Die Aufgabe ist gewaltig, die Zeit knapp: Mit einer Rekordzahl von Tagungen und Gipfeltreffen ringen die europäischen Finanzminister, Staats- und Regierungschefs seit Monaten darum, die schier ausufernde Krise um den Euro endlich in den Griff zu bekommen.

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Die Aufgabe ist gewaltig, die Zeit knapp: Mit einer Rekordzahl von Tagungen und Gipfeltreffen ringen die europäischen Finanzminister, Staats- und Regierungschefs seit Monaten darum, die schier ausufernde Krise um den Euro endlich in den Griff zu bekommen.

Unserer Zeitung liegt exklusiv ein geheimes Sitzungsprotokoll vor, das dokumentiert, wie mühsam die Verhandlungen und wie verhärtet die Fronten sind. Und wie immer steckt der Teufel im Detail.

Nach Informationen unserer Zeitung ging es bei einem der letzen Finanzministergipfel in Brüssel nicht nur um die Zukunft der Gemeinschaftswährung. Neben EFSF, EFSM, ESM und weiteren SM-Praktiken mussten sich die Euro-Retter mit einem anderen, nicht minder wichtigen Thema beschäftigen, nämlich einer gemeinsamen Kaffeekasse. Hintergrund: Bislang wurden die Gipfelrunden in Brüssel kostenlos mit Koffein beliefert. Bis die US-Ratingagentur Klitsche & Co. den italienischen Kaffeesponsor unerwartet von Tripple Arabica auf Ramsch-Muckefuck herabstufte und damit die Politikerrunde zwang, die Finanzierung ihrer Kaffeekränzchen neu zu organisieren.

Nach dem uns vorliegenden Sitzungsprotokoll ergriff Bundesfinanzminister Schäuble als Erster die Initiative: Neben der Kaffeemaschine im Brüsseler Konferenzsaal ist ab sofort ein Sparschwein zu platzieren, in das jeder Teilnehmer der Runde, sollte er sich einen Kaffee nehmen, den dafür zu entrichtenden Betrag einzuwerfen hat. „Des isch die beschte Lösung, und der Steuerzahler kriegt nix mit davon“, wird Schäuble zitiert. Jeder zahle genau für das, was er trinke. Und – selbstverständlich ganz ohne Verdächtigungen äußern zu wollen: Niemand trinke etwas, ohne dafür zu zahlen.

„Mamma mia“, seufzte Schäubles italienischer Amtskollege. Wer außer den Deutschen habe denn schon immer das nötige Kleingeld für einen Kaffee zur Hand? „Euro adieu“, warf der französische Ressortchef ein. In der Kasse werde sich schnell ein Loch auftun. Schließlich kontrolliere ja niemand die Einzahlungen ins Sparschwein, so das Argument des Franzosen.

Die im Anschluss erregt geführte Debatte um Euro-Bohnenbonds zur nachhaltigen Stützung der Kaffeekasse wurde ergebnislos vertagt. Endgültig zu scheitern drohten die Verhandlungen, als sich der griechische Finanzminister Papamobil zu Wort meldete. Ideal sei eine pauschale Zahlung aller in die Kaffeekasse, erklärte er laut Protokoll. Jeder gebe im Voraus einen Betrag. Von dem Geld werde dann der Kaffee beschafft. Sei der Vorrat aufgebraucht, zahle jeder einfach von Neuem. Der große Vorteil, so der griechische Minister: „Bei diesem Modell kann jeder so viel trinken, wie er will.“ Und selbstverständlich entscheide auch jeder frei, in welcher Höhe er sich beteilige.

„Nach dieser Methode subventioniert doch derjenige, der wenig oder keinen Kaffee trinkt, denjenigen, der viel Kaffee trinkt“, protestierte der britische Finanzminister und kündigte den Boykott seines Landes an. „Diese Kaffeekasse interessiert uns Teetrinker nicht die Bohne.“ Papamobil versprach ihm darauf ganz griechisch-unorthodox in die Hand, keinesfalls mehr als 17 Tassen Kaffee an einem Tag trinken zu wollen. In ihrer Abschlusserklärung verpflichteten sich die Finanzminister, eine Schuldenbremse für die Kaffeekasse zu prüfen.

Zurück in Berlin hat Schäuble die Kanzlerin sofort über den Verlauf der Verhandlungen unterrichtet. Beide sollen nach Angaben aus Regierungskreisen beschlossen haben, in Zukunft nur noch mit gut gefüllter Thermoskanne nach Brüssel zu fahren, um die Euro-Krise weiter sicher durch Deutschland zu führen. Heftiger Widerstand gegen die lauwarme Haltung von Angela Merkel in der Kaffeekassenkrise regt sich allerdings beim Koalitionspartner FDP. Unter dem programmatischen Arbeitstitel „Krönung“ haben die Liberalen eine drastische Senkung des Mehrwertsteuersatzes für deutsche Kaffeehersteller auf die Tagesordnung ihres nächsten Sonderparteitages gesetzt.

Helmut Schmidt sieht indes die gesamte Europäische Union auf der Kippe: „Integraler Bestandteil jeder Kaffeepause war zu meiner Zeit stets mindestens eine Stange Zigaretten. Aber wer außer mir hält sich auf europäischer Ebene noch daran?“, hustet der ewige Altkanzler.

Auch das Fernsehen will den Fall aufgreifen. Geplant ist eine neue wöchentliche Sendereihe unter dem Titel „Schwer verbrüht“, bestätigt ein Sat.1-Sprecher unserer Zeitung. Höhepunkt soll laut Drehbuch ein spontanes Kaffeekampftrinken zwischen Griechen und Resteuropäern sein. Der Privatsender garantiert jedem Teilnehmer vertraglich ein Honorar von 1000 Drachmen.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Gunst der Stunde erkannt, um sich zu rehabilitieren. Deutschlands beliebtester Exdoktor, der im Frühjahr nach einer beispiellosen Medienkampagne ins US-Exil vertrieben wurde, will sein aktuelles Buch „Vorerst gescheitert“ neu abschreiben und sich mit der Denkschrift „Vorerst geröstet“ für einen neuen Spitzenposten in Berlin bewerben.

Von unserem Redakteur Jochen Krümmel

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