Kreis Neuwied. Rainer Kaul im RZ-Gespräch über die Aufgaben, Versuchungen und Herausforderungen eines Neuwieder Landrats.
Seit 24 Jahren ist Rainer Kaul Landrat des Kreises Neuwied. Wir haben ihn dazu befragt, was sein Nachfolger aus seiner Sicht mitbringen muss.
Welche Schlüsselqualifikationen muss ein Neuwieder Landrat mitbringen?
Er benötigt neben dem Fachwissen eine hohe Sozialkompetenz. Er muss authentisch sein, also echt und glaubwürdig. Er sollte nah bei den Menschen sein, Bürger und Mitarbeiter müssen sich auf ihn verlassen können. Helfen, wo immer es geht. Wenn erforderlich, eine klare Sprache sprechen, zugleich aber bescheiden und zurückhaltend agieren. Er muss zukunftsfähige Denkanstöße geben und gleichzeitig um einen Ausgleich von unterschiedlichen Meinungen und Interessen bemüht sein.
Was ist die wichtigste Aufgabe des Landrats?
Er ist Chef einer großen Dienstleistungsbehörde mit über 600 Mitarbeitern. Die sozialen Aufgaben einschließlich Jugendhilfe und Gesundheitswesen stehen im Vordergrund und erfordern fast 80 Prozent aller Haushaltsmittel. 27 weiterführende Schulen müssen ebenso unterhalten werden wie die Kreisstraßen und vieles mehr. Allein diese Beispiele machen deutlich, dass der Landrat sich mit seiner Verwaltung als Dienstleister verstehen muss. Er trägt die Verantwortung dafür, dass die Verwaltung funktioniert und sich um die Sorgen und Nöte der Menschen kümmert. Das klappt nur, wenn er Mitarbeiter motivieren und führen kann.
Der Landrat trägt zudem überregionale Verantwortung. Er muss Impulse und Anstöße zur Zukunftsentwicklung geben. Ein aktuelles Beispiel ist der Breitbandausbau in den Gemeinden. Er muss die Städte und Gemeinden beraten und ihnen jegliche Hilfe geben, auch bei der Beschaffung von Zuschüssen. Obwohl er die Aufsichtsbehörde verkörpert, ist er zugleich der Partner der Gemeinden. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Was ist die größte Versuchung, der ein Landrat nicht erliegen darf?
Er sollte sich nicht zu wichtig nehmen, es geht nicht um ihn. Er sollte das Ohr am Volk haben, vorbildhaft und bescheiden auftreten und ruhig mal in der zweiten Reihe stehen. Er darf nie vergessen, dass er Dienstleister für die Städte und Gemeinden mit ihren über 180.000 Menschen ist, deren Vertrauen er sich täglich neu verdienen muss. Er muss charakterstark, integer und über jeden Zweifel erhaben sein. Also mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben und allen unangemessenen Verlockungen widerstehen.
Welche Felder muss der Landrat beackern? Wo muss er sich einbringen?
Neben der Sicherstellung einer zuverlässigen und kompetenten Verwaltung ist er Impulsgeber auf praktisch allen Politikfeldern im Kreisgebiet. Selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden, den Kirchen, Vereinen und Organisationen. Heute geht es um den Straßenbau, morgen um die Schaffung von attraktiven Gewerbegebieten, übermorgen um die Verbesserung des schulischen Bildungsangebotes. Dazu braucht er ein breites, zuverlässiges Netzwerk, nach oben Richtung Mainz und nach unten zu den Bürgern und Vertretern der Kommunen.
Was ist die größte Herausforderung, die auf den neuen Landrat zukommen wird.
Der Kreistag besteht mittlerweile aus sieben Fraktionen. Da ist es bei manchen Themen nicht einfach, zu einer gemeinsamen Linie zu kommen. Das erfordert viel Zeit und Überzeugungskraft und man muss in hohem Maße integrativ und kompromissbereit sein.
Im übrigen gilt es, die Finanzlage weiter zu konsolidieren. Wir konnten in diesem Jahr zum vierten Mal den Haushalt ausgleichen, die Verschuldung konnte um über 15 Millionen. Euro abgebaut werden. Gleichzeitig flossen Zuschüsse von über 30 Millionen. Euro in unsere Schulen, Sportanlagen, Straßen oder den Breitbandausbau. Das gilt es fortzusetzen. Wir sind inzwischen einer der steuerstärksten Kreise im ganzen Land. Heimische Betriebe konnten sich gut entwickeln, viele neue sind gerne in unsere attraktiven Gewerbegebiete gekommen. Inzwischen gehen uns die Flächen aus. Es wird eine wichtige Aufgabe des neuen Landrats werden, sich um neue Gewerbeflächen und die zum Ausbau notwendigen Zuschüsse zu kümmern.
Die Fragen stellte Ulf Steffenfauseweh.