Koblenz

Knöllchen, Gebühren und Steuern nicht bezahlt: Koblenzer in Pyjama verhaftet

Der Gerichtsvollzieher stand bei dem 50-jährigen Mann morgens vor der Tür.
Der Gerichtsvollzieher stand bei dem 50-jährigen Mann morgens vor der Tür. Foto: Symbolfoto

Wegen nicht bezahlter Strafzettel, GEZ-Gebühren, IHK-Beiträgen und Grundsteuern statteten Gerichtsvollzieher und Polizisten einem Koblenzer (50) einen Besuch ab. Er trug nur Pyjama und Pantoffeln, wurde aber trotzdem direkt ins Gefängnis gebracht.

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Koblenz – „Ich bezahl keine Rechnung! Nein! Meine Rechnung bezahl ich nicht“ Ein Koblenzer Versicherungsvertreter (50) war stur wie der legendäre Suppenkasper – und bezahlte monatelang keine Strafzettel, außerdem keine GEZ-Gebühren, keine IHK-Beiträge und keine Grundsteuern. Bis ihm eines Morgens ein Gerichtsvollzieher und mehrere Polizisten einen Hausbesuch abstatteten. Er trug nur Pyjama und Pantoffeln – doch die Beamten brachten ihn direkt ins Gefängnis.

Jetzt hatte der Hausbesuch ein juristisches Nachspiel. Die Ehefrau (45) und die Tochter (22) des Versicherungsvertreters standen vor dem Amtsgericht Koblenz. Denn als der Mann abgeführt wurde, rasteten die beiden aus.

An jenem 7. Mai 2012 ist die Stimmung von Anfang an geladen. Die Beamten klingeln um 7.30 Uhr an der Wohnungstür, die Tochter öffnet und brüllt: „Verpisst euch! Fahrt heim! Geht heulen!“ Doch der Gerichtsvollzieher lässt sich nicht beirren, schreitet ins Wohnzimmer und setzt sich an einen Tisch. Ihm gegenüber nimmt der Versicherungsvertreter Platz. Die Polizisten, die Frau und die Tochter gruppieren sich außen herum. Der Gerichtsvollzieher erklärt dem Mann, er habe nun drei Möglichkeiten: Entweder er bezahlt sofort seine 1371,29 Euro Schulden. Oder er unterzeichnet eine eidesstattliche Versicherung über seine Zahlungsunfähigkeit. Oder er wird sofort festgenommen.

Was dann geschieht, ist nicht restlos geklärt. Unstrittig aber ist: Der Gerichtsvollzieher erklärt dem Mann die Festnahme – und die Ehefrau wird plötzlich rabiat. Sie schreit herum, schlägt nach einer Polizistin. Die Tochter klammert sich an ihren Vater, drischt einem Polizisten mehrfach auf den Arm, beschimpft ihn als Penner. Die Polizisten, die bereits Verstärkung angefordert hatten, können die Situation mit vier Mann klären.

Richter Wolfgang Pitz versuchte im Prozess aufzuklären, was die Frauen derart auf die Palme brachte. „Nun gut“, scherzte er, „es war ein Montagmorgen. Und dann auch noch ein Gerichtsvollzieher und die Polizei vor der Tür. Da fängt die Woche schon klasse an.“ Die Tochter, die wegen Diebstahl, Hausfriedensbruch und Körperverletzung vorbestraft ist, erklärte: „Ich hatte einfach Angst um meinen Vater!“ Denn der Gerichtsvollzieher habe nur herumgeschrien, ihre Familie überhaupt nicht zu Wort kommen lassen.

Beide Angeklagten legten ein Geständnis ab. Richter Pitz verurteilte sie wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Ehefrau muss 700 Euro Geldstrafe bezahlen. Die Tochter, die auch wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt wurde, erhielt eine dreimonatige Bewährungsstrafe und muss 400 Euro bezahlen.

Der Versicherungsvertreter, der Zahlungsaufforderungen und Ratenvereinbarungen hartnäckig ignoriert hatte, saß nur wenige Stunden im Gefängnis. Dann meldete sich dort seine Familie, beglich seine Schulden – und er kam frei.

Hartmut Wagner