Handwerk hat goldenen Boden, pflegte meine Großmutter immer zu sagen. Umso glücklicher war sie dann auch, als sich mein ältester Bruder nach dem Abitur dazu entschloss, eine Tischlerlehre zu machen. Zwar ist er nicht dabei geblieben – ein Studium der Architektur hängte er dran –, doch Vorteile hat es ihm durchaus gebracht. Denn er kann gut einschätzen, was Handwerker brauchen und erwarten, oder wie sie kalkulieren.
Dass es nicht immer zwingend ein Studium sein muss, mit dem man seine Karriere beginnt, hat die Ausbildungsmesse eindrücklich gezeigt. Gerade in Zeiten, in denen Weiterbildungsmaßnahmen und Fortbildungen von Unternehmen gern gefördert, manchmal auch gefordert werden, ist das Ende der Lehrzeit nicht das Ende der Fahnenstange. Und ein Gesellenbrief ist ja nicht in Stein gemeißelt.
Mit dem Slogan „Nur wenn Du es ausprobierst, weißt Du, was nichts für Dich ist“, wirbt derzeit die Handwerkskammer. Und Recht hat sie: Warum nicht einfach ausprobieren? Und das nicht nur bei einem Praktikum? Umwege bieten Erfahrungen, die Mitbewerbern vielleicht abgehen. Manches Handwerksunternehmen nimmt dann lieber einen Studienabbrecher oder -abgänger, der mit Anfang zwanzig wirklich weiß, was er will und kann. Der ist eventuell motivierter als ein Schulabgänger, der sich aus Mangel an Alternativen für einen Beruf entschieden hat. Und ein Gesellenbrief als Grundlage für ein Studium ist im späteren Berufsleben sicherlich auch von Vorteil. Eine rundum gelungene Ausbildungsmesse dürfte das manchem Jugendlichen deutlich gemacht haben.
Bedauerlich allerdings war, dass ausgerechnet am vergangenen Samstag, an dem so viele junge Menschen nach Simmern kamen, das ortsansässige Gymnasium sein Sommerfest feierte. Von 9 bis 14 Uhr herrschte für die Schüler dort Anwesenheitspflicht. Sie hatten also kaum eine Möglichkeit, die Hunsrückhalle, die von 9.30 bis 13 Uhr für Interessierte geöffnet war, zu besuchen. Da frage ich mich, ob eine solche Terminkollision wirklich sein muss. Denn die Messe richtete sich durchaus auch an zukünftige Abiturienten. Da hätte es sicher Alternativen gegeben.
Das Bopparder Kant-Gymnasium etwa feierte ebenfalls Sommerfest am Samstag. Allerdings starteten die Schüler dort erst um 14 Uhr. Und ich bin mir sicher, dass der ein oder andere Gymnasiast den Weg vom Rhein auf die Hunsrückhöhen auf sich genommen hat.