Berlin

Gar nicht weltmeisterlich: Deutschland steigt aus dem weltgrößten Teleskop-Projekt aus

Erst in der letzten Ausbaustufe sollen hunderte bis 15 Meter hohe Parabolantennen das Antennenfeld ergänzen. 
Erst in der letzten Ausbaustufe sollen hunderte bis 15 Meter hohe Parabolantennen das Antennenfeld ergänzen.  Foto: SKA-Organisation

Das neue SKA soll bis zu 100mal leistungsfähiger sein als heutige Radioteleskope – ein Weltmeister der Teleskope. Doch bei dieser Meisterschaft wird Deutschland zu den Verlierern gehören. Kürzlich erklärte die Bundesregierung überraschend den Ausstieg aus dem Projekt.

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Von unserem Redakteur Jochen Magnus

Der Name „Square Kilometer Array“, abgekürzt SKA und übersetzt etwa „Quadratkilometer Feld“, erklärt schon einiges: Es ist ein Teleskop mit einer Sammelfläche für Radio- und Mikrowellensignale, die etwa einem Kilometer im Quadrat entspricht. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine Riesenantenne, wie etwa die 100 Meter „Schüssel“ des Radioteleskops Effelsberg in der Eifel, sondern um tausende einfacher Antennen, bis zu 3000 Kilometer voneinander entfernt gebaut, die mit viel Computer- und Netzwerk-Technik zu einem Empfänger zusammengeschaltet werden.

Damit möchten die Astronomen bis in die Frühzeit des Universums zurückschauen, indem sie die Galaxien erforschen, die mit heutigen Instrumenten noch gar nicht zu sehen sind. Erkenntnisse zu Dunkler Materie und Dunkler Energie erhoffen sich die Forscher – vielleicht gelingt es auch, diese rein theoretischen Konstrukte zu widerlegen. Grundlagen der Physik sollen auf den Prüfstand der Beobachter, zum Beispiel Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie unter extremsten Bedingungen in der Nähe Schwarzer Löcher.

Jetzt sieht Deutschland beim Megateleskop schwarz

Gebaut werden sollen die Teleskopfelder in Afrika und Australien. Die erste Phase wird voraussichtlich am Ende dieses Jahrzehntes fertig sein und bis dahin mindestens 650 Millionen Euro gekostet haben. Vor zwei Jahren trat Deutschland der SKA-Organisation enthusiastisch bei, doch vor einigen Wochen erklärte das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Zusammenarbeit solle im kommenden Sommer beendet werden. Die weltweite Forschergemeinde reagierte erstaunt, deutsche Astronomen sind bestürzt.

Direkt neben dem 100 Meter durchmessenden „Eifelohr“ in Effelsberg stehen dutzende unscheinbarer Antennenpyramiden, ungefähr 1,5 Meter hoch.
Direkt neben dem 100 Meter durchmessenden „Eifelohr“ in Effelsberg stehen dutzende unscheinbarer Antennenpyramiden, ungefähr 1,5 Meter hoch.
Foto: Magnus

Professor Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und einer der führenden europäischen Astronomen, erklärte er in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Entscheidung sei ohne Vorwarnung gekommen, vereinbarte Gespräche zum Projekt wären nie zustande gekommen,

Ministerium kalkuliert sehr großzügig

Während das Forschungsministerium von späteren Projektkosten in Milliardenhöhe spricht, schätzt Kramer den deutschen Anteil auf nur ungefähr 80 Millionen Euro in acht Jahren – Spitzenforschung zu gar nicht astronomischen Preisen.

Nicht nur bei der Himmelsbeobachtung wird Deutschland zu kurz kommen: Das Großprojekt setzt auch neue Maßstäbe bei der Informationsverarbeitung. Es werden mehr Daten anfallen, als heute im weltweiten Internet durch die Leitungen fließen. Transport, Speicherung und Verarbeitung dieser Datenflut werden Informatik und Nachrichtentechnik fordern und befördern – aber Aufträge für deutsche Firmen werden ausbleiben.

Haben heimische Projekte Vorrang?

Deutschland steigt aus, weil andere Großprojekte das Budget angeblich aufgesaugt haben: so der Teilchenbeschleuniger FAIR oder der Röntgenlaser XFEL. An diesen Projekten beteiligen sich zwar auch viele Staaten, aber: Beide werden in Deutschland gebaut.

Für den Bonner Astronomen Kramer ist der Ausstieg besonders bitter: Zu seinem Instrumentarium gehört nicht nur das zweitgrößte vollbewegliche Radioteleskop der Welt in Effelsberg, sondern, am gleichen Ort, auch das Antennenfeld LOFAR, das seit Jahren Grundlagenforschung für das SKA-Teleskop leistet.