Vorsicht, Kamelle!
Hunderttausende Zaungäste gehen bei den närrischen Umzügen wieder auf die Jagd nach Süßigkeiten und anderen begehrten Beutestücken. Doch vor allem in den Hochburgen herrschen klare Regeln für das, was vom Wagen fliegen darf. Denn auch am Ende Tages soll es heißen: „Alles Gute kommt von oben.“ In Mainz zum Beispiel stehen die Regeln glasklar in der Umzugsordnung, die der Mainzer Carneval-Verein (MCV) aufgestellt hat. Er organisiert traditionell den Rosenmontagszug in Mainz, der stets rund 500.000 Besucher anlockt. Wer hier mitfährt oder mitmarschiert, der muss sich an die Regeln halten. Oder es gibt Ärger.
„Es darf nur Wurfmaterial verwendet werden, das beim Zuwerfen Verletzungen ausschließt“, heißt es in Paragraf 15 der Umzugsordnung. Neben verpackten Bonbons und diversen risikoarmen Süßigkeiten gehen auch Gummi-, Weich- oder Plastikbälle. Leichte Blumensträuße sowieso. Plastikblumen dagegen sind nur erlaubt, wenn sie keine spitzen Drahtenden haben. Auch Bücher dürfen wegen ihrer unvermeidlichen Ecken nicht vom Wagen geworfen werden. Und Glas ist ohnehin grundsätzlich auf den Wagen verboten. Das regelt Paragraf 14. Da kennt die MCV-Zugleitung auch keinen Spaß. Wer dagegen verstößt, dem droht der sofortige Ausschluss aus dem Umzug. Längst vorbei sind die Zeiten, als auch schon mal ein Schnapsfläschchen um die Ohren flog oder die Sektflasche vom Wagen heruntergereicht wurde. Zu gefährlich. Geht gar nicht.
Das Gesamtgewicht des Wurfmaterials, das in Mainz unter die Leute kommt, beträgt übrigens rund 150 Tonnen, schätzt MCV-Sprecher Michael Bonewitz. Allein 25 Tonnen Süßes werden von den Wagen des MCV ins närrische Publikum befördert. Dabei sind die klassische Kamelle oder das Karamellbonbon ganz klar auf dem Rückzug. „Danach bückt sich kaum noch jemand“, weiß Bonewitz. Der MCV setzt beim Wurfmaterial auf Mischungen, die besser ankommen: kleine Schokoriegel, Pralinen, Tütchen mit Fruchtgummi oder Mäusespeck, Popcorn oder Kartoffelchips. Die zählt auch der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie auf, wenn er nach Publikumsrennern gefragt wird. Davon bleibt kaum etwas liegen.
Was sonst noch so von Wagenbesatzungen und Fußgruppen in die Welt geschleudert wird, ist höchst unterschiedlich. Anders als in Düsseldorf, wird die Beschaffung des Wurfmaterials nicht zentral geregelt. In Mainz lernen etwa die in Rheinhessen so beliebten Brezel fliegen, die traditionsreiche Garde der Haubinger pfeffert ihren selbst gewickelten Handkäs in die Menge, und da landet auch die beliebte Fleischwurst in Stückchen beim hungrigen Narren.
Es geht also doch noch einiges in Mainz. Nur wehtun darf es nicht. Einfach mal seinen Werbeflyer fürs eigene Geschäft unters Narrenvolk bringen, das ist allerdings nicht erlaubt. Auch dafür hat der MCV klare Regeln aufgestellt. Das klappt höchstens noch in den kleineren Gemeinden, wo Sponsoren ihre Zuwendung gern mit ein bisschen Werbung für sich selbst verbinden. „Da gibt es oftmals gar keine Zugordnung“, weiß MCV-Sprecher Bonewitz. Aber da stehen ja auch keine 500.000 Besucher am Straßenrand.