Brüssel/Rheinland-Pfalz

Glyphosat: Lauert die Krebsgefahr im Unkrautkiller?

Grün statt grau: Auf öffentlichen Plätzen wie dem Parkplatz am Friedhof in Montabaur darf Unkraut nicht mehr mit Glyphosat bekämpft werden. Das gilt für ganz Rheinland-Pfalz. Umstritten ist, welche Auswirkungen der Stoff auf den Menschen hat. Umweltschützer und eine WHO-Agentur halten ihn für wahrscheinlich krebserregend, eine EU-Agentur sorgt nun mit einem gegenteiligen Urteil für Wirbel. Foto: Thorsten Ferdinand
Grün statt grau: Auf öffentlichen Plätzen wie dem Parkplatz am Friedhof in Montabaur darf Unkraut nicht mehr mit Glyphosat bekämpft werden. Das gilt für ganz Rheinland-Pfalz. Umstritten ist, welche Auswirkungen der Stoff auf den Menschen hat. Umweltschützer und eine WHO-Agentur halten ihn für wahrscheinlich krebserregend, eine EU-Agentur sorgt nun mit einem gegenteiligen Urteil für Wirbel. Foto: Thorsten Ferdinand

Der rheinland-pfälzische Pflanzenschutzdienst erteilt seit Juli keine Genehmigungen mehr für die Anwendung von Glyphosat auf öffentlichen Flächen. Das hatte Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) angewiesen, weil sich die Hinweise auf eine gesundheitsschädigende Wirkung des Mittels beim Menschen verdichteten.

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Von Detlef Drewes, Miraim Schmidt und Martina Herzog

Die Ministerin will bei dem endgütigen Aus für das Mittel im Land bleiben, obwohl die EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) zu dem Ergebnis kommt, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend ist.

„Wir werden die Bewertung der Efsa zunächst sorgsam prüfen“, heißt es in Mainz. Das Umweltministerium stützt sich dabei vor allem auf die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die das Mittel als wahrscheinlich krebserregend einstuft. Höfken hält außerdem an der Entscheidung fest, „schon allein wegen der erheblichen negativen Auswirkungen des Breitbandunkrautvernichtungsmittels auf die Umwelt und die Artenvielfalt.“ Einige Kommunen stellt das aber vor Probleme: Wie werden sie dem Unkraut auf Gehwegen und öffentlichen Plätzen Herr? Denn bei aller Kritik: Glyphosat ist wirksam und effizient.

„Es gibt Alternativen, zum Beispiel Finalsan. Dieses Mittel wirkt wie Essig. Aber es entfaltet nicht die tiefe Wurzelwirkung. Glyphosat eins zu eins zu ersetzen, ist schwierig“, sagt Eva Morgenstern von der Gartenakademie Rheinland-Pfalz. Ihrer Ansicht nach liegt das größte Problem nicht in der Anwendung des Mittels durch die Kommunen, sondern in der oft falschen Anwendung durch Privatpersonen, die das Mittel weiterhin kaufen und benutzen dürfen. „Wenn das Mittel für die Garagenauffahrt verwendet wird, saugt der Beton das Mittel auf, hält es gewissermaßen fest, und beim nächsten Regen wird es in den Gulli gespült und gelangt dadurch in das Oberflächenwasser“, erklärt Beraterin Morgenstern.

Kommunen hingegen wurde in den vergangenen Jahren oft die Auflage erteilt, das Mittel im Streichverfahren mithilfe einer Maschine aufzutragen. „Dadurch gelangt das Mittel nur auf die Pflanzen, die es dann aufnehmen. So kommt es nicht auf das Pflaster“, sagt Morgenstern.

Mittlerweile haben etliche Städte und Gemeinden alternative Wege gefunden, das Unkraut zu bekämpfen. Einige Beispiele:

Kreis Ahrweiler

Städte und Gemeinden aus dem Kreis Ahrweiler sehen das Verbot aus Mainz gelassen: In Sinzig, Bad Breisig und Bad Neuenahr-Ahrweiler wird das Herbizid seit Jahren nicht mehr angewendet. Gärtnermeister aus Ahrweiler empfehlen auch Privatpersonen eher den Einsatz von Gasbrennern und Rillenkratzern.

Rhein-Lahn-Kreis

Anders ist die Stimmung im Rhein-Lahn-Kreis. Von „Riesenproblemen“ spricht man in Katzenelnbogen. Nach der Einführung des Verbots von Glyphosat klagte der Stadtbürgermeister über massive Mehrarbeit, die den Bauhofmitarbeitern entsteht. Auch hier kommen Gasbrenner und Freischneider zum Einsatz. Ähnlich ist die Lage in der Verbandsgemeinde Loreley. Für größere Flächen setzt man nun in der VG einen rotierenden Drahtbürstenaufsatz ein, der Blätter und Stängel der Pflanzen abrupft. Im Kreis beschäftigen sich die Bauhofleiter aber auch mit neu entwickelten Geräten – etwa Kommunalfahrzeugen, die dem Unkraut mit Heißwasser zu Leibe rücken.

So bekämpfen Kommunen im Land das Unkraut

Cochem-Zell

Die Verbandsgemeinde Ulmen im Kreis Cochem-Zell setzt auf Streusalz als Alternative zum Glyphosat. Außerdem kommt auch hier die Wildkrautschere zum Einsatz. Die Stadt Cochem verwendet statt Glyphosat eine Substanz auf Wasserstoffbasis. „Die ist zwar wahnsinnig teuer, ungefähr ein Drittel teurer als Glyphosat, aber extrem effektiv, weil hoch konzentriert“, sagt der Cochemer Bauhofleiter Uwe Schaaf.

Kreis Neuwied

In Neuwied wurde Glyphosat hauptsächlich auf Friedhöfen angewendet. Laut Thomas Riehl von den Servicebetrieben Neuwied werden nun einige Wege grün, die bislang geschottert waren. Mechanisch wird das Unkraut nur punktuell entfernt, etwa dort, wo Beisetzungen stattfinden.

In den Verbandsgemeinden Asbach, Rengsdorf und Puderbach wurde auch vor dem endgültigen Verbot in Rheinland-Pfalz kaum zu Glyphosat gegriffen. Die drei Verbandsgemeinden setzen vor allem auf den Gasbrenner, um das Unkraut zu vernichten.

Westerwaldkreis

Montabaur setzt keine chemischen Unkrautvernichtungsmittel auf Straßen, Wegen und Plätzen ein, die gepflastert oder asphaltiert sind. Laut Markus Kuch von der Grünflächenverwaltung der VG Montabaur ist der Pflegeaufwand dadurch deutlich gestiegen. „Bei dem mechanischen Verfahren müsste jede Fläche mindestens monatlich oder noch öfter bearbeitet werden, was der Bauhof nicht immer und überall gewährleisten kann“, sagt Kuch.

Auch in Höhr-Grenzhausen setzt man auf Handarbeit, um das Unkraut zu entfernen. Die Stadt prüft aber bereits, ob die Anschaffung eines Geräts infrage kommt, das die Pflanzen mit Heißluft bekämpft. Stefan Hantzschmann

Bürger, die sich über den richtigen Einsatz von Glyphosat informieren wollen oder nach Alternativen suchen, können beim Gartentelefon der Gartenakademie Rheinland-Pfalz anrufen: 0180/053 202