Fußball: Deutsches Heimspiel in Wembley

Das Wembley-Stadion in den Farben der Finalisten – schwarz-gelb für den BVB, rot für die Bayern.
Das Wembley-Stadion in den Farben der Finalisten – schwarz-gelb für den BVB, rot für die Bayern. Foto: Jens Weber

Jetzt ist es also passiert. Fußball- Europa sieht das erste rein deutsche Finale in der Champions League. Ausgerechnet die Engländer, dem deutschen Fußball seit Jahr und Tag in freundschaftlicher Rivalität verbunden, laden zu diesem Ereignis in ihr Wohnzimmer ein. FC Bayern München gegen Borussia Dortmund im Wembley-Stadion, was hierzulande als der Gipfel des Fußballvergnügens angesehen wird, dürfte für viele Briten ein zweifelhaftes werden.

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Was die Vorfreude in Fußball- Deutschland auf das Spiel aller Spiele freilich nicht schmälern wird. Im Gegenteil, die kommenden drei Wochen werden bestimmt sein von mehr oder minder hitzigen Diskussionen über Vormachtstellungen, über Favoriten und Außenseiter, über Trainerphilosophien, über Teamspieler und Einzelkönner. Und wenn sich Bayern- sowie Dortmund-Fans dann ausnahmsweise mal einig werden sollten, dürfte die Sprache auf die Machtverhältnisse im europäischen Fußball kommen.

Und die Frage aller Fragen wird sein: Ist das finale Bundesliga-Duell auf Königsklassen-Ebene ein Fingerzeig auf eine gerade beginnende Vormachtstellung des deutschen Fußballs in Europa? Vor Übertreibungen und einem überbordenden Fußball-Nationalismus sei an dieser Stelle gewarnt. Als der AC Mailand die Münchner Bayern 2010 im Endspiel der Champions League mit 2:0 besiegte und in jener Saison so ziemlich alles gewann, was zu gewinnen war, dachten einige Fans südlich des Brenners auch schon an eine neue, wundervolle Ära des italienischen Fußballs.

Was kam, gleicht eher einem Niedergang als einem wundersamen Aufstieg. Als 2009 drei englische Teams das Halbfinalbild der Königsklasse bestimmten, wähnten sie sich auf der Insel schon auf dem besten Weg, Fußball-Europa nachhaltig in die Schranken zu weisen. Nun, in diesem Jahr war bereits im Achtelfinale Schluss für die einst so hochgelobten englischen Teams.

Bayern-Strukturen stimmen Gleichwohl zeigen insbesondere die Münchner Bayern sowohl bei ihrer Personalpolitik als auch in ihrer Spielstruktur Ansätze, die Anlass zu der Hoffnung geben, dass sich da eine Mannschaft dauerhaft in der europäischen Spitze festsetzen kann. Gelingt es den Dortmundern, ihre sagenhaften Einnahmen von rund 100 Millionen Euro (Götze-Transfer plus Königsklassen- Prämien) gewinnbringend einzusetzen, hat auch die Borussia das Zeug dazu, es den Bayern nachzumachen.

Was uns zur Psychologie des rein deutschen Finales führt. Was wird am Ende den Ausschlag geben? Wird die Überlegenheit, mit der die Bayern das nationale wie internationale Geschehen in dieser Saison auf dem Rasen diktiert haben, dazu führen, dass die Münchner den Gegner auch im Endspiel nach Belieben beherrschen und glorreich den Sieg davontragen?

Nicht zu vergessen die Schmach der vergangenen Jahre mit zwei Endspielteilnahmen (2010, 2012) ohne Titelgewinn und mit der Niederlage gegen den FC Chelsea im Elfmeterschießen als Gipfel der Demütigung. Diese Negativerfahrungen im Verein mit einer nahezu optimalen Einkaufspolitik haben die Bayern nach Lage der Dinge erst zu der Teamstärke geführt, mit der sie zuletzt alle und alles in Grund und Boden gespielt haben. Die Rache der Dortmunder?

Oder werden am Ende die Dortmunder triumphieren, weil es geradezu wie eine logische Notwendigkeit erscheint, den nicht für möglich gehaltenen Siegeszug auf internationalem Terrain mit dem Finalerfolg zu krönen? Hinzu kommt die Chance für die Borussia, den sich übermächtig fühlenden FC Bayern abermals so richtig ärgern zu können – und sich ganz nebenbei für den Weggang ihres erklärten Lieblings Mario Götze zum Rivalen im Süden zu rächen.

Eines dürfte schon jetzt klar sein: Kurz vor dem Tag der Entscheidung in der britischen Metropole wird es keine Blickwinkel mehr geben, aus dem dieses denkwürdige Finale nicht beleuchtet worden ist. Selbst für Enthusiasten wird dann in Sachen Vorberichterstattung eine Grenze erreicht sein, die weniger Fußballbegeisterte schon längst überschritten sehen. Es ist an der Zeit, dass die zum ultimativen Kick hochgejazzte Partie endlich beginnt, wird es dann heißen. Bayern- wie Dortmund- Anhänger werden den Kampf um eines der heiß begehrten Tickets unter Einsatz der letzten Ersparnisse und zum Leidwesen ihrer Familien womöglich gewonnen haben.

Ein erster Sieg, dem der zweite folgen soll. London, so viel steht fest, wird in diesen Tagen fest in bajuwarischer und westfälischer Hand sein. Vor, während und nach dem Spiel wird die deutsche Fan-Invasion hoffentlich eine friedliche sein. Und wenn die Spannung nicht mehr steigerbar und kaum noch auszuhalten sein wird, wenn der Schiedsrichter das deutsche Finale in der Königsklasse endlich angepfiffen hat, werden jene, die ohne große Vorlieben für das eine oder andere Team auskommen, sich zurücklehnen und wünschen: Möge der Bessere gewinnen.