Für das Foto eines Schwarzen Lochs: Ein Teleskop so groß wie die Erde
Auf gleich sechs Pressekonferenzen präsentierten die Forscher des „Event Horizon“-Teleskopnetzwerks (EHT) am Mittwoch zeitgleich die Aufnahme des schwarzen Lochs in der fernen Galaxie M87. Der Bereich, in dem das Material der Akkretionsscheibe um das Loch herum in Richtung der Erde rast, ist heller. Dort, wo die Materie sich von der Erde wegbewegt, fällt die Aufnahme dunkler aus.
Event Horizon Telescope
Das internationale ALMA-Teleskop (oben) steht in 5000 Meter Höhe in den chilenischen Anden. Es besteht aus 66 „Schüsseln“ zwischen 7 und 12 Metern Durchmesser. Sie empfangen Wellen im Millimeter- und Submillimeterbereich.
ESO/B. Tafreshi (twanight.org)
Das APEX-Teleskop in der chilenischen Atacama-Hochwüste Es wurde vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) mitentwickelt uns war ein Prototyp der ALMA-Antennen . So erfolgreich, dass APEX noch immer in Betrieb ist und ständig verbessert wird. Wie ALMA nimmt es an den Aufnahmen der Schwarzen Löcher im Rahmen des Event Horizon Telescope-Projekts (EHT) teil.
Alan Roy, MPIfR
Schnee schaufeln ist in 5100 Metern Höhe extrem anstregend.
Alan Roy, MPIfR
Astronom Dr. Alan Roy im Kabelgewirr der APEX-Antenne.
MPIfR
Die acht am Event Horizon Telescope-Projekt teilnehmenden Radioteleskope.
MPIfR
Besuch in einer Denkfabrik, im Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Die Wissenschaftler debattieren auch schon mal im Flur und pinnen ihre Formeln auf die Glaswand des Treppenhauses.
Jochen Magnus
Im Rechenzentrum des MPIfR in Bonn werden die Daten der acht Teleskope miteinander verknüpft (korreliert).
Jochen Magnus
Professor Michael Kramer, einer der drei Direktoren des MPIfR und Spezialist für Fundamentalphysik, legte zusammen mit dem holländischen Astronom Heino Falcke den Grundstein für das „Black Hole Cam„-Projekt, das sich nun am weltweiten Event Horizon Telescope beteiligt.
Jochen Magnus
Astronom Dr. Alan Roy vom MPIfR betreut das APEX-Teleskop und beobachtet dort.
Jochen Magnus
Elektronik-Ingenieur Michael Wunderlich arbeitet an Spezialelektronik für Radioteleskope, hier an einem Analog/Digitalwandler, der die Signale aus der Antenne digitalisiert. Nur eine Handvoll Institute weltweit planen die Schaltungen und nur wenige Firmen können die Mikrometer-Feinstrukturen überhaupt bauen.
Jochen Magnus
Professor Eduardo Ros, einer dem am EHT beteiligten Astronomen, zeigt ausgemusterte Spezialhardware, die früher einmal die Daten verschiedener Teleskope zusammenrechnete (korrelierte). Heute übernehmen das handelsübliche Prozessoren – allerdings gleich viele hundert gleichzeitig. Früher mussten teure Spezialchips dafür hergestellt werden.
Jochen Magnus
So ähnlich könnte das Schattenbild des Schwarzen Lochs („Sagittarius A*“) im Zentrum der Milchstraße aussehen.
MPIfR
Jetzt erst ist die Technik reif
„Wir erwarten einen Schatten vor der hellen Radiostrahlung“, erklärt Professor Michael Kramer, Direktor des MPIfR. „Um das zu sehen, benötigt man aber ein Teleskop von der Größe der Erde.“ Die Idee zu einem weltumspannenden Radioteleskop hatte sein niederländischer Kollege Heino Falcke schon vor 20 Jahren, erzählt Kramer. „Aber die Technik war damals noch nicht soweit“. „Vor ein paar Jahren habe ich ihn zufällig an einem Bahnhof getroffen. Wir diskutierten und kamen überein, ein solches Projekt in Europa zu versuchen“. Die beiden Astronomen sowie der Schwerkraft-Physiker Luciano Rezzolla planten das europäische „Black Hole Cam“-Projekt und erhielten dafür vom EU-Forschungsrat 14 Millionen Euro. Später schlossen sie sich dem weltweiten „Event Horizon Telescope“-Projekt (EHT) an. Vom 4. April beobachten nun acht Radioteleskope weltweit das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße sowie fünf teils noch gewichtigere Schwerkraftmonster in anderen Galaxien.
Was macht diese Objekte so interessant, dass viele Millionen Euro und Dollar dafür ausgegeben werden und sich dutzende Spitzenforscher damit beschäftigen? Es ist die Suche nach dem heiligen Gral der Physik, einer umfassenden physikalischen Theorie, die alle Phänomene vom kleinsten bis zum größten Maßstab erklären kann. Vorgänge auf atomarer Ebene und darunter kann die Quantentheorie präzise beschreiben, Phänomene in kosmischem Maßstab erklärt vor allem die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) von Albert Einstein. Aber schon Einstein wusste, dass es Bereiche gibt, in denen seine Theorie versagt. Beispielsweise wenn sehr große Massen zusammenbrechen. Ihre Dichte wird unendlich groß, die Ausmaße unendlich klein – der Todesstoß für eine physikalische Theorie. Also versuchen Forscher aus dem Verhalten von Materie und Kräften unter Extrembedingungen – sei es in einem Teilchenbeschleuniger oder durch Messungen an einem Schwarzen Loch – eine neue, bessere Theorie ableiten zu können. „Die Allgemeine Relativitätstheorie hat bisher alle Tests mit wehenden Fahnen bestanden“, erklärt Kramer, „aber man kann sich nicht einfach darauf verlassen, dass es dabei bleibt.“ Er vermutet,wie viele andere Physiker auch, dass sich die ART als Spezialfall einer vollständigeren Theorie zeigen wird. Ähnlich, wie es den einfachen Bewegungsgesetze von Isaac Newton ergangen war, die im Alltag völlig ausreichen, bei extremen Geschwindigkeiten oder Massen aber der präziseren und komplizierteren Relativitätstheorie weichen mussten.
Die allerletzte Grenze
Darum ist der Nachweis des Schattenwurfs eines Schwarzen Lochs so wichtig: Es beweist den „Ereignishorizont“, die scharfe Grenze, der nicht einmal Licht entkommt. Findet man keinen Schatten, dann gibt es diesen Horizont nicht. Einstein wären widerlegt, man könnte praktisch die nackte Singularität sehen; im Wortsinn eine Unmöglichkeit.
Existiert der Schatten aber, kann man an seiner Form ablesen, ob und wie schnell das Objekt rotiert. Daran – und am Verhalten von Objekten in seiner Umgebung – lässt sich die Verzerrung von Raum und Zeit ablesen. Deshalb möchte Kramer „als Gegenprobe“ auch „Pulsare“ möglichst nahe am Schwarzen Loch finden und beobachten. Das sind schnell rotierende Neutronensterne, „Leichen“ ausgebrannter großer Sterne, die aber nicht gewaltig genug waren, um zum Schwarzen Loch zu werden. Ihre Rotation ist so hochpräzise, dass sie als kosmische Uhren benutzt werden: „Damit können wir die von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagte Krümmung von Raum und Zeit in der Nähe eines Schwarzen Lochs mit bisher unerreichter Genauigkeit zu vermessen“
Tweets über +black +hole +#eht
Den großen Aufwand des Event Horizon Telescope-Projekts erklärt Professor Anton Zensus, geschäftsführender Direktor des MPIfR und Vorsitzendes des weltweiten Projektes: „Wir beobachten zehn Tage lang ab dem 4. April täglich 12-14 Stunden. Dabei müssen stets mehrere Teleskope auf das gleiche Objekt ausgerichtet werden. Bei allen Teleskopen genießen unsere Beobachtungen Vorrang, weil wir ja an mehreren Gebieten auf der Welt gleichzeitig günstige Bedingungen brauchen.“ „Vor allem wegen des Wetters in den verschiedenen Weltgegenden werden wir diese Tage schon mit ein wenig Angst und Bangen verbringen“, ergänzt Professor Eduardo Ros, der selbst aktiv an den Beobachtungen beteiligt ist. Im schlimmsten Fall könnten die Messungen 2018 wiederholt werden.Je nach Qualität der Messungen dauert die Auswertung der Daten drei bis sechs Monate. Danach könnte erstmals das Abbild eines Schwarzen Lochs das Licht der Welt erblicken.
Von unserem Redakteur Jochen Magnus