Köln/Dortmund

Die Bevölkerung zweifelt: Schaffen wir das?

Tausende Flüchtlinge wurden bereits von Mannheim aus an Unterkünfte in Rheinland-Pfalz verteilt. Mittlerweile bezweifelt die Bevölkerung, dass die Herausforderungen dieses Zustroms bewältigt werden können.
Tausende Flüchtlinge wurden bereits von Mannheim aus an Unterkünfte in Rheinland-Pfalz verteilt. Mittlerweile bezweifelt die Bevölkerung, dass die Herausforderungen dieses Zustroms bewältigt werden können. Foto: Jens Weber

Die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verliert vermehrt Zustimmung in der Bevölkerung und den eigenen Reihen. Mittlerweile bezweifelt jeder zweite Deutsche, dass die Bundesrepublik die Flüchtlingskrise bewältigen kann.

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Auch in der Union wachsen die Bedenken: Mehrere Innenexperten der Unionsfraktion haben einen Brief an die Kanzlerin vorbereitet, in dem diese eine „Änderung der Zuwanderungspraxis“ für „dringend geboten“ halten.

Forderung nach Abstimmung

„Angesichts der Entwicklung der letzten Monate können wir nicht länger nur von einer großen Herausforderung sprechen, wir stehen vor einer Überforderung unseres Landes“, heißt es in dem Schreiben. Der Brief soll in der kommenden Woche an Merkel geschickt werden. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU) widersprach indes im Deutschlandfunk Meldungen, es würden Unterschriften gegen den Kurs der Kanzlerin gesammelt.

Wiederholt gab es die Forderung, das Parlament über die Ausrichtung der Flüchtlingspolitik abstimmen zu lassen. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) wiederholte diese Forderung und monierte, dass der Bundestag nie gefragt worden sei, „ob er die dauerhafte Fortsetzung des Ausnahmezustandes will“.

Gemeint ist damit die höchst umstrittene Entscheidung der Kanzlerin im vergangenen Sommer, Tausenden Flüchtlingen vor allem aus Syrien die Weiterreise aus Ungarn zu erlauben. Für sie wurde die Dublin-Verordnung nicht angewendet, nach der sie in dem EU-Land Asyl beantragen müssen, über das sie eingereist sind. Kritiker der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung machen diese Entscheidung für die daraufhin stark gestiegene Zahl von Flüchtlingen verantwortlich.

Auch in der SPD gibt es Kritik am Kurs von Merkel. „Die Bundeskanzlerin wird sich im Laufe des Jahres korrigieren müssen“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) der „Welt“. „Entweder gelingt es, international die Zugangszahl zu drosseln, oder wir müssen Dinge tun, die niemand will – und die Europa schaden werden“, sagte er und verwies dabei auf die offenen Grenzen in Europa.

Umfragen von ARD und ZDF legen nahe, dass auch in der Bevölkerung der Rückhalt für die Kanzlerin schwindet. Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge bezweifelt jeder zweite Bundesbürger (51 Prozent), dass Deutschland die aktuelle Flüchtlingskrise bewältigen kann. 44 Prozent unterstützen die Einschätzung Merkels.

Umfragen zeigen große Skepsis

Auch im aktuellen ZDF-Politbarometer wird die Skepsis der Bürger deutlich: 60 Prozent der Befragten sind demnach der Meinung, dass Deutschland die Zahl der Flüchtlinge nicht verkraften kann. 37 Prozent halten sie für verkraftbar.

Unterstützung bekommt Merkel dagegen vom ehemaligen Außenminister Joschka Fischer (Grüne). „Alles in allem kann ich ihr keine schlechten Noten geben“, sagte er. Zugleich kritisierte er: „Mir wird zu viel von Überforderung geredet und zu wenig von den Chancen.“

Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte den Kurs der Kanzlerin, die mit einem Paket nationaler, europäischer und internationaler Maßnahmen die Flüchtlingszahlen reduzieren will. Dazu gehören der Wunsch nach einer besseren Verteilung der Asylsuchenden in der EU und die geplante engere Kooperation mit der Türkei, um Flüchtlinge von der Weiterreise in die EU abzuhalten.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gab der Kanzlerin Rückendeckung. Angesichts der Herausforderungen ist es seiner Meinung nach nicht erstaunlich, dass es Diskussionen gibt. „Von Partnern kann man aber erwarten, dass sie nicht verfassungsfremde oder auch den Regeln des Rechtsstaats entgegenstehende Hilfslösungen verlangen, sondern eine Debatte um Instrumente führen, die tatsächlich zur Verfügung stehen“, sagte er.

Eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen mit der Konsequenz von Zurückweisungen von Asylsuchenden lehnt Merkel nicht nur als praktisch nicht umsetzbar ab. Sie würde auch gegen den Grundsatz in der Verfassung verstoßen, wonach jeder Flüchtling ein Recht hat, seinen Antrag auf Schutz zu stellen.