Belgrad

Balkanländer fürchten Rückstau von Flüchtlingen

Von Griechenland aus sind wieder Tausende Flüchtlinge in Richtung Westeuropa unterwegs. In den Transitstaaten wie hier an der Grenze von Serbien und Mazedonien wächst die Sorge, dass viele Menschen in ihren Staaten stranden könnten, wenn Österreich die Grenzen schließt.  Foto: dpa
Von Griechenland aus sind wieder Tausende Flüchtlinge in Richtung Westeuropa unterwegs. In den Transitstaaten wie hier an der Grenze von Serbien und Mazedonien wächst die Sorge, dass viele Menschen in ihren Staaten stranden könnten, wenn Österreich die Grenzen schließt. Foto: dpa

Seit zwei Tagen hat der Flüchtlingszustrom auf der Balkanroute merklich nachgelassen. Nach Kroatien sind am Donnerstag bis zum Morgen nur 900 Migranten gekommen, Slowenien meldet sogar nicht einen einzigen.

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Von Thomas Brey

Doch von Entspannung ist keine Spur. In den ersten 20 Tagen sind in Griechenland mehr als 35 000 Menschen neu angekommen und haben sich auf den Weg nach Westeuropa gemacht. Weiter nördlich in Slowenien wurden sogar mehr als 42 000 gezählt. Und es sollen noch deutlich mehr werden: Alle Länder entlang der Balkanroute erwarten einen rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen, wenn das Wetter im Frühjahr wieder besser wird.

Bisher taten die Balkanstaaten alles, um die Hunderttausenden Migranten vor der eigenen Bevölkerung möglichst unsichtbar zu machen. Das heftete sich der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic ebenso als Verdienst ans Revers wie sein kroatischer Kollege Zoran Milanovic. Beide lobten ihre Regierungen immer wieder, dass die Menschenmassen mit einer wie geschmiert laufenden Behördenmaschinerie weitgehend geräuschlos und ohne größere Zwischenfälle durch ihre Länder geschleust worden sind.

Doch hinter den Kulissen rumort es gewaltig. Die Spitzenpolitiker sind besorgt, dass mit der geänderten österreichischen Willkommenskultur am Ende Zehntausende Flüchtlinge mittelfristig in den Balkanstaaten stranden könnten. Bisher brauchen die aus der Türkei kommenden Migranten von Griechenland über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nur drei Tage bis Österreich. Der Transit klappt also. Aber von der Aufnahme von 50 000 Flüchtlingen, wie es im Oktober auf dem EU-Krisentreffen für die Balkanstaaten verabredet worden war, will niemand etwas wissen. Denn bis auf das Euro- und Nato-Land Slowenien sind alle Staaten entlang der Balkanroute bitterarm.

„Wir akzeptieren nur noch österreichisch-deutsche Migranten“, zitiert die Belgrader Zeitung „Novosti“ den serbischen Arbeitsminister Aleksandar Vulin. Ganz ähnlich reagierten nur Stunden nach der österreichischen Kehrtwende in der Flüchtlingskrise auch Kroatien und Mazedonien. Alle drei Länder wollen nur noch Menschen aus Irak, Syrien und Afghanistan durchlassen, die in Österreich oder Deutschland Asyl beantragen wollen. Doch wie das den Zustrom verringern soll, bleibt fraglich. Denn geschätzte 90 Prozent der Migranten haben nach Angaben der Hilfsorganisationen ohnehin dieses Ziel. Slowenien will es Österreich gleichtun und nur noch begrenzt Flüchtlinge durchlassen.

Die südlich gelegenen Länder Kroatien, Serbien und Mazedonien müssen dann dieser neuen Regelung ebenfalls folgen. Denn sonst riskierten sie den so sehr gefürchteten Migrantenstau in ihren Ländern. Dann bliebe also Griechenland als erstes EU-Land auf der Balkanroute auf diesen Menschen im wahren Wortsinn sitzen. Diesen Dominoeffekt hatte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz gerade als gewünscht bezeichnet, um Griechenland zur besseren Überwachung seiner Grenze zur Türkei zu zwingen.

Die Flüchtlingskrise auf der Balkanroute spielt in der Öffentlichkeit keine große Rolle, weil die Länder an diesem Transitweg im Moment mal wieder mit sich selbst beschäftigt sind. Für eine Flüchtlingspolitik aus einem Guss bleibt da wenig Energie. Kroatien ist seit Monaten durch Neuwahlen gelähmt. Und es wird noch lange dauern, bis sich die beiden eigentlich gegensätzlichen neuen Regierungspartner zusammengerauft haben. In Serbien sind am vergangenen Wochenende erst vorzeitige Parlamentswahlen angesetzt worden. Und Mazedonien versinkt gerade im innenpolitischen Chaos – aller monatelangen EU-Vermittlung zwischen den tief zerstrittenen Parteien zum Trotz.