Werden marode Länder finanziert?

Mario Draghi sagte im Sommer 2012, als die Euro-Zone vor der Zerreißprobe stand: "Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten." Foto: dpa
Mario Draghi sagte im Sommer 2012, als die Euro-Zone vor der Zerreißprobe stand: "Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten." Foto: dpa

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat nun ganz anders entschieden. Unser Brüsseler Korrespondent Detlef Drewes erklärt, wie die Richter ihr Urteil begründen.

Lesezeit: 2 Minuten
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  • Die EZB kauft Anleihen überschuldeter Länder auf – wieso ist das eigentlich keine verbotene Staatsfinanzierung?

Eine verbotene Staatsfinanzierung läge dann vor, wenn die Frankfurter Euro-Bank die Papiere direkt von den Regierungen kaufen würde (Primärmarkt). Tatsächlich aber wollte sie die Anleihen auf dem Sekundärmarkt einkaufen, also von Personen oder Institutionen, die die Staatsanleihen zuvor erworben hatten, aber nun nicht mehr loswurden.

  • Einfach einen Mittelsmann einzuschalten, ist doch ein Trick?

Das wäre es tatsächlich, wenn die EZB vorher angekündigt hätte, wann sie die Papiere eines Landes aufkaufen würde. Das war aber nicht der Fall. Der EuGH hat in seinem gestrigen Urteil sogar zur Auflage gemacht, dass solche Eingriffe in den Markt nicht vorher angekündigt werden dürfen.

  • Wurde das Ziel denn erreicht?

Dazu muss man noch einmal zurückblenden. Als EZB-Präsident Draghi im September 2012 das Programm ankündigte, hatten Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Irland große Probleme, sich Geld am Kapitalmarkt zu leihen, weil sie wegen ihrer Verschuldung hohe Risikoaufschläge anbieten mussten. Diese machten die Ausgabe einer Staatsanleihe nahezu unbezahlbar. Schon die Ankündigung der EZB hat zum Rückgang dieser Aufschläge geführt, sodass das Programm nie gestartet werden musste.

  • Aber Draghi wollte doch mit dem Geld der Mitgliedstaaten „unbegrenzt“ Anleihen kaufen? Das war sehr riskant.

Das stimmt, aber man hatte, was oft übersehen wird, eine Reihe von Bedingungen formuliert, die die Risiken ausschließen sollten.

  • Was waren das für Bedingungen?

Das Land, dessen Papiere aufgekauft werden sollten, hätte zunächst unter den ESM-Rettungsschirm gehen müssen. Damit wären strikte Reformen der damaligen Troika fällig geworden. Die endgültige Entscheidung über Gelder aus dem Hilfsfonds sollten die Finanzminister der Euro-Zone fällen. Erst nach deren Zustimmung wäre die EZB aktiv geworden. Das hat alles mit einem „unbegrenzten Aufkauf“ wenig zu tun, weil diese Konditionen so etwas wie Sicherungsmechanismen waren.

  • Kritiker halten die Aufkäufe von Staatsanleihen für eine indirekte Staatsfinanzierung durch die Notenpresse.

Dieser Vorwurf träfe auch zu, wenn die EZB ohne jede Vorbedingung in die Kasse greifen würde. Das ist aber nicht der Fall. Und auch der Einwand, der Reformdruck auf die Regierungen lasse nach, wenn die EZB wertlos gewordene Papiere übernehme, stimmt nicht. Denn die Länder müssen sich zu Reformen verpflichten, ehe sie Geld vom Rettungsschirm bekommen, was wiederum die Voraussetzung für die Einkaufsaktion der EZB ist.

  • Was bedeutet die Entscheidung für die gegenwärtige Aktion der EZB, die mehr als 1 Billion Euro investiert, um Staatsanleihen aufzukaufen?

Seit März 2015 nimmt die EZB monatlich 60 Milliarden Euro in die Hand, um damit Papiere aufzukaufen. Dieses Programm läuft noch bis September 2016. Im gestrigen Urteil wird diese Aktion mit dem Namen „QE“ (Quantitative Easing, quantitative Lockerung) nicht angesprochen. Dass das jetzige Urteil aber Rückenwind für die angelaufenen Aufkäufe bringt, ist klar. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde aus Deutschland hat seit gestern sicherlich kaum noch ernsthafte Chancen auf Erfolg.