UN-Umweltgipfel: Die kühle Klima-Kanzlerin

Auch die alten Fotos von Angela Merkel und dem damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel an den schmelzenden Gletschern Grönlands im Jahr 2007 werden nur noch gezeigt, wenn es um das Verhältnis der Bundeskanzlerin zu ihrem heutigen Vize-Kanzler in der Großen Koalition geht.
Auch die alten Fotos von Angela Merkel und dem damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel an den schmelzenden Gletschern Grönlands im Jahr 2007 werden nur noch gezeigt, wenn es um das Verhältnis der Bundeskanzlerin zu ihrem heutigen Vize-Kanzler in der Großen Koalition geht. Foto: dpa

Von ihrer Sympathie für Eisbärenbabys hat man sie schon lange nicht mehr sprechen hören. Zum Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York lässt die einstige deutsche Klima-Kanzlerin heute ihre Umweltministerin fahren. Von ihren leidenschaftlichen Worten zum Klimawandel 2007 ist auf der Agenda der Bundeskanzlerin 2014 wenig übrig. Deutschland könnte dadurch seine Vorreiterrolle beim Umweltschutz einbüßen.

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Glaubwürdigkeit schmilzt dahin, wenn diesmal sogar US-Präsident Barack Obama und mehr als 140 weitere Staats- und Regierungschefs weiterverhandeln – die deutsche Kanzlerin aber fehlt. Angela Merkel weilt stattdessen beim Tag der deutschen Industrie in Berlin – auch ein wichtiger Termin für die Bundeskanzlerin, aber durchaus kein unverzichtbarer.

Das Treffen in New York bei den UN gilt in dem stockenden Ringen der Staaten um ein neues Klimaabkommen bis 2015 immerhin als wichtige neue Chance. Bis zum großen Klimagipfel in Paris im nächsten Jahr müssen die Details stehen. Ziel der Staaten ist es, dass die Erderwärmung 2 Grad nicht überschreitet. Um das zu erreichen, sind gewaltige Anstrengungen nötig.

USA und China zeigen erstmals Verhandlungsbereitschaft

USA und China, die sich bislang nicht auf verbindliche und ambitionierte Absenkungen des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes festlegen lassen wollen, zeigen jetzt erstmals Verhandlungsbereitschaft. Mit Angela Merkel könnten sie auf Augenhöhe verhandeln.

Mit Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) schickt Deutschland in den Augen vieler Beobachter aber nur die zweite Reihe an den Verhandlungstisch. „Damit überlässt es die deutsche Politik anderen Staatenlenkern, den Ton anzugeben“, kritisiert etwa Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Deutschland ist nicht mehr Vorreiter beim Klimaschutz.
Deutschland ist nicht mehr Vorreiter beim Klimaschutz.
Foto: 1xpert – Fotolia

Merkel hatte nie mehr Einfluss als jetzt. Als Deutschland Anfang Juli die Präsidentschaft der sieben größten Industrieländer G 7 übernimmt, hoffen viele darauf, sie könnte das Thema Klimawandel vorantreiben. „Deutschland wird Frankreich als Gastgeber der Klimakonferenz stark unterstützen“, kündigt Merkel aber nur vorsichtig an. Das klingt kaum vielversprechend. Und: Deutschland werde in der Zeit seiner Präsidentschaft einen Schwerpunkt legen auf „nachhaltiges Wirtschaften“. Beim Petersberger Klimadialog im vergangenen Jahr hört sich die Bundeskanzlerin und einstige Umweltministerin im Kabinett von Helmut Kohl noch ganz anders an: „Warten ist keine Option“, sagte sie damals zu einem weiter ausstehenden verbindlichen Klimavertrag der Staaten zur Minderung der Treibhausgase.

Thema ist weit nach unten gerückt

Trotzdem ist das Thema auf ihrer Agenda da schon weit nach unten gerückt. Zum Vergleich: 2007, im Jahr ihrer Reise nach Grönland, steht das Thema bei einer Kabinettsklausur der damaligen Großen Koalition oben auf dem Programm. Damals sagt Merkel: „Wir haben alle Chancen, das Thema zu bewältigen.“ Angesichts der schmelzenden Gletscher in Grönland zeigt sie sich tief beeindruckt: „Das muss man selbst gesehen haben“, erklärt sie. Es ist der Auftakt einer Werbetour für Klimaschutz, bei der die Bundeskanzlerin die halbe Welt bereist.

Auch das gesellschaftliche Klima in Deutschland ist ein anderes. Zahlen und Nachrichten über die drohende Erderwärmung und ihre Folgen beherrschen damals die Schlagzeilen. Der Klimawandel, das ist Konsens, gilt als eine der größten Herausforderungen der Neuzeit. Die Welt blickt deshalb gespannt auf den Klimagipfel von Kopenhagen 2009, der verbindliche Klimaziele für alle Staaten schon damals hätte festlegen sollen. Doch der Gipfel scheitert krachend. Merkel hat mitverhandelt – und muss anschließend viel Kritik einstecken. „Kopenhagen ist ein erster Schritt hin zu einer neuen Weltklimaordnung, nicht mehr, aber auch nicht weniger“, sagt sie danach – um Schadensbegrenzung für ihre Regierung bemüht. Klare Reduktionsziele sind wieder einmal nicht vereinbart worden.

Hat die Kanzlerin kapituliert?

Möglicherweise hat Merkel kapituliert. Beim Weltklimagipfel sitzen zu viele ungleiche und unkalkulierbare Verhandlungspartner mit am Tisch, das birgt viele Risiken, am Ende als Verlierer vom Platz zu gehen. Während die aufstrebenden Schwellenländer der Welt ihr Wachstum nicht ausgebremst sehen wollen, drängen die Europäer auf härtere Standards für alle. Zuletzt hat die Europäische Union an Glaubwürdigkeit verloren, weil sie sich nicht einmal selbst ehrgeizige Klimaziele verordnet hat. Und sogar beim Musterknaben Deutschland steigen seit 2012 die CO2-Emissionen an. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace verkündete schon im vergangenen Jahr, dass sie Merkel den Beinamen Klima-Kanzlerin aberkennt.

Ihr persönlich hat das nicht geschadet. Die Euro-Krise sorgte dafür, dass der Klimawandel in der öffentlichen Wahrnehmung verblasste. Es galt, den Euro zu retten und andere akute Krisen zu bewältigen. Mit ihrem Rückzug von der Klimafront hat die Bundeskanzlerin aber die Chance verspielt, dass Deutschland an führender Stelle Verantwortung beim Klimaschutz übernimmt. Jetzt werden wohl andere die Entscheidungen treffen.