Sprechende Produkte und Regale: Die Einkaufswelt der Zukunft
Von unserer Redakteurin Nicole Mieding
Willkommen im Supermarkt der Zukunft. Die liegt lediglich 150 Kilometer von Koblenz entfernt, im saarländischen St. Wendel. Dort betreibt das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) sein „lebendes Labor“, genauer gesagt sein Innovative Retail Laboratory (IRL). Das anwendungsnahe Forschungslabor für den Einzelhandel ist in der Zentrale der Globus SB-Warenhaus Holding eingerichtet.
In Kooperation mit dem Handelskonzern entwickeln und testen die Wissenschaftler neue Formen der Interaktion mit dem Kunden. Die reichen von personalisierter Verkaufsberatung über sprechende Produkte bis zum intelligenten Einkaufswagen. „Unserer Meinung nach wird ein Supermarkt in zehn Jahren nicht mehr aussehen wie heute“, sagt Gerrit Kahl, Leiter des IRL. Viele Waren des wiederkehrenden, täglichen Gebrauchs wie etwa Drogerieartikel werden dann übers Internet gekauft, prophezeit er.
So lässt sich beim Onlinehändler Amazon schon jetzt ein Abonnement für Babywindeln abschließen. Macht sich ein Kunde selbst auf, sucht er beim Einkauf vermehrt das Erlebnis oder etwas Besonderes – Produkte, bei denen Sinneseindrücke wichtig sind, Parfüm beispielsweise oder auch frische Waren. Kahls These: Das Sortiment im Supermarkt wird sich radikal ändern. Für den Handel heißt das: Er muss dem Kunden künftig mehr Atmosphäre, soziale Kontakte, Genuss und sinnliche Erlebnisse bieten. „Der Spaß- und Erlebnisfaktor wird wichtiger. Kunden gehen nicht mehr einkaufen, weil sie müssen, sondern weil sie wollen“, bringt der Einkaufsforscher Gerrit Kahl den anstehenden Wandel auf den Punkt. Keine kleine Herausforderung für den Handel.
Der muss, wenn er fortbestehen will, nicht nur sein Sortiment, sondern auch seine Dienstleistung dem Kunden immer weiter anpassen. Im Zukunftssupermarkt vertreibt sich das Kleinkind etwa die Wartezeit mit einem altersgerechten Lernspiel, das das Display am Einkaufswagen ihm anbietet. Derweil richtet die junge Mutter entspannt ihr Handy auf eine Müslischachtel. Sekundenschnell erscheint eine Warnung auf dem Telefondisplay: „Kann Nüsse enthalten“ – also keine gute Idee für die Allergikerin, die ihren elektronischen Einkaufshelfer zuvor mit ihrem persönlichen Einkaufsprofil, ihren Vorlieben und Unverträglichkeiten, gefüttert hat.
Bleibt dennoch die Qual der Wahl zwischen zwei Alternativen. Die nimmt ihr diesmal das Supermarktregal ab: Während sie zwei Konkurrenzprodukte in den Händen wiegt, erscheinen auf einem Bildschirm neben dem Preisvergleich relevante Nährwertangaben wie Fett-, Zucker-, Kaloriengehalt. Der elektronische Shoppingassistent überrascht. Denn beim Vergleich zwischen Beeren- und Schokomüsli schneidet die Schokovariante als die gesündere ab. Den besseren Wert hebt der Assistent nach dem Prinzip der Nährwertampel grün hervor. Ausgelöst wird das System, sobald der Kunde ein Produkt, das mit RFID-Chip ausgestattet ist, aus dem Regal nimmt.
Dieselbe Technik erfasst auch die Zahl der Produkte im Regal, meldet dem Personal, wann nachzufüllen ist, überträgt Produktinformationen auf das digitale Preisschild und hakt den Posten auf der Einkaufsliste ab, sobald das Produkt im Einkaufswagen liegt. An der Kasse macht RFID sogar das Zücken der Geldbörse überflüssig: Der Wageninhalt wird mittels Funktechnik erfasst, auf dem Display am Einkaufswagen erscheint der Rechnungsbetrag. Der Kunde muss lediglich die Bezahlschranke an der Kasse passieren. Beim selbstständigen Check-out werden sämtliche Waren erfasst, bezahlt wird per Autoschlüssel oder über ein kleines Kästchen per Fingerabdruck. Ist der Bezahlvorgang vollzogen, öffnet sich das Ausgangstor, und die Stimme aus dem Lautsprecher schickt dem Kunden noch ein „Vielen Dank für Ihren Einkauf, bis zum nächsten Mal!“ hinterher.