Spähangriff auf Merkels Handy: Wer hört mit?

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Der Mann wirkt mit seinem feinen Lächeln und seinen höflichen Manieren nicht so, als könnte er der Supermacht USA einen Schrecken einjagen. Generalbundesanwalt Harald Range schiebt sich am Mittwoch um 9.10 Uhr zwischen Abgeordneten, Mitarbeitern und Journalisten in den Saal 2.600 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin.

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Drinnen, im Rechtsausschuss des Bundestags, gibt es zunächst noch 19 andere Tagesordnungspunkte zu verhandeln – doch dann holt Range zu einer Ankündigung aus, die bei den Amerikanern durchaus aufmerksam registriert werden dürfte.

Umfangreiche Vorerhebungen erbrachten laut Range ausreichende Anhaltspunkte, dass unbekannte Mitarbeiter US-amerikanischer Nachrichtendienste ein Mobiltelefon von Kanzlerin Angela Merkel ausgespäht haben. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Agententätigkeit sei eingeleitet, sagt er.

Grüne waren treibende Kraft

Vor allem die Grünen haben diesen Schritt Ranges unverhohlen eingefordert – weshalb sie von der Union zuerst im Ausschuss und dann vor den Türen heftig angegangen werden. „Es ist unstreitig, dass massiv Druck ausgeübt wurde“, schimpft der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg.

Ist oder war die Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden in Gefahr? Sensburg zweifelt trotz aller Empörung nicht daran, dass Range unabhängig entschieden hat. Über Wochen ging es in der Bundesanwaltschaft hin und her. In ausführlichen Vermerken hätten Mitarbeiter begründet, warum es keine Ermittlungen geben solle, heißt es in Medienberichten – bis die Kehrtwende gekommen sei.

Es geht schließlich nicht nur um ein mögliches Delikt einzelner übereifriger Zuträger der NSA – das abgehörte Kanzlerinnen-Handy ist ein Politikum ersten Ranges. Schon nach seinem Bekanntwerden erschütterte der Fall im Herbst das Vertrauen vieler Deutscher in die amerikanischen Freunde tief.

Genugtuung für Christian Ströbele

Die Opposition warf der Besitzerin des Mobiltelefons immer wieder vor, vor US-Präsident Barack Obama einzuknicken, statt auf Aufklärung und einen Stopp der Spionage zu drängen. Dass nun der Generalbundesanwalt ermittelt, ist für einen nimmermüden Merkel-Kritiker wie den Grünen Hans-Christian Ströbele eine sichtliche Genugtuung.

Doch was kann bei dem Verfahren herauskommen? Der Generalbundesanwalt hat zwar mehr Möglichkeiten als der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Er kann einen ganzen Ermittlungsapparat in Bewegung setzen, Dokumente umfangreicher prüfen, das Bundeskriminalamt und die Polizei ermitteln lassen – und letztlich Anklage erheben. Doch dass dann tatsächlich ehemalige NSA-Mitarbeiter in Deutschland vor Gericht stehen werden, hält man selbst in der Opposition für äußerst unwahrscheinlich.

Ströbele spricht deshalb auch lieber von Aufklärung statt von der Ahndung von Straftaten. „Ich hoffe, dass der NSA-Untersuchungsausschuss mit dem Generalbundesanwalt jetzt die Ermittlungen gemeinsam vorantreibt.“ Seite an Seite möge man – so lässt sich das verstehen – gegen alle Widerstände in den USA, aber auch innerhalb der Bundesregierung möglichst viel ans Licht bringen.

Keine Erkenntnisse zur Datenspionage

Doch Ermittlungen wegen der allgemeinen Datenspionage in Deutschland strengt Range zum Verdruss der Opposition gerade nicht an – vorerst zumindest. Die bisherigen Erhebungen hätten jedenfalls keine Erkenntnisse darüber erbracht, „ob und wie britische oder US-amerikanische Nachrichtendienste in Deutschland auf den Telekommunikations- oder Internetverkehr zugreifen oder gezielt bestimmte Personengruppen mit elektronischen Mitteln ausspähen“, argumentiert Range. Und die abstrakte Annahme, es gebe Cyberspionage, berechtige nicht zu Ermittlungen. „Bei dieser Sachlage ist die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gesetzlich nicht zulässig.“

Kommen noch Ermittlungen wegen massiver Datenspionage? Range hält sich das offen. Wenn ja, könnte es zu einem großen Verfahren gegen viele Unbekannte werden – eine überschaubare Karlsruher Behörde gegen krakenhafte Umtriebe von NSA und Co. Range sieht sein Haus jedenfalls gefordert, gegen Cyberspionage aufzurüsten und ein neues Referat einzurichten. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast, zitiert den Behördenleiter hinterher anerkennend mit den Worten: „Jetzt geht es darum, James Bond 2.0 zu ermitteln.“

Basil Wegener (dpa)