Washington

Papstbesuch: Franziskus fährt im Fiat 500 zum Präsidenten [mit Video]

Mehr Pracht und Feierlichkeit geht kaum. Mit einer mächtigen Inszenierung empfängt der US-Präsident seinen Gast. Der Garten vor dem Weißen Haus ist geschmückt und fahnengesäumt. Unter einem makellos blauen Himmel stehen Soldaten Spalier, eine Kapelle schmettert die Hymnen, ein Gospelchor gibt alles. Barack Obama trifft Papst Franziskus. Und der macht gleich klar, worum es ihm bei seinem ersten, historischen Besuch in den USA gehen wird.

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VIDEO: Pope Francis rides through Southeast D.C. in a Fiat alongside his motorcade. The group is headed to the Nunciature.Full #PopeinDC coverage here: http://wjla.com/features/pope-in-america

Posted by ABC 7 News – WJLA on Dienstag, 22. September 2015

Von Miriam Schmidt und Martin Bialecki

Papst spricht heikle Themen an

Das heiße Eisen Einwanderung, der Kampf gegen den Klimawandel und die Freiheit der Religionen, der Schutz von Ehe und Familie – all dies in einem „kritischen Moment in der Geschichte unserer Kultur“: Franziskus schlägt in seiner Begrüßung einen weiten Bogen durch die Themen der kommenden Tage. Er spricht Englisch, das wird er bei seinen verbleibenden 17 Predigten und Ansprachen bis Sonntag nur noch dreimal tun, denn der Argentinier bevorzugt sonst Spanisch.

Wie schon beim Empfang am Flughafen St. Andrews in der Nähe von Washington scheint die Stimmung bestens, freundlich, gelöst. Der Papst strahlt, Barack und Michelle Obama ebenso. Nur bei den militärischen Ehren und einer kleinen Parade rot berockter Soldaten in historischen Uniformen schaut Franziskus etwas verdrießlich.

Die Begrüßung ist herzlich, es gibt einen langen Handschlag. Nach der Zeremonie schlendern die beiden durch den Garten des Weißen Hauses ins Oval Office, ganz in ihr Gespräch vertieft. Anschließend nehmen beide in den hellbraunen Ledersesseln Platz. Nach wenigen Sekunden wird die Presse ausgesperrt, Obama und der Papst sprechen dann länger hinter verschlossenen Türen.

Papst fuhr im Fiat 500 – ein Zeichen der Bescheidenheit

Noch nie war der 78 Jahre alte Franziskus in den USA. Dieser Papst ist anders, und er legt Wert darauf. Er fährt im Fiat 500L vor, der eines der kleinsten Autos sein dürfte, das jemals in Washington Mittelpunkt einer Kolonne aus schwarzen SUV und blinkenden Motorrädern wurde. Hochgezogene Augenbrauen im Land der PS-Boliden.

Obama, der einer protestantischen Glaubensgemeinschaft angehört, und der Papst werden bei ihren Ansprachen immer wieder von Applaus unterbrochen. Die Menschen jubeln, zücken ihre Mobiltelefone und feiern den Gast mit Sprechchören. „We love you, pope Francis!“, ruft jemand zum Schluss – „Wir lieben dich, Papst Franziskus!“ 15 000 Karten gab es für diesen Morgen.

Die National Mall ist gesäumt von Zehntausenden. Shamena Nurse (34) ist mit Sohn Aiden hier, beide sind gar nicht katholisch, aber sie empfindet den Papst als etwas ganz Besonderes, definitiv spreche er die Menschen an. Als die Kolonne des Papstes vorbeifährt, kocht die Stimmung fast über. Franziskus segnet die Mengen, lässt anhalten, küsst ein Kind.

Ins Gespräch vertieft: Papst Franziskus und US-Präsident Barack Obama redeten bei ihrem Treffen auch über heikle Themen wie Klimaschutz oder Einwanderung.
Ins Gespräch vertieft: Papst Franziskus und US-Präsident Barack Obama redeten bei ihrem Treffen auch über heikle Themen wie Klimaschutz oder Einwanderung.
Foto: dpa

Der Papst und der Präsident: Beiden ist bei allem Dissens daran gelegen, ihre Übereinstimmungen zu betonen und den Konsens zu nutzen. Den Kampf gegen den Klimawandel bezeichnet Obama als heilige Pflicht, der Papst lobt Obama für seine Initiative. Das Klima: Es verbindet die beiden mächtigen Männer sehr.

Republikaner grummeln

Obama schätzt es, dass Franziskus sich in Probleme einmischt, deren Lösung sonst der Politik überlassen wird. Auch die Annäherung zwischen den USA und Kuba – bei der Franziskus wichtiger Vermittler war – hat beide enger zusammengebracht. Ohne Kuba wörtlich zu nennen, deutet der Papst genau das an, dankt Obama für die Bemühungen, „gebrochene Beziehungen in Ordnung zu bringen“. Auch die Flüchtlingskrise ist ein Thema, das den Papst bewegt und bei dem er auf Obamas Unterstützung hofft. Franziskus sagt, dass er ja der Sohn einer Einwandererfamilie ist und nun Gast ist in einem Land, das großteils von Einwanderern aufgebaut wurde.

Die US-Republikaner haben sich vor dem hohen Besuch etwas stachelig gezeigt. Sie wollen eigentlich, dass der Papst sich ganz aus der Politik heraushält. Sie erwarten unmissverständliche Äußerungen gegen Abtreibung und Homo-Ehe oder zum Thema Verhütung.

Kirche im Wandel

Der Papst trifft in den USA auf eine Kirche im Zeitenwandel. Nicht nur Zahlen und Entwicklungen hätten eigentlich einen Besuch in Kalifornien nahegelegt, auch die Heiligsprechung des Junípero Serras, der dort im 18. Jahrhundert missionierte. Die katholische Kirche, sie wird in Nordamerika immer südlicher. Franziskus, dem lateinamerikanischen Papst, ist diese Verschiebung der kirchlichen Machtachsen sehr bewusst.

An der Ostküste, an der sich Franziskus ausschließlich aufhalten wird, werden Gotteshäuser geschlossen und Pfarreien zusammengelegt. Ganz anders im Westen und im Südwesten, wo die meisten ordinierten Pfarrer lateinamerikanischer Abstammung sind. Im Jahr 2014 taufte die Erzdiözese Los Angeles 70.000 Kinder. Das ist die Summer aller Taufen der Großstädte Washington, Philadelphia, New York und Chicago.