Ökonomen fordern Abschaffung: Wird das Bargeld zum Auslaufmodell?

Die Deutschen lieben ihr Bargeld – umso absurder wirkt hierzulande der Vorschlag, Münzen und Scheine einfach abzuschaffen. Und doch wird die Idee von namhaften Ökonomen vertreten, natürlich zuvorderst von US-amerikanischen. Der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kenneth Rogoff, hat sich genauso als Feind der Barzahlung positioniert wie Ex-Finanzminister Larry Summers. Zuletzt hatte aber auch der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger den Vorschlag übernommen.

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Was soll die Abschaffung bringen?

Bargeld eignet sich (auch) hervorragend, um illegale Geschäfte abzuwickeln. Sei es nun, dass schwarz bezahlt wird oder größere Beträge am Fiskus vorbei ins Ausland gebracht werden. Oder dass Kriminelle ihr Geld waschen, das sie etwa im Drogenhandel verdient haben. Ohne Bargeld ist so etwas deutlich schwieriger.

Hat der Wirtschaftsweise Bofinger noch ein Argument?

Er verweist auf die technischen Möglichkeiten (siehe Text unten) und bezeichnet Bargeld vor diesem Hintergrund als anachronistisch. Die Zeit ist reif für eine Abschaffung, soll das wohl heißen.

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Nur Bares ist Wahres? – Wie wichtig ist Ihnen das Geld im Portemonnaie?

Bargeld ist leichter zu stehlen, Hauptwährung auf dem Schwarzmarkt und im Drogenhandel, erleichtert Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit – eigentlich spricht alles dagegen. Trotzdem wollen sich die meisten Deutschen nicht vom Geklimper und Geraschel in der Börse trennen. Sie auch nicht?

Ich brauche kaum Bargeld.
3%
20 Stimmen
Wenn man auch in der Eisdiele mit Karte bezahlen könnte...
2%
11 Stimmen
Ein Mix aus Bar- und Plastikgeld ist mir angenehm.
61%
354 Stimmen
Ich versuche, ganz ohne Karte auszukommen.
28%
164 Stimmen
Ich zahle NUR bar.
6%
34 Stimmen

Was steckt ökonomisch dahinter?

Hier wird es spannend, denn der Zusammenhang mit der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist unübersehbar. Sollte die EZB gezwungen sein, die Finanzmärkte mit noch mehr Geld zu fluten, muss sie irgendwann zu negativen Zinsen greifen. Die lassen sich aber nur über Konten, also Buchgeld, effektiv durchsetzen. Es würde automatisch ein bestimmter Betrag abgezogen, genau so wie im Normalfall regelmäßig Zinsen hinzukommen.

Was bedeutet das für den deutschen Sparer?

Sollten tatsächlich negative Zinsen kommen, würde der Sparer unmittelbar Geld verlieren – und nicht nur deshalb, weil die Inflation die Minizinsen übersteigt. Bisher gibt es eine Strategie, sich dagegen zu wehren: Geld abheben und bar unters Kopfkissen legen. Normalerweise absolut keine kluge Strategie, aber bei flächendeckend negativen Zinsen wäre das ein wirksamer Selbstschutz. Dieser würde mit einem Bargeldverbot wegfallen.

Wie würden die Sparer reagieren?

Sie würden das Geld, das auf den Konten liegt, verstärkt ausgeben – und damit den Konsum ankurbeln, was ja die Absicht der Notenbank ist. Das würde kurzfristig funktionieren, sagt Gerald Mann, Volkswirtschaftsprofessor an der FOM Hochschule in München. „Allerdings auf Kosten der Sparkultur, die auch eine wichtige ökonomische Funktion hat.“

Sind Negativzinsen wahrscheinlich?

Vereinzelt werden schon Negativzinsen fällig. Das betrifft aber nur sehr große Einlagen. In der Schweiz überlegen Großanleger wie Rentenkassen offenbar bereits, wegen des stark negativen Leitzinses größere Beträge in bar zu horten. Der deutsche Sparer sollte sich dadurch nicht verunsichern lassen. Allerdings sollte er derzeit ohnehin andere Anlageformen jenseits der „sicheren“ festverzinslichen suchen, die keinen Ertrag mehr bringen.

Und wie wahrscheinlich ist nun ein Bargeldverbot?

Wer ein wenig im Internet stöbert, stößt schnell auf regelrechte Verschwörungstheorien. Es existiert sogar eine Homepage mit diesem Titel. Und es findet sich an anderer Stelle die Behauptung, die EU-Kommission plane ein generelles Bargeldverbot ab 2018. Von offizieller Seite ist auf politischer Ebene nichts dazu zu hören.

Was sagen denn die Notenbanker, die Hüter des Bargelds, dazu?

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich klar gegen eine Abschaffung des Bargelds gestellt. Die Diskussion um Negativzinsen gehe am eigentlichen Problem vorbei. Um das Wirtschaftswachstum in kriselnden Ländern anzukurbeln, müssten diese stattdessen zu Strukturreformen greifen.

Gibt es bereits Bargeldverbote?

Zumindest ansatzweise. In Dänemark ist geplant, dass kleine Geschäfte und Cafés keine Scheine und Münzen mehr annehmen müssen. Das wird voraussichtlich ab dem kommenden Jahr so sein. In Italien sind Barzahlungen über 1000 Euro schon seit 2012 verboten. In Schweden wird nur noch sehr wenig bar bezahlt, dort laufen Kampagnen mit Sprüchen wie: „Bargeld braucht nur deine Oma – und der Bankräuber.“

Was halten die Deutschen von der Idee?

Ziemlich wenig. Drei von vier Bürgern (74 Prozent) sind dagegen, dass in Deutschland der Annahmezwang für Bargeld wegfällt. Das hat eine Umfrage der Meinungsforscher von YouGov ergeben. Ebenso viele sind der Ansicht, dass das Bezahlen mit Bargeld grundsätzlich sicherer ist als das mit der Karte.

Was sagen Kritiker?

Sie bemängeln vor allem, dass nicht nur Kriminelle, sondern jeder Bürger „gläsern“ würde. Selbst der Einkauf beim Bäcker ließe sich durch die Buchung auf einem Konto nachverfolgen. Die Freiheit des Einzelnen sei damit möglicherweise in Gefahr.

Wie viel Bargeld ist überhaupt noch im Umlauf?

Unglaublich viel – und es wird seit der Euro-Einführung immer mehr. Laut EZB waren es Ende 2013 rund 17 Milliarden Banknoten, mehr als doppelt so viele wie 2002. Im Dezember 2014 überschritt der Wert der Banknoten im Umlauf die Billionengrenze. Zudem sind weit mehr als 100 Milliarden Münzen im Umlauf.

hil/dpa/epd