Washington

Konservative Welle überrollt „lahme Ente“ Obama

Die Republikaner übernehmen auch die Macht im US-Senat. Das wird spätestens klar, als ein Abgeordneter namens Cory Gardner eine flaggengeschmückte Bühne in Denver betritt und stolz verkündet, dass er den großartigen Staat Colorado fortan als Junior-Senator in Washington vertritt.

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Die Demokraten müssen eine gallebittere Nacht durchleiden: Gardner (40), ein Republikaner, der unentwegt den zuletzt ziemlich lädierten amerikanischen Optimismus beschwört, wird Mark Udall ablösen. Einen Demokraten, der das neue Colorado zu verkörpern schien, Hightech am Fuße der Rocky Mountains, Marihuana-Freigabe, liberal in der Lebenskultur, tolerant gegenüber Einwanderern.

Politische Landkarte ist rot

In diesem Colorado hat Barack Obama zweimal in Folge das Präsidentschaftsvotum gewonnen. Dass nun selbst Udall den Kürzeren zieht, ist der letzte Beweis für die Wucht, mit der die konservative Welle in der Wahlnacht über die USA rollt, noch heftiger als erwartet. Die politische Landkarte hat sich rot gefärbt, am Morgen zeigt jeder Fernsehsender denselben Atlas: Von Arkansas bis Montana, von Colorado bis Georgia dominiert die Farbe der Republikaner. Das demokratische Blau behauptet sich nur noch dort, wo traditionell die Hochburgen der Partei Barack Obamas und Hillary Clintons liegen – an der Westküste, im Nordosten und vereinzelt im Mittleren Westen.

„Der Präsident hat Prügel bezogen“, bringt es Chris Christie auf einen burschikosen Nenner, der republikanische Gouverneur New Jerseys, der sich Chancen ausrechnet, Obama im Januar 2017 im Oval Office abzulösen. „Fakt ist, er muss sich jetzt zusammensetzen mit den Burschen von der anderen Seite und sagen: Okay, lasst uns sehen, worauf wir uns einigen können.“ John Boehner, der führende Konservative im Abgeordnetenhaus, fordert Obama voller Angriffslust auf, er möge alsbald all die Gerüchte widerlegen, wonach er einen „Gegenangriff gegen die neue Mehrheit“ zu führen gedenke.

Rückkehr zur konservativen Normalität

Dass die Republikaner den Demokraten den Senatssitz in Arkansas abnehmen, ist keine Überraschung, eher die Rückkehr zur politischen Normalität. Auch in Montana, South Dakota und West Virginia, wo altgediente Veteranen ausschieden, hatten alle mit Siegen der Konservativen gerechnet. Doch Iowa, seit 2008 „Obama-Country“, geht ebenso an die Roten wie Colorado. In Kansas und Georgia, wo die Blauen auf einen Wechsel hofften, behaupten sich die Roten. In Virginia, dort war der Demokrat Mark Warner als klarer Favorit angetreten, wird das Rennen überraschend zur Zitterpartie.

Ergebnisse der Wahl vom 4. November 2014 in den Bundesstaaten. (Stand 5. November, 18 Uhr)
Ergebnisse der Wahl vom 4. November 2014 in den Bundesstaaten. (Stand 5. November, 18 Uhr)
Foto: dpa

Eine Nacht für Historiker

Unterm Strich gewinnen die Republikaner sieben Senatsmandate dazu. Ist Alaska erst ausgezählt, ist im Dezember die fällige Stichwahl in Louisiana über die Bühne gegangen, könnten es sogar neun werden, was eine Mehrheit von 54 der 100 Sitze ergäbe. Im Repräsentantenhaus steuern die Roten ihr bestes Ergebnis seit 1928 an. Bei den Gouverneurswahlen, zu besetzen waren 36 Ämter, dröhnt einer der lautesten Paukenschläge überhaupt. Ausgerechnet in Maryland, im Stammrevier der Demokraten, feiern die Republikaner einen sensationellen Erfolg. Es ist eine Nacht für die Historiker.

Am Tag danach diskutiert das Land über die Frage, was eine „lahme Ente“, zu der Obama degradiert worden ist, in den verbleibenden zwei Jahren noch stemmen kann. Der Mann brenne vor Ehrgeiz, er werde versuchen, seinen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern, indem er „ein paar Sachen“ erledige, richtet sein Ex-Sprecher Jay Carney den Blick nach vorn. Für morgen hat der Präsident ein Treffen mit den Kongress-Spitzen anberaumt; es soll ein erstes Signal sein, dass er sie verstanden hat, die Botschaft der Wähler. Weitere Schritte könnten folgen, vielleicht eine Kabinettsrochade. Als George W. Bush 2006 bei den Halbzeitwahlen abgestraft wurde, schickte er Donald Rumsfeld in die Wüste, den Verteidigungsminister, der mit seiner arroganten Besserwisserei das Fiasko des Irakkrieges symbolisierte. Es sollte ein Befreiungsschlag sein, eine Geste, wie Obama sie ähnlich planen dürfte.