Rheinland-Pfalz

Insolvenzverwalter: Vertrauen zu Wild eingebüßt

Schussfahrt ins Ungewisse: Die Insolvenzverwalter Thomas Schmidt (links) und Jens Lieser haben sich ihren Job am Nürburgring sicher anders vorgestellt. Sie hoffen auf die Erfüllung des Kaufvertrags.
Schussfahrt ins Ungewisse: Die Insolvenzverwalter Thomas Schmidt (links) und Jens Lieser haben sich ihren Job am Nürburgring sicher anders vorgestellt. Sie hoffen auf die Erfüllung des Kaufvertrags. Foto: dpa

Die Insolvenzverwalter Jens Lieser und Thomas Schmidt glauben weiter an den Kaufvertrag und halten eine Stilllegung des Nürburgrings für abwegig. Sie rechnen damit, dass alle Kaufraten rechtzeitig gezahlt werden. Das erklärten sie gegenüber unserer Zeitung. Zu Capricorn-Chef Robertino Wild meinten sie unterkühlt: „Wir haben ein professionelles Verhältnis zu Herrn Wild.“

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Hier das komplette Interview:

Mal ohne Juristerei und Rückzug aufs Formale: Wie ernst ist die Lage am Nürburgring derzeit?

Schmidt: Die Lage am Nürburgring ist entgegen aller Schwarzmalerei stabil. Das operative Geschäft läuft und hat sich in diesem Jahr gut entwickelt. Die Restrukturierungsmaßnahmen mit dem neuen Geschäftsführer Carsten Schumacher greifen. Die Spekulationen um Herrn Dr. Wild und seine Capricorn-Unternehmensgruppe nehmen wir zur Kenntnis. Diese beeinträchtigen aber nicht das Geschäft am Nürburgring. Wir gehen unverändert davon aus, dass der im März 2014 abgeschlossene Kaufvertrag erfüllt und umgesetzt wird. Ein Rücktritt vom Vertrag steht nicht zur Debatte.

Sie haben uns allen Robertino Wild als Hoffnungsträger für den Nürburgring präsentiert. Wie viel hat er bislang für die Rennstrecke gezahlt?

Lieser: Wir haben mit der CNBG eine Käuferin nach einem EU-konform durchgeführten Investorenprozess präsentiert. Das wurde uns vor Kurzem von der Europäischen Kommission bestätigt. Robertino Wild hat ein Konzept für den Nürburgring vorgelegt, das von der Region und dem gesamten Umfeld die größte Zustimmung erfahren hat. Dadurch wurde er für viele zum Hoffnungsträger. Herr Robertino Wild und sein Mitgesellschafter haben die bislang fällige Kaufpreisrate bedient.

Unter einem Investor haben sich Land, Region und Öffentlichkeit etwas anderes vorgestellt...

Schmidt: Wir sollten den Tatsachen ins Auge sehen. Bei Insolvenzanmeldung war bereits bei der Europäischen Kommission ein Prüfverfahren wegen illegaler Beihilfen des Landes an den Nürburgring in Millionenhöhe anhängig. Vor diesem Hintergrund mussten wir einen EU-konformen Verkaufsprozess durchführen. Im Ergebnis haben wir an den besten Bieter verkauft. Die Europäische Kommission hat diese Entscheidung bestätigt.

Unsere Recherchen haben aufgedeckt, dass Wild nach einer unglaublichen Serie von Pleiten, Pech und Pannen der nächste Problemfall am Nürburgring ist. Innerhalb weniger Monate vom Hoffnungsträger zur Krisenfigur. Das klingt nach einer dicken Blamage für die Insolvenzverwalter. Wie konnte es dazu kommen?

Lieser: Die Historie des Nürburgrings ist bekannt. Aber halten wir fest: Wir haben am Nürburgring in den vergangenen beiden Jahren nach Insolvenzanmeldung viel erreicht. Der Pachtvertrag mit der NAG wurde beendet. Das operative Geschäft ist stabil, und alle wichtigen Veranstaltungen inklusive der Formel 1 konnten gehalten werden. Wir haben die Geschäftsführung der NBG mit Carsten Schumacher erweitert. Er wird den Restrukturierungsprozess erfolgreich weiter umsetzen. Nach unseren Feststellungen war die Käuferin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der Lage, die vertraglich vereinbarten Kaufpreisraten zu erbringen.

Wer privat ein Häuschen bauen oder für sein Unternehmen eine neue Maschine kaufen will, wird von seiner Bank gründlichst durchleuchtet. Wer eine weltbekannte Rennstrecke kaufen möchte, hat es offenbar leichter. Wie haben Sie nach Wilds Kaufangebot dessen Liquidität und Solidität überprüft?

Schmidt: Wie gesagt, nach unseren Feststellungen war die Käuferin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der Lage, die vertraglich vereinbarten Kaufpreisraten zu erbringen. Hierzu haben uns die Gesellschafter der Käuferin Sicherheiten eingeräumt, eine persönliche Bürgschaft gestellt und für die Finanzierung der Kaufpreisrate, die erst nach Bestandskraft des EU-Bescheids zu zahlen ist, eine bankübliche Finanzierungszusage einer namhaften Großbank vorgelegt.

Wenn Sie anfangs so von Robertino Wild überzeugt waren: Ab wann wurden Sie misstrauisch, was ist geschehen?

Lieser: Unser Vertrauensverhältnis wurde beeinträchtigt, als wir nach der Entscheidung der Europäischen Kommission Anfang Oktober über einen Dritten erfahren haben, dass Herr Dr. Wild die Kunstsammlung doppelt verpfändet hatte. Das hat uns sichtlich irritiert. Inzwischen hat Herr Wild eingesehen und auch zugestanden, dass er hier einen Fehler begangen hat. Im Übrigen waren wir von Herrn Dr. Wild nicht mehr oder weniger überzeugt als von den anderen Bietern.

Die erste Kaufrate von 5 Millionen hat Mitkäufer Axel Heinemann bezahlt, Robertino Wild blieb die am 31. Juli fällige zweite Kaufrate schuldig. Wie sehr sind sie damals davon überrascht worden?

Schmidt: Wir gingen von der Zahlung der zweiten Kaufpreisrate aus.

Die Fälligkeit dieser 5-Millionen-Rate vom Juli wurde von Ihnen auf Ende Oktober verlängert. Warum sind Sie Wild so weit entgegengekommen?

Lieser: Bei Vertragsabschluss im März 2014 sind die Parteien davon ausgegangen, dass die zweite Kaufpreisrate erst nach der seinerzeit spätestens für den Sommer erwarteten positiven Entscheidung der Europäischen Kommission fließen würde. Bekanntlich wurde die Entscheidung der Kommission mehrfach vertagt und ist dann erst Anfang Oktober erfolgt. Vor diesem Hintergrund entsprach es unserem gemeinsamen Verständnis, dass die zweite Kaufpreisrate auch erst nach der positiven Entscheidung der Kommission erfolgen wird. Daher haben wir uns im Sommer darauf verständigt, dass die zweite Kaufpreisrate erst zeitlich später zu zahlen ist und darüber eine entsprechende Vereinbarung geschlossen. Dennoch hätten wir uns gewünscht, die Rate wäre bis Ende Juli geflossen.

Welche Sicherheiten haben Sie Wild dafür abverlangt?

Schmidt: Das sind Vertragsinterna, die der Vertraulichkeit unterliegen. Hierzu äußern wir uns nicht.

Wirklich gedankt hat Wild Ihnen den zeitlichen Aufschub nicht. Stattdessen hat er Ihnen verschwiegen, dass er Sicherheiten mehrfach belastet hat. Was wurde Ihnen davon wann bekannt?

Lieser: Nach der Entscheidung der Europäischen Kommission Anfang Oktober wurde uns durch einen Dritten bekannt gemacht, dass Herr Dr. Wild die Kunstsammlung doppelt verpfändet hatte.

Wenn Wild seine Villa am Rhein gleich mehrfach beliehen hat, muss das doch im Grundbuch erkennbar sein. Wie konnte es geschehen, dass Ihnen das verborgen geblieben ist?

Schmidt: Unmittelbar vor Vertragsabschluss war lediglich bekannt, dass eine vorrangige Grundschuld auf der Villa von Herrn Wild eingetragen war. In der kurzen Zeit bis vor Vertragsabschluss wurde aber eine weitere Grundschuld eingetragen, sodass unsere Grundschuld statt auf den zweiten Rang auf den dritten Rang eingetragen wurde. Dies war für uns nicht absehbar. Gleichwohl bot auch der dritte Rang genügend Sicherheiten. Dieser Vorgang hätte für uns allerdings keine Relevanz für die Kaufentscheidung gehabt.

Welches Vertrauen haben Sie noch zu Robertino Wild?

Lieser: Wir haben ein professionelles Verhältnis zu Herrn Wild.

Fühlen Sie sich von Wild gelinkt?

Schmidt: Siehe Antwort auf die vorangegangene Frage.

Die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner bezeichnet Wild mittlerweile als „Hochstapler“…

Lieser: Die Bewertungen von Frau Klöckner haben wir nicht zu kommentieren.

Was gibt Ihnen und uns eigentlich die Sicherheit, dass der verbliebene Gesellschafter der Ring-Käufer, Axel Heinemann, verlässlicher als Wild ist?

Schmidt: Die GetSpeed GmbH & Co. KG hat sich bislang vertragstreu verhalten.

Angesichts drohender Klagen anderer Kaufinteressenten wird die Unsicherheit über die Wirksamkeit des Ring-Verkaufs andauern. Vor diesem Hintergrund schien eine vorübergehende Verpachtung des Rings eine hilfreiche Überbrückungslösung zu sein. Wenn Wild bei den Ring-Käufern aussteigen muss: Muss dann nicht auch die Verpachtung neu ausgeschrieben werden?

Lieser: Nein. Es gibt einen abgeschlossenen Kaufvertrag mit der CNBG, der auch eine Pachtlösung vorsieht. Daran würde auch ein Wechsel auf der Gesellschafterebene der Käuferin nichts ändern.

Bis Ende Oktober sind es nur noch wenige Tage. Wie realistisch ist es, dass sich ein Investor in so kurzer Zeit in die ausgesprochen komplexe Materie einarbeitet?

Schmidt: Es kommt nicht darauf an, dass sich ein Investor in einem bestimmten Zeitfenster einarbeiten wird, weil davon nicht der Erhalt des Nürburgrings, die Durchführung der Veranstaltungen und die Umsetzung des Kaufvertrages abhängig sind.

Der bisherige Käufer wurde in einem komplexen, von der EU überwachten Verkaufsprozess gefunden. Ist es legitim, dass ein neuer Ring-Käufer nun quasi durch die Seitentür einsteigt?

Lieser: Für den Fall, dass ein Investor in die Käufergesellschaft CNBG einsteigen sollte, gibt es keinen neuen Käufer, sondern nur einen neuen Gesellschafter. Grundsätzlich ist es einem Käufer nicht verwehrt, neue Gesellschafter in seine Gesellschaft aufzunehmen oder vorhandene Gesellschafter gegen neue Gesellschafter auszutauschen.

Sieht der Kaufvertrag überhaupt Regelungen für einen Kontrollwechsel auf Gesellschafterebene vor?

Schmidt: Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu vertraglichen Regelungen aus Gründen der Vertraulichkeit keine Stellungnahme abgeben.

Ein neuer Mehrheitsgesellschafter müsste auch den ursprünglichen 45-Millionen-Kredit neu finanzieren. Ist das in der Kürze der Zeit überhaupt möglich?

Lieser: Ja. Es gibt entsprechende Finanzierungsangebote.

Der Öffentlichkeit wurde ein offenes und transparentes Verfahren zugesagt. Davon ist wenig zu spüren. Wäre da die Neuauflage des Kaufprozesses nicht die sauberere Lösung?

Schmidt: Diese Frage stellt sich nicht. Das Gebot der Transparenz bezieht sich im Rahmen des EU-konformen Verkaufsprozesses ausschließlich auf das Verhältnis der Bieter zu den Verkäufern. Transparenz in diesem Sinne meint gerade nicht die Herstellung der Öffentlichkeit, dass alle Interna in den Medien diskutiert werden. Tatsache ist: Die EU-Kommission hat bestätigt, dass das Bieterverfahren EU-konform durchgeführt worden ist.

Sollte der Verkaufsprozess scheitern, muss der Ring neu ausgeschrieben und innerhalb von vier Monaten verkauft werden. Das bevorteilt doch faktisch die bisherigen Kaufinteressenten H.I.G. und Nexovation, die den Ring bereits intensiv geprüft und durchgerechnet haben. Die „Heuschrecken“, die Sie nicht wollten, stehen also schon wieder auf der Matte?

Lieser: Wir haben keine Veranlassung, über ein Scheitern des Verkaufsprozesses zu spekulieren.

Wann würden Sie den Nürburgring stilllegen müssen?

Schmidt: Diese Frage stellt sich nicht. Denn wir gehen unverändert davon aus, dass der im März 2014 abgeschlossene Kaufvertrag erfüllt und umgesetzt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Stilllegung des Nürburgrings kommt, ist so hoch, als würde ein Jumbo-Jet auf die Nordschleife stürzen.

Bei einer Stilllegung verschwinden die Rennstrecken und die anderen Immobilien ja nicht. Ihr Wert würde sinken. Clevere Investoren müssen also nur warten und bekommen den Ring dann noch billiger?

Lieser: Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen. Wir gehen unverändert davon aus, dass der im März 2014 abgeschlossene Kaufvertrag erfüllt und umgesetzt wird.

Ist noch irgendjemand Herr des Verfahrens am Nürburgring – oder erweist sich die Rennstrecke samt Umfeld als ein Chaos von unterschiedlichsten Interessen und Machtkämpfen, das von keinem mehr beherrschbar ist?

Schmidt: Wir führen das Insolvenzverfahren. Bekanntermaßen gibt es aber beim Thema Nürburgring eine Vielzahl von Partikularinteressen. Diese haben uns vom ersten Tag an begleitet. Es gibt immer wieder Menschen und Interessengruppen, die den Nürburgring in ein schlechtes Licht stellen und ihn für ihre Zwecke missbrauchen. Allen Versuchen zum Trotz, und das ist die gute Nachricht: Der Nürburgring hat sich wirtschaftlich erfreulich entwickelt. Das Geschäft ist stabil.

Angesichts des Fiaskos mit Robertino Wild: Bleiben Sie Insolvenzverwalter am Nürburgring oder geben Sie dieses Mandat zurück?

Lieser: Von einem Fiasko kann überhaupt keine Rede sein! Diese Unterstellung weisen wir entschieden zurück! Tatsache ist: Wir haben objektive Erfolge vorzuweisen. Ein Staatsbetrieb ist in ein profitables Unternehmen umgewandelt worden. Wir haben ein klares und eindeutiges Mandat, und das werden wir konsequent und selbstverständlich verantwortungsvoll erfüllen.

Das Gespräch führten Chefredakteur Christian Lindner und Landeskorrespondent Dietmar Brück