Gesundheit: Kassenbeitrag bleibt noch stabil

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Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will die Krankenversicherung „auf eine solide finanzielle Grundlage stellen“. Doch statt den Kostenanstieg im Gesundheitswesen weiter zu bremsen, sollen es variable Zusatzbeiträge der Kassen richten. Deshalb haben 50 Millionen Beitragszahler meist noch im alten Jahr Post von ihrer gesetzlichen Krankenversicherung bekommen. Darin wurde ihnen der neue Beitragssatz für 2015 mitgeteilt.

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Wir nennen die wichtigsten Folgen der Gesundheitsreform:

Was ändert sich 2015?

Zum 1. Januar sinkt der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von 15,5 auf dann 14,6 Prozent, der wie bisher zur Hälfte vom Arbeitgeber aufgebracht wird. Es entfällt der bislang schon von den Kassenmitgliedern finanzierte feste Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten. Dafür kann nun jede der rund 130 Krankenkassen selbst – je nach Finanzlage – einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern erheben.

Wie stark werden die gesetzlich Versicherten belastet?

Die gute Nachricht ist: Im ersten Jahr der Neuregelung bleiben die Beiträge weitgehend stabil. Die Großen der Branche liegen weiterhin bei maximal 15,5 Prozent oder leicht darunter. Es gibt kaum Ausreißer nach oben oder auch unten. Die bundesweit arbeitenden Kassen erheben laut Bundesversicherungsamt im Durchschnitt Zusatzbeiträge von 0,8 Prozent – das entspricht einem Beitragssatz von dann 15,4 Prozent. Laut Bundesgesundheitsministerium wollen bislang nur zwei Kassen – die BKK Euregio und die BKK Metzinger mit zusammen gut 23 000 Versicherten – den Minimalsatz von 14,6 Prozent, also keinen Zusatzbeitrag erheben. Rund die Hälfte der Krankenkassen senkt demnach den Beitrag. Davon profitieren rund 20 Millionen Versicherte.

Warum fallen die Unterschiede zwischen den Kassen so gering aus?

Die gesetzlichen Krankenversicherungen haben sehr darauf geachtet, im vorgegebenen Rahmen zu bleiben. Einige gehen dafür jetzt schon an die Reserven. Denn Versicherte bekommen mit der Neuregelung ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Kasse erstmals einen Zusatzbeitrag erhebt oder diesen erhöht. Und Mitglieder verlieren will keine Kasse. Gröhe erhofft sich auf diesem Wege mehr Wettbewerb unter den Kassen.

Was heißt Sonderkündigungsrecht?

Dieses Recht gilt, wenn ein Zusatzbeitrag erstmalig festgelegt oder künftig – auch während des laufenden Jahres – erhöht wird. Die Krankenkasse muss ihre Versicherten schriftlich auf den vom Ministerium ermittelten durchschnittlichen Zusatzbeitrag hinweisen, der derzeit bei 0,9 Prozent liegt, sowie auf die Höhe des eigenen Zusatzbeitrages. Zudem müssen die Kassen auf die Beitragsliste des Kassenspitzenverbandes hinweisen. Wenn der Zusatzbeitrag einer Kasse über dem Wert des Jahresdurchschnitts liegt, muss diese in ihrem Anschreiben an die Versicherten explizit darauf hinweisen, dass es günstigere Angebote gibt. Das muss sie bis Ende des Monats tun, der dem Monat der Einführung des (neuen) Zusatzbeitrags vorangeht.

Wie kündige ich die Kasse?

Für eine Sonderkündigung haben Versicherte nur ein kurzes Zeitfenster. Es beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem sie über den Zusatzbeitrag informiert werden. Im Brief wird das Datum genannt, an dem der Zusatzbeitrag erstmals bezahlt werden muss. Spätestens bis zum Ablauf des Monats, in dem die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag zum ersten Mal erhebt oder ihn erhöht, muss man die Kündigung einreichen. Aktuell läuft diese Frist also meist bis zum 31. Januar 2015. Während der laufenden Kündigung müssen Versicherte den Zusatzbeitrag weiter an ihre alte Kasse zahlen. Erst mit Ablauf des übernächsten Kalendermonats, also im aktuellen Fall am 31. März 2015, wird die Kündigung wirksam. Danach kann man dann in eine günstigere Kasse wechseln.

Sollte man jetzt sofort zu einer neuen Kasse wechseln?

Das Bundesversicherungsamt warnt: „Keine Panik.“ Es sei zwar richtig, über den Wettbewerb Anreize zu schaffen, dass die Kassen ihre Verwaltungskosten niedrig halten. Die Versicherten sollten sich aber genau das Preis-Leistungs-Verhältnis, also auch Service und Zusatzleistungen ihrer Kasse, anschauen, bevor sie wechseln. „Wer mit seiner Krankenkasse zufrieden ist, sollte nicht wegen geringfügiger Beitragssatzunterschiede wechseln“, sagt der Chef des Bundesversicherungsamtes, Maximilian Gaßner.

Wie wird sich der Beitragssatz künftig entwickeln?

Dass das Verhältnis zwischen Preis und Leistung in den Folgejahren zu halten ist, wird inzwischen allgemein bezweifelt. Gaßner rechnet ab 2016 mit einem Anstieg der Beiträge. Dann seien die Reserveüberschüsse vieler Kassen aufgebraucht. Denn die Kosten im Gesundheitssystem steigen weiter – und selbst Milliardenrücklagen sind irgendwann aufgebraucht. Mit dieser Angst im Nacken „wird den Kassen ziemlich bald die Puste ausgehen“, ist der Linken-Gesundheitspolitiker Harald Weinberg überzeugt. Geht einer Kasse aber tatsächlich das Geld aus, müssen die anderen einspringen bis hin zu weiteren Fusionen.

Und was sagen die Kassen selbst?

Die Chefin des Kassenspitzenverbandes, Doris Pfeiffer, rechnet auch mit steigenden Beiträgen. Sie geht sogar davon aus, dass die Zusatzbeiträge Ende 2016 im Durchschnitt bereits mehr als 1 Prozent betragen werden. Für einen Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen von 3000 Euro seien das 30 Euro. 2017 werde der Beitrag noch teurer werden. Gegenwärtig zahlt ein Versicherter mit einem Einkommen von 3000 Euro 27 Euro mehr an die Krankenkasse als sein Arbeitgeber.

Wie wird die Politik reagieren?

Der Chef der größten Krankenkasse, der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, geht nicht davon aus, dass die Politik den Wähler mit Kürzungen bei Leistungsausgaben vergrätzt. Sie könnte vielmehr auf den Gedanken kommen, einen weiteren Beitraganstieg mit Geld aus den derzeit 13 Milliarden Euro umfassenden Reserven des Gesundheitsfonds zu verhindern. Doch dies löst nicht das Problem massiver Kostensteigerungen im Gesundheitswesen. Allein 2015 und 2016 kommen mit Krankenhausreform, Versorgungsstärkungs- und Präventionsgesetz milliardenschwere Reformen auf die Kassen zu. Bis 2017 dürfte dann bei den 50 Millionen Beitragszahlern angekommen sein, dass durch Gröhes Gesundheitsreform diese Kostensteigerungen vor allen Dingen bei ihnen abgeladen werden. Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) meint, dass angesichts der Kassenlage eine Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes von 14,6 Prozent kein Tabu mehr sein darf. ck/dpa

Übersichten über die aktuellen Zusatzbeiträge finden Sie unter www.gkv-zusatzbeitraege.de und bei www.krankenkassen.de