Gauck: Zur Not zu den Waffen greifen

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Joachim Gaucks Erinnerungsreise im 25. Jahr der friedlichen Revolution steht unter keinem guten Stern. Beim Auftakt im Frühjahr in Warschau stahlen ihm US-Präsident Obama und die Ukraine-Krise die Schau.

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Von Rena Lehmann

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr
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Jetzt wird die große Gedenkfeier an 1989 in Ungarn von einer Debatte über seine Forderung nach mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt zugedeckt. „Der Einsatz militärischer Waffen ist nicht von vornherein zu verwerfen“, hat der deutsche Bundespräsident gesagt. Nun wirkt er überrascht angesichts der Wucht der Debatte, die er damit ausgelöst hat. Manchen betont der Bundespräsident die Option des Militärischen schon zu häufig.

Die Sätze des Interviews, die er am Wochenende am Rande seiner mehrtägigen Norwegen-Reise zu Protokoll gab, hat er so ähnlich schon einmal formuliert. Erst im Januar hatte Gauck aus Anlass der Münchener Sicherheitskonferenz ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands angemahnt. Das Thema kann für einen deutschen Präsidenten heikel werden. Gaucks Vorvorgänger im Amt, Horst Köhler, war in der Folge eines Interviews zurückgetreten, in dem er die militärische Verteidigung von Handelswegen als legitimes Mittel der Politik dargestellt hatte.

Jetzt hatte der norwegische Ministerpräsident gefordert, Deutschland müsste sein „Verhältnis zur Welt normalisieren“. Gauck sagte in dem Interview, er habe „das Gefühl, dass unser Land eine Zurückhaltung, die in vergangenen Jahrzehnten geboten war, vielleicht ablegen sollte zugunsten einer größeren Wahrnehmung von Verantwortung“. Dabei geht es ihm nicht um ein neuerliches „Dominanzgebaren“ Deutschlands in der Welt. Es müsste sich im Verbund mit anderen an Konfliktlösungen beteiligen. Deutschland sei heute eine „verlässliche Demokratie und ein Rechtsstaat“. Es kämpfe „für Menschenrechte“. Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen", sagte Präsident Gauck.

Der Bundespräsident sieht sich mit seinem Kurs auf der Linie der schwarz-roten Bundesregierung. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, die bisherige Außenpolitik auf den Prüfstand zu stellen. Die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber deutschen Beteiligungen an Auslandseinsätzen ist nach wie vor groß. Auch deshalb wählt die Politik ihre Worte mit Bedacht und bleibt gern im Ungefähren, wenn es darum geht, genau zu sagen, was mit mehr Verantwortung gemeint ist. Gauck fordert sie behutsam, aber beharrlich.

Natürlich ist es kein Zufall, dass er sich innerhalb eines halben Jahres zweimal in dieser Weise äußert. Er, der frühere DDR-Bürger und spätere Stasiunterlagen-Behördenleiter, betont zwar, dass ein militärisches Eingreifen immer nur letztes Mittel sein dürfe. Ihn treibt aber ein Unbehagen, Deutschland könnte es sich zu einfach machen, wenn es sich reflexhaft aus Konflikten heraushält. Gauck, für den Freiheit nie selbstverständlich geworden ist, fürchtet, Deutschland könnte es sich in seiner distanzierten Zurückhaltung gemütlich machen. Er fürchtet, die eigene Geschichte würde als Rechtfertigung für ein ewiges Raushalten in der Gegenwart missbraucht.

Für ihn ist die Verteidigung der Menschenrechte auch mit Waffengewalt kein Tabu, sondern im Notfall eine Pflicht. Gauck kann deshalb nichts Dramatisches in seinen Worten finden, im Gegenteil. Es ist davon auszugehen, dass er eine stärkere Rolle Deutschlands noch häufiger anmahnen wird.