Freie Fahrt für die EZB-Rettungsmission

Die höchsten deutschen Richter hatten sich bereits gegen die Frankfurter Euro-Banker in Stellung gebracht. Bis gestern schien klar, dass das Bundesverfassungsgericht das Staatsanleihen-Aufkauf-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) demnächst in der Luft zerreißen würde. Doch nun muss man nacharbeiten.

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Denn anders als die Hüter des deutschen Grundgesetzes urteilten die Juristen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg am Dienstag: Die Zusage von EZB-Präsident Mario Draghi vom September 2012, Papiere überschuldeter Staaten „unbegrenzt“ zurückzukaufen, war in Ordnung. „Der Auftrag der EZB wurde nicht überschritten.“

In Karlsruhe klang das im Februar 2014 zunächst noch ganz anders. Damals orakelten die Richter, dass das sogenannte OMT-Programm (Outright Monetary Transactions, geldpolitische Outright-Geschäfte) zu „einer erheblichen Umverteilung von Geldern zwischen den Mitgliedstaaten“ führt. Deshalb bestehe die Gefahr eines „Finanzausgleichs“, der in den europäischen Verträgen nicht vorgesehen ist. Außerdem sei das Instrument der EZB eine „eigenständige und wirtschaftspolitische“ Maßnahme der Banker, die ein Überschreiten des bisherigen EZB-Mandates darstelle.

Nichts davon ließen die Luxemburger Kollegen gelten. Tatsächlich hatte Draghi nämlich keineswegs einen Freibrief für billiges Geld ausgestellt, sondern die Latte sogar ziemlich hoch gelegt. Denn bevor sein Haus kaufen werde, so hieß es in den Bedingungen des OMT-Programms, müsse das entsprechende Land die harten Kriterien des Rettungsschirms erfüllen und sich den Reformauflagen der Geldgeber unterwerfen. Letztlich hätten sogar die Euro-Finanzminister mit ihrer Entscheidung ein Eingreifen der EZB bremsen oder auslösen können.

Dazu kam es nicht: Die Ankündigung der EZB reichte, um die Spekulanten wieder zur Ordnung zu rufen, die Strafzinsen für überschuldete Regierungen fielen spürbar, die Länder konnten sich wieder selbst Geld am Kapitalmarkt beschaffen. Damit, so der EuGH, habe die EZB genau das getan, was ihre Aufgabe sei – nämlich für „geldpolitische Stabilität“ zu sorgen. Dass dieser Schritt auch wirtschaftspolitische Auswirkungen habe, sei nicht nur richtig, sondern beabsichtigt. Allerdings sei dies etwas anderes, als sich aktiv an der Gestaltung der Wirtschaftspolitik zu beteiligen. Damit war auch dieser Vorwurf vom Tisch.

Die Reaktionen fielen dennoch verhalten aus. Alexander Graf Lambsdorff, Chef der liberalen Abgeordneten im Europäischen Parlament, sprach von einer Entscheidung, „die zu erwarten war“. Dennoch müsse „der Ankauf von Staatsanleihen eine Ausnahme bleiben“. Ein dauerhaftes Eingreifen der EZB „sendet die falschen Signale an die Krisenländer“.

Udo Bullmann, Finanzexperte und Vorsitzender der deutschen SPD-Abgeordneten in der EU-Volksvertretung, sprach von „einem wichtigen Schritt gegen die Finanzspekulation“. Der CDU-Europa-Politiker Burkhard Balz, ein ehemaliger Banker, geht davon aus, „dass sich die Richter am Bundesverfassungsgericht den Erwägungen der Luxemburger Kollegen anschließen“. Immerhin hatte man sich in Karlsruhe nach den ersten Prüfungen, ob das OMT-Programm mit dem Grundgesetz vereinbar ist, für eine Überweisung nach Luxemburg und eine europarechtliche Prüfung ausgesprochen.

Wie der Urteilsspruch aus Karlsruhe im nächsten Jahr ausfallen wird, ist nun völlig offen. Im denkbar schlechtesten Fall werden die Richter feststellen, dass die deutsche Verfassung nicht gestattet, was nach dem EU-Recht in Ordnung ist (Aktenzeichen: EuGH C-62/14).

Detlef Drewes