Trier

Fall Tanja Gräff macht viele fassungslos

Warum starb Tanja Gräff vor acht Jahren?  Foto: dpa
Warum starb Tanja Gräff vor acht Jahren? Foto: dpa

Sie habe die ganze Nacht nicht schlafen können, sagt die Frau. Sie wohnt in einem Mehrfamilienhaus am Ende des Trierer Stadtteils Pallien. Dahinter wurden am Montagmorgen auf einem bis dahin kaum zugänglichen Flecken unterhalb des mächtigen Sandsteinfelsens Knochenteile von Tanja Gräff gefunden. Unfassbar sei das, sagt die völlig aufgelöst wirkende Frau. Sie kann nicht glauben, dass die Leiche womöglich jahrelang hinter dem Haus lag. „Schrecklich.“

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Von unseren Mitarbeitern Bernd Wientjes und Andrea Weber

Am Fuß dieser 50 Meter hohen Felswand, in einem dichten Pflanzengestrüpp wurden die sterblichen Überreste der 2007 verschwundenen Studentin Tanja Gräff am Montag entdeckt. Jetzt durchforsten Ermittler der Polizei das Gelände nach Gründen für den Tod der 21-Jährigen.  Foto: Rainer Neubert
Am Fuß dieser 50 Meter hohen Felswand, in einem dichten Pflanzengestrüpp wurden die sterblichen Überreste der 2007 verschwundenen Studentin Tanja Gräff am Montag entdeckt. Jetzt durchforsten Ermittler der Polizei das Gelände nach Gründen für den Tod der 21-Jährigen.
Foto: Rainer Neubert

Vom dritten Stock des in die Jahre gekommenen Wohnhauses sind es nur ein paar Meter zu der Stelle, an der ein Waldarbeiter kurz vorm Fällen eines der Ahornbäume auf einen Knochen gestoßen ist. Ein menschlicher Schädelknochen, wie nun feststeht.

Ein schmaler, mit Waschbetonplatten belegter Steg, auf dem zwei Polizisten stehen, führt vom Hausflur zu einem kleinen Gärtchen unterhalb des roten Felsens, der hier gut 30 Meter nach oben ragt. Das Gärtchen ist mit einem rot-weißen Band abgesperrt. Ein verwitterter Gartenzwerg steht in einer Felseinbuchtung. Daneben eine Solarleuchte. Blumentöpfe stehen auf dem sandigen Boden, in den eine kleine Yuccapalme gepflanzt wurde.

Dichtes Gestrüpp aus Brombeeren

Ein Rhododendronbusch blüht üppig in Blau. Daneben ein grüner, teilweise eingeschnittener Maschendrahtzaun. Von dort geht es auf den kleinen Felsvorsprung.

Unvorstellbar, dass der bis vor Kurzem völlig zugewuchert gewesen sein soll. Hohe Ahornbäume hätten hier gestanden, dichtes Gestrüpp aus wilden Brombeeren sei bis zu dem Maschendrahtzaun gewachsen, erzählt ein Bewohner des Hauses. Seit Wochen sei hinter dem Haus gerodet worden, seien Bäume gefällt, Hecken geschnitten worden.

Polizisten in Blaumännern graben auf dem Felsvorsprung den Boden um. Mitarbeiter der Spurensicherung suchen im Sand nach Hinweisen. Ein Mann, auf dessen blauem T-Shirt „Polizei“ steht, sägt bereits gefällte Bäume klein, räumt sie zur Seite. Ein Mitarbeiter der Firma, die seit Wochen hinter dem Haus gerodet habe, sei am Montagmorgen an der Stelle gerade dabei gewesen, einen Baum, der gefällt werden sollte, mit einem Seil zu sichern, als er plötzlich auf dem Boden etwas gefunden habe, sagt ein älterer Bewohner des Hauses. „Was er gefunden hat, habe ich nicht gesehen.“ Kurze Zeit später seien dann die ersten Polizeiwagen vorgefahren. Bis zu 20 Polizisten seien dann dort herumgelaufen, erzählt der Mann.

Oberhalb des Mehrfamilienhauses machen sich Bergsteiger des Sondereinsatzkommandos der Polizei bereit für eine heikle Mission. Sie sollen sich oben von dem steilen Felsen abseilen und dort nach Spuren suchen. Weitere Mannschaftswagen der Polizei fahren vor. Bereitschaftspolizisten, die das noch immer unwegsame Gelände unterhalb des Felsens absuchen sollen. Oberhalb des Felsens verläuft ein schmaler Pfad. Knapp einen Kilometer ist es von hier bis zur Fachhochschule. Dort wurde Tanja am 7. Juni 2007 bei einem Sommerfest zum letzten Mal gesehen. Keine zehn Minuten dauert die Fahrt mit dem Auto vom Ende des Stadtteils Pallien bis zu der Fachhochschule. An der Fußgängerbrücke, die Parkplatz und Hochschule verbindet, hängt das Plakat, mit dem Freunde von Tanja seit Jahren nach der Studentin gesucht haben. „Wo ist Tanja?“ steht darauf, daneben ein Bild der damals 21-Jährigen.

An der schmalen Straße, die an der Hochschule vorbeiführt, erinnert seit geraumer Zeit ein kleiner Schrein am Waldrand an das bislang ungeklärte Verschwinden von Tanja Gräff. Fotos, Vermisstenanzeigen mit Telefonnummern und eine Liste mit Gegenständen, die die 21-Jährige damals bei sich hatte, wie etwa Schmuckstücke, kleben auf der kleinen Holztafel. Irgendjemand hat einen frischen Strauß mit rosa Blumen davorgestellt.

Acht Jahre lange Ungewissheit

Es ist ein heißer Tag in Korlingen. Es ist der Tag nach der aufsehenerregenden Nachricht, dass die sterblichen Überreste von Tanja Gräff gefunden worden sind. Nach acht langen Jahren der Ungewissheit. Im Heimatort der damals 21-jährigen Studentin ist es still. Die Menschen in Korlingen sind froh, dass die Familie jetzt endlich Gewissheit hat. Aber auch traurig, was für ein Ende die Geschichte genommen hat. „Ich denke schon, dass das für die Mutter jetzt einfach erleichternd ist, dass sie jetzt weiß, wo ihr Kind ist“, sagt eine 37-Jährige. „Das ist einfach eine so traurige Geschichte, und ich glaube, der ganze Ort und jeder, der sie kennt, hat da irgendwie mitgelitten und ist jetzt froh, dass das abgeschlossen ist“, sagt die Frau.

Spekulieren will an diesem Tag niemand. Die Korlinger sind einfach nur froh, dass Tanja endlich gefunden wurde. Eduard Gehlen ist tief berührt. Das sei sehr emotional für ihn, erklärt der 62-Jährige. Er hofft, dass Tanjas Mutter „jetzt ihren Seelenfrieden findet“, wenn sie ihre Tochter nun beerdigen dürfe. „Das war ja immer ihr Wunsch, ihre Tochter würdig zu beerdigen“, sagt die Korlingerin Gisela Kirsten.