Rheinland-Pfalz

Expertin: Sommer kommt nicht aus dem Quark

Blitze, Donner, Hagelschauer, herbstliche Temperaturen: Der Sommer ist gerade richtig ekelig. Nicht für Diplom-Meteorologin Katja Horneffer, die im ZDF das Wetter moderiert. Sie findet den Sommer in diesem Jahr spannend. Warum erklärt sie im Interview mit unserer Zeitung:

Lesezeit: 4 Minuten
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Katja 
Horneffer
Katja Horneffer
Foto: frei

Haben Sie als Meteorologin eigentlich auch den Sommer-Blues?

Nein, weil ich ja weiß, was auf mich zukommt und wann es wieder aufwärtsgeht. Deswegen brauche ich mich nicht in einen Blues zu verkriechen. Außerdem finde ich das Wetter spannend. Es würde mich nie lange deprimieren.

Was begeistert Sie denn an diesem Sommer?

Diese lange Zeit mit ganz ähnlichem Wetter. Und natürlich die enorme Dynamik, die uns die Atmosphäre zeigt. Das ist auf der einen Seite schrecklich und furchtbar. Hagelunwetter und umgestürzte Bäume braucht kein Mensch. Aber es fasziniert mich, welche Gewalt die Natur hat und wie wenige Möglichkeiten wir Menschen haben, das abzuwenden. Wir müssen uns diesem Schicksal einfach ergeben.

Wir können das also nicht beeinflussen und müssen auch künftig mit diesen Extremen rechnen?

Es gibt die Hagelflieger. Wolken werden mit Silberjodid „geimpft“, um Hagelkörner nicht zu groß werden zu lassen. Die werden in China und Russland eingesetzt, auch im Alpenvorland. Das sind aber nur sehr lokale Mittel. Den Sommer schön zu machen, dafür reicht unsere Macht nicht aus. Allerdings beeinflussen wir das Wetter indirekt dadurch, wie viel Dreck wir in die Luft etwa durch das Autofahren befördern.

Werden wir die Hagelflieger bald deutschlandweit einsetzen?

Vielleicht. Die Frage ist aber eher, wie wir unsere Häuser bauen. Häuser aus den 30er- bis 50er-Jahren haben viel Stein, wenig Glas, keine Flachdächer. Diese Häuser sind für die Wetterunbilden besser gewappnet. Heutige Häuser haben oft riesige Glasfassaden, beispielsweise große Wintergärten, die einigen Stürmen nicht standhalten. Man sollte sich überlegen, was angesichts der Wetterextreme, die zunehmen werden, sinnvoll und was nur schön ist. Wir hatten schon in diesem Sommer so viele Unwetterwarnungen wie noch nie. Schuld daran ist der mäandrierende Jetstream.

Was bitte ist das?

Der Jetstream ist ein Starkwindband, das die Erdkugel umkreist – auf der Nordhalbkugel in einer Höhe von fünf bis acht Kilometer, mehr oder weniger parallel zu den Breitenkreisen. Das ist eine Art Autobahn für die Tiefdruckgebiete, die entlang des Jetstreams über die Nordhalbkugel sausen. Allerdings verläuft dieser nicht immer parallel zu den Breitenkreisen. Manchmal hat er Beulen und Dellen, er holt weit nach Norden und Süden aus. Er mäandriert. Diese Wetterlagen haben die Tendenz, sehr stabil zu sein. Das heißt: Wenn wir Glück haben – wie in den Jahrhundertsommern 2003 oder 2006 – dann müssen alle Tiefs einem starken Hoch ausweichen. Dann haben wir strahlenden Sonnenschein und Hitze.

Und derzeit sitzen wir im Tief fest?

Ja. Wir sitzen in der Schlinge des Starkwindbandes. Wir haben seit zwei Wochen Nordwestwind, es ist viel zu kalt für den August, und immer wieder regnet es stark. Dagegen war der Sommer in Skandinavien super, viele Nord- und Ostseeurlauber waren begeistert. Das lag daran, dass sich diese Region in einer Schönwetterbeule befand.

Über Andernach der Blick nach Neuwied, wo gerade ein Blitz einschlägt.

Von Sankt Sebastian aus fotografiert.

Jens Beer.

„Gottes Rache an Tebartz-van Elst“ hatte Twitterer@Pausensnack dieses Bild aus Limburg genannt. So ein Anblick ist aber irgendwo doch ein Geschenk des Himmels.

Der Himmel über Koblenz, direkt aus der Hölle?

Björn Bepunkt

Über Koblenz.

Willi Müller

Über Mendig.

Jürgen Thierfelder/Bilderjet

Im Anflug auf Koblenz.

Stephan Peterling

Vom Stadtteil Pfaffendorf aus gesehen.

Marcel Dombrowsky

Und da ist es über Koblenz, der Debeka ganz nah.

Sandra Schmidt/TwisterDevils

Aus Ehrenbreitstein gesehen.

Meryem Neimann

Gleich kracht's – über Neuwied-Segendorf.

Marc Fleischer

Von Bendorf aus.

Alexander Mäurer

Über Kamp-Bornhofen.

Sascha Klein

Was aus der Ferne oft aussah wie eine Windhose – hier der andere Blick darauf. Beim Rheinfels-Cup in Niederburg, Boppard gegen Viertäler, zeichnete Gott für diese Pyrotechnik verantwortlich.

Mirko Lorenz

Hier zeigt das Unwetter sein wahres Gesicht? Die fiese Grimasse zog der Himmel auf Mayen-Hausen.

Anne Straub

Über Saffig.

Christian Weers

Über Boppard.

Claudia Caserta-Metzner

Noch einmal Gutenacker.

Peter Orsowa

Bei Westerburg.

Svenja Thomsen.

Schwarze Wolkenbrocken über Plaidt.

Wolfgang Horch

Da kommt auf Nassau was zu.

Birgitt Richter

Ein Blitz durchzuckt den dunkeln Nachthimmel über Rübenach.

Marc Hoppe

Aus Ochtendung geht der Blick Richtung Mayen. Von dort kommt nichts Gutes.

Marcel Hörz

Über Bad Ems.

Karl Hofstätter

In die Galerie düsterer Bilder passt dieses nicht so richtig rein – wir haben es als Zugabe reingenommen. Farben, die aussehen wie aus der Chemiefabrik.

Tobias Nelke

Befördert der Klimawandel diese mäandrierenden Jetstreams?

Es gibt viele Anzeichen dafür, dass der Jetstream durch das Abschmelzen des Grönlandeises eher dazu verleitet wird, Wellen zu schlagen. Der Sommer kommt dann nicht mehr aus dem Quark. Bei uns hält sich über Wochen eine ähnliche Großwetterlage. Eine für unsere Breitengrade wichtige Klimaschaukel ist die zwischen Islandtief und Azorenhoch. Je größer der Druckunterschied zwischen dem Tief und dem Hoch ist, desto geradliniger verläuft unser Jetstream. Wenn der Druck, wie jetzt zu beobachten ist, sinkt, beginnt der Jetstream zu schlingern.

Kommt der Sommer noch einmal wieder?

Meteorologisch ist der Sommer am Ende der Woche zu Ende. Bis dahin wird er nicht zurückkommen. Derzeit sind die Chancen aber groß, dass es Anfang September noch einmal für einige Tage ganz gut werden kann. Wir erwarten Temperaturen von 20 bis 25 Grad. Das heißt nicht fünf Tage strahlender Sonnenschein, aber es wird mehr Sonne als jetzt geben. Ein Anflug von Altweibersommer.

Das Gespräch führte Christian Kunst