Experte: Schwarzer Hautkrebs ist bald für viele heilbar

Schwarzer Hautkrebs ist tückisch, weil der Tumor schnell Metastasen streut. Doch er könnte bald bei vielen Patienten heilbar sein, sagt Prof. Dr. Stephan Grabbe, Direktor der Hautklinik der Unimedizin Mainz. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt der Dermatologe, wie neue Medikamente die Abwehrkräfte des Körpers aktivieren.

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Was macht schwarzen Hautkrebs so tückisch?

Prof. Dr. Stephan Grabbe.
Prof. Dr. Stephan Grabbe.
Foto: Foto Peter Pulko

Das Gefährliche am schwarzen Hautkrebs ist die Tatsache, dass sich selbst bei einem sehr kleinen Tumor Zellen von dem Herd lösen und in die umgebende Haut wandern können. Oder sie werden mit dem Gewebswasser oder dem Lymphstrom fortgespült und setzen sich irgendwo anders im Körper fest. Deshalb ist es dann nicht mehr ausreichend, den Tumor zu entfernen, da sich bereits zu einer sehr frühen Zeit irgendwo Tochtergeschwülste bilden können.

Ist das eher außergewöhnlich?

Sicherlich ist das Melanom einer der Tumore, bei denen das am schnellsten passiert. Die Tumordicke ist ja das entscheidende Prognosekriterium. Ab einem Millimeter Dicke sprechen wir bereits von einem Melanom, das nicht mehr zu einer niedrigen Risikokategorie gehört. Oberhalb von vier Millimetern handelt es sich um ein Hochrisikomelanom. Wenn Sie sich einen Knoten vorstellen, der vier Millimeter dick ist und diesen im Darm oder in der Leber hätten, dann würde man ihn faktisch nie finden. Dort fallen Tumore erst auf, wenn sie deutlich größer sind. Das Melanom ist ein sehr aggressiver Tumor, weil er bereits Metastasen bilden kann, wenn er noch sehr klein ist.

Wie viele Menschen erkranken jährlich – im Land und bundesweit?

In Deutschland gibt es pro Jahr etwa 25 000 Hautkrebsfälle. In Rheinland-Pfalz sind es etwa 1100 Fälle. Das Melanom ist ein Tumor, der in seiner Häufigkeit stärker als fast jeder andere Tumor ansteigt. Außerdem ist es ein Tumor, der nicht nur alte, sondern auch viele junge Menschen betrifft. Im Alter zwischen 30 und 40 Jahren gehört es bei Frauen zu den häufigsten Krebserkrankungen.

Worauf führen Sie diese starke Zunahme der Fälle zurück?

Das hängt mit dem Freizeitverhalten der Menschen zusammen. Das Melanom entsteht zum Teil durch das Sonnenlicht, teils auch zufällig. Der Beitrag des Sonnenlichts ist vor allem in der frühen Kindheit von Bedeutung. Wenn ein Baby oder Kleinkind in der Sonne liegt, dann ist dies schon die Keimzelle für das Melanom im Erwachsenenalter. Jetzt kommen die Menschen, die in den 50er- und 60er-Jahren als Kinder der Sonne ausgesetzt wurden, in das Alter, in dem sie Hautkrebs bekommen. Als sie Kinder waren, wusste man noch nicht genug darüber, wie schädlich das Sonnenlicht sein kann.

Das Bewusstsein darüber hat aber zugenommen. Also müsste die Zahl der Hautkrebsfälle zurückgehen.

Ja. Wir gehen davon aus, dass unsere Aufklärungskampagnen eine gewisse Wirkung zeigen. Inzwischen dürfte es allgemein bekannt sein, dass Sonne Krebs auslösen kann und dass man insbesondere im frühen Alter die Kinder vor der Sonne schützen sollte. Außerdem gibt es ja in Deutschland als einzigem Land der Welt ein Hautkrebsscreening.

Wann rechnen Sie denn mit positiven Ergebnissen?

Es wird voraussichtlich etliche Jahre dauern, bis sich die positiven Auswirkungen des Screenings bemerkbar machen. In den nächsten Jahrzehnten wird es wahrscheinlich zunächst noch zu einem weiteren Anstieg der Hautkrebsfälle kommen. Wir fragen uns immer, ob wir bereits den Gipfel erreicht haben. Das lässt sich aber noch nicht sagen.

Es gibt ja viel Kritik an Früherkennungsprogrammen. Wie bewerten Sie das Hautkrebsscreening?

Positiv. Der große Vorteil ist, dass der Arzt beim Hautkrebsscreening nicht röntgen oder Blut abnehmen muss. Wir müssen uns den Patienten nur anschauen. Es ist also überhaupt nicht belastend für den Patienten. Das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen ist daher beim Hautkrebsscreening eindeutig positiv.

Finden Sie dabei wie beim Brustkrebsscreening vermehrt kleinere, gut behandelbare Tumore?

Ja. Die Tendenz geht in diese Richtung. Uns liegen erste Auswertungen des Hautkrebsscreenings vor, die auf Daten aus Schleswig-Holstein beruhen, wo das Programm schon sehr früh als Pilotprojekt gestartet wurde. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Tumordicke bei der ersten Entdeckung des Tumors kleiner wird und der Krebs somit früher erkannt wird.

Warum ist schwarzer Hautkrebs bisher so schwer zu behandeln?

Das liegt daran, dass es für Patienten mit schwarzem Hautkrebs, die bereits Metastasen haben, bislang keine wirksame Behandlung gegeben hat. Eine Operation von Metastasen etwa ist nur sinnvoll, wenn man dadurch den Tumor als Ganzes beseitigen kann. Bei einem Streuen des Tumors ist das jedoch meist nicht mehr möglich. Damit kann man das Wachsen des Tumors an einer Stelle stoppen, aber nicht den Patienten gänzlich heilen. Ähnlich ist es beim Bestrahlen und bei der Chemotherapie. Die Lebenserwartung für Patienten mit schwarzem Hautkrebs lag daher bislang im Schnitt bei nur acht bis neun Monaten.

Eine bittere Diagnose.

Ja. Aber das ändert sich gerade. Wir verstehen jetzt besser, was sich im Erbgut der Tumorzelle verändert und sie zu einer schnell wachsenden Zelle macht. Diese Erbgutveränderungen hat man nicht nur erkannt, sondern hat auch Medikamente gefunden, die diese blockieren. Genau genommen wird den veränderten Eiweißen Einhalt geboten. Diese braucht der Tumor für sein Wachstum. Der große Vorteil dieser Medikamente ist: Durch sie kann man das Tumor-Wachstum unmittelbar aufhalten. Die Tumore werden manchmal innerhalb von wenigen Tagen praktisch weggeblasen, und der Patient ist wie ausgewechselt.

Der große Nachteil ist, dass einerseits nur etwa die Hälfte der Patienten die Erbgutveränderungen im Tumor haben, die man derzeit mit diesen Medikamenten behandeln kann, und dass zudem bei der Mehrzahl der Patienten der Tumor irgendwann einen Weg findet, um das Medikament zu umgehen und weiter zu wachsen – er wird also resistent. Das dauert oft nur ein paar Monate. Deshalb ist der Erfolg dieser Therapie derzeit noch zeitlich begrenzt. Im Schnitt leben die Patienten sechs bis zwölf Monate länger. Dann beginnt der Tumor wieder zu wachsen.

Sind die Medikamente teuer?

Auf Deutsch: Schweineteuer. Man hat Behandlungskosten von 2500 Euro pro Woche. Im günstigsten Fall muss man die Patienten dauerhaft behandeln. Da geht es um mehr als 100 000 Euro.

Wie sieht die zweite Therapie aus?

Dabei geht es um die Immuntherapie. Melanome, aber auch andere Tumore werden vom Immunsystem erkannt. Unsere eigenen Abwehrkräfte merken also, dass da ein Tumor im Körper ist und entwickeln Abwehrzellen. Allerdings findet der Tumor Mechanismen, um sich dieser Immunabwehr zu entziehen. Deshalb werden die Abwehrzellen zwar gebildet, aber vom Tumor gleich wieder abgeschaltet. Diese Mechanismen verstehen wir mittlerweile besser. Wir können den Abschaltvorgang bei Tumoren blockieren. Danach können die Immunzellen wieder aktiv werden und den Tumor aktiv bekämpfen.

Welchen Vorteil hat diese Methode im Vergleich zur ersten?

Es gibt zwei: Erstens wirkt dieser Mechanismus im ganzen Körper, er ist also nicht lokal begrenzt. Zweitens hilft die Therapie häufig dauerhaft, wenn sie anschlägt. Man muss das Immunsystem wie bei einer Impfung anstoßen, und dann macht es schon selbst, was es tun muss. Der Tumor wird so nach und nach beseitigt – oftmals vollständig.

Um was für ein Medikament geht es hier? Und wie wirkt es?

Es handelt sich um Antikörper, die in Form von Infusionen in den Körper gelangen. Sie blockieren gezielt bestimmte Oberflächenstrukturen entweder auf weißen Blutkörperchen oder direkt auf den Tumorzellen. Diese Strukturen dienen dem Tumor dazu, das Immunsystem zu bremsen.

Wir wirksam sind diese Medikamente?

Der erste Wirkstoff, der entwickelt wurde, wirkt nur bei einem Viertel der Patienten. Das war für uns aber schon eine ganz tolle Neuigkeit. Der zweite Wirkstoff wirkt in etwa doppelt so vielen Fällen, also bei mehr als 40 Prozent der Patienten. Möglicherweise lassen sich beide Wirkstoffe auch miteinander kombinieren, weil sie an unterschiedlichen Strukturen ansetzen. Die Wirkung könnte also auch additiv sein, sodass vielleicht insgesamt mehr als 60 Prozent der Patienten von der Behandlung profitieren könnten.

Es gibt auch erste Studien mit allerdings wenigen Patienten, bei denen beide Medikamente zeitgleich eingesetzt wurden. Dabei hatte man den Eindruck, dass es sogar zu Synergien kommen kann. Das heißt, dass sie zusammen noch besser wirken, dass sie also noch mehr Patienten helfen könnten. Das muss aber noch überprüft werden.

Bieten Sie diese Verfahren an?

Ja, allerdings bei noch nicht zugelassenen Medikamenten nur im Zuge von klinischen Studien. Die Kosten für die erste zur Behandlung zugelassene Substanz belaufen sich auf 80 000 Euro für eine Behandlungsdauer von drei Monaten. An den 40 Hautkrebszentren in Deutschland sind diese Verfahren üblich. In Rheinland-Pfalz gibt es zwei solcher Zentren, das an der Mainzer Uniklinik und am Klinikum in Ludwigshafen.

Welche Nebenwirkungen haben diese Medikamente? Und bezahlen die Kassen die Behandlung?

Ja. Die Kassen übernehmen die Therapiekosten. Unser Problem ist, dass diese komplex wirkenden Medikamente auch komplexe Nebenwirkungen haben. Deshalb müssen wir den Patienten sehr genau überwachen und untersuchen. Dies wird weitaus weniger solide finanziert. Die Kliniken verdienen damit kein Geld, aber die Patienten profitieren.

Sind diese Medikamente auch bei anderen Tumoren wirksam?

Die erste Form von Medikamenten, die veränderte Eiweiße in der Tumorzelle blockieren, ist nur bei dem spezifischen Tumor wirksam. Deshalb wirkt diese Therapie primär bei Melanomen, aber auch bei Schilddrüsenkarzinomen und wenigen anderen. Bei der Immuntherapie hat die Melanom-Behandlung indes eine Vorreiterfunktion. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Tumore, die so ebenfalls therapierbar wären. Das sind vor allem die Tumore, die viele Veränderungen im Erbgut haben, zum Beispiel Lungen-, Darm-, Nieren- oder Darmkrebs. Aber bei allen anderen Krebsarten sind die Erfolge bislang geringer als beim Melanom. Bei Lungenkrebs zeigt die Therapie mit einem der Wirkstoffe der Immuntherapie aber gute Erfolge.

Experten hoffen, dass durch die neuen Therapieformen Hautkrebs wie Aids von einer tödlichen zu einer chronischen Krankheit werden könnte. Wie sehen Sie das?

Bei der ersten Form von Medikamenten kann man dies vielleicht so sagen. Doch bei der Immuntherapie besteht sogar die berechtigte Hoffnung auf eine dauerhafte Heilung. Wenn man eine Infektion hat, und das Immunsystem beseitigt diese Infektion, dann ist das Virus oder das Bakterium weg. Genauso ist es bei Tumoren: Wenn das Immunsystem in der Lage ist, den Tumor zu erkennen und zu beseitigen, dann ist der Krebs zerstört. Es besteht also die Hoffnung, dass schwarzer Hautkrebs bei einem Teil der Patienten heilbar ist.

Das Gespräch führte Christian Kunst