Der teure Stillstand: Bahnstreik kostet Nerven und Millionen

Streik der Lokführer
Gähnende Leere am Hamburger Hauptbahnhof: Der Bahnstreik trifft seit dem frühen Morgen auch den Personenverkehr. Foto: Bodo Marks

Deutschlands Konzerne befürchten durch den einwöchigen Bahnstreik einen Schaden von bis zu einer halben Milliarde Euro. Das sagte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). „Der Bahnstreik kostet die Wirtschaft nicht nur Nerven, sondern richtig Geld.“

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Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte die Lokführergewerkschaft GDL am Montag auf, noch die Notbremse zu ziehen und den Streik abzusagen: „Der gesamten deutschen Wirtschaft drohen Schäden von täglich 100 Millionen Euro. Das Vorgehen der GDL ist verantwortungslos und vollkommen unverhältnismäßig.“

Unternehmen, Reisende und Pendler trifft ab heute der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Der Ausstand im Güterverkehr, zu dem die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) aufrief, begann bereits am Montag um 15 Uhr. Im Personenverkehr gilt er ab heute früh, 2 Uhr, bis Sonntagmorgen, 9 Uhr. Wirtschaftsverbände rechnen vor allem wegen der Dauer des Streiks mit enormen volkswirtschaftlichen Kosten. In der Autoindustrie werden im schlimmsten Fall Produktionsengpässe oder der Ausfall von Schichten für möglich gehalten. Ein bis zwei Tage Streik seien zu verkraften. „Doch je länger ein Streik im Güterverkehr dauert, desto größer wird die Gefahr, dass die Produktionsabläufe ins Stocken geraten und die Bänder stehen bleiben“, sagte der Präsident des Autoverbands VDA, Matthias Wissmann, der „Bild“-Zeitung.

Der Autobauer BMW hat schon vorgesorgt. Fertig produzierte Neuwagen werden zwar üblicherweise aus dem Münchner Werk per Bahn abtransportiert, doch habe man teils auf Lastwagen umgebucht und sei außerdem in Gesprächen mit der Bahn und mit privaten Anbietern, sagte ein BMW-Sprecher. Viele Mitarbeiter wollen Fahrgemeinschaften bilden oder Werksbusse nutzen, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.

Auch die Stahl- und die Chemiebranche sind auf die pünktliche Anlieferung von Rohstoffen angewiesen. „Eine solche Streikwelle ist Gift für ein hoch entwickeltes Industrieland wie Deutschland“, kritisierte Dieter Schweer, Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Die Maschinenbauer blicken dem mehrtägigen Streik bei der Bahn weitgehend gelassen entgegen – auch wenn einzelne Firmen durchaus bei Lieferungen Probleme bekommen könnten: „Die deutschen Maschinenbauer sind durch den Lokführerstreik nur in Maßen betroffen, da die Lieferung von Vorprodukten und Komponenten sowie der Transport der fertigen Maschinen an die Kunden in erster Linie durch Lastkraftwagen erfolgt“, erklärte Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VDMA. Der Stuttgarter Technikkonzern Bosch ist zuversichtlich, die Streikfolgen abfedern zu können. Nur ein geringer Prozentsatz der Landfrachten werde auf Schienen transportiert. Im Fall eines betroffenen Güterzuges werde die Ware auf Lkw geladen.

Selbst beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gibt es kein Verständnis mehr für die GDL. „Betroffene von Streiks müssen nachvollziehen können, warum gestreikt wird, damit dieses wichtige Instrument nicht beschädigt wird. Dieses Verständnis droht derzeit zu schwinden“, warnte DGB-Chef Reiner Hoffmann. „Die GDL sollte zurück an den Verhandlungstisch – am besten mit der EVG.“

„Das Verständnis bei den Fahrgästen nimmt dramatisch ab“, warnte Karl-Peter Naumann, Sprecher des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“. Er schlug statt einer Schlichtung eine Moderation vor. „Bei einer Schlichtung gibt es am Ende einen Schlichterspruch. Bei einer Moderation geht es erst mal darum, die Sprachfähigkeit wieder herzustellen“, sagte Naumann. Als Moderator schlug er den früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Bischof Wolfgang Huber, vor. „Es sollte jemand mit Charisma sein, der nicht vom Fach ist, der zuhören kann und einfache Fragen stellt“, sagte Naumann. „Wir sollten uns bei Quasi-Monopolunternehmen wie der Bahn neue Streikregeln überlegen“, betonte er. In Italien werde etwa schon im Tarifvertrag ein Streikfahrplan festgelegt, sodass später niemand davon überrascht werden kann, so Naumann. Birgit Marschall/

Eva Quadbeck/dpa