Berlin

Der Krise Herr werden: Was der Flüchtlingsgipfel verändert hat

Nach sieben Stunden zäher Verhandlungen lag ein zehnseitiger Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der 16 Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik auf dem Tisch, der nun in Windeseile durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden soll.
Nach sieben Stunden zäher Verhandlungen lag ein zehnseitiger Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der 16 Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik auf dem Tisch, der nun in Windeseile durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden soll. Foto: dpa

Nach sieben Stunden zäher Verhandlungen lag ein zehnseitiger Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der 16 Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik auf dem Tisch, der nun in Windeseile durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden soll.

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Von Susanne Hamann und Birgit Marschall

Das gemeinsame Ziel: der Flüchtlingskrise Herr zu werden. Bei allem Regulatorischen ging es vor allem auch ums Geld: Der Bund wird die Länder ab 2016 mit mindestens 4 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich unterstützen.

Wie will der Bund das finanzieren?

Dem Bund – und übrigens auch den Ländern – kommen die hohen Steuereinnahmen zugute, die infolge der guten Beschäftigungslage weiterhin steigen. Im laufenden Jahr erwirtschaftet der Bund einen Überschuss, auch dank der Versteigerung von Mobilfunklizenzen, die ihm 3,7 Milliarden Euro einbrachte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will rund 6 Milliarden Euro Überschuss aus dem laufenden ins kommende Jahr übertragen. Dies dürfte ausreichen, um die Mehrbelastung auszugleichen, die der Gipfelbeschluss für den Etat 2016 bedeutet.

Ist die schwarze Null im Bundeshaushalt noch haltbar?

Schäuble sagt: Wenn die Entwicklung stabil bleibe, „können wir es schaffen“. Allerdings will er einen weiteren Sicherungsmechanismus einbauen: Im Etat 2016 soll eine sogenannte globale Minderausgabe von 2,5 Milliarden Euro vorgesehen werden. Hintergrund: Jedes Jahr bleiben „Haushaltsreste“ übrig. Das sind Ausgaben, die zwar eingeplant, aber nicht getätigt werden, weil sich etwa Investitionsprojekte verzögern.

Wie wird sichergestellt, dass die Länder den Kommunen das erhaltene Bundesgeld auch wirklich weitergeben?

Die Kommunen befürchten, dass die Länder ihnen nicht alles Bundesgeld weitergeben, was für sie bestimmt ist. Ein direkter Finanztransfer vom Bund zu den Kommunen hätte aber eine Grundgesetzänderung nötig gemacht, die die Länderchefs ablehnten. Da die Kommunen nun wüssten, dass die Länder für jeden Asylbewerber vom Bund 670 Euro im Monat bekommen, hätten sie ein neues Instrument in der Hand, um gegenüber dem Land die korrekte Höhe an Unterstützungsleistungen einzufordern, hieß es dazu in Berlin.

Wie sollen Flüchtlinge künftig leichter in Arbeit kommen?

Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete wird nur gelockert, aber es entfällt nicht nach drei Monaten, wie von der Koalition eigentlich bereits beschlossen war. Wer eine Bleibeperspektive hat, soll frühzeitig Leistungen der aktiven Arbeitsförderung von den Jobcentern erhalten.

Welche Hindernisse für Job suchende Flüchtlinge bleiben?

Die Arbeitgeber kritisieren, dass die Vorrangprüfung der Arbeitsagentur nicht gestrichen wird. Dabei wird geprüft, ob für einen Job nicht auch ein Deutscher zur Verfügung steht, bevor ein Asylbewerber infrage kommt. Die Vorrangprüfung solle entfallen, forderte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.

Was wollen Bund, Länder und Kommunen tun, um Flüchtlingen Wohnungen bereitzustellen?

Der Bund gib den Ländern 2016 bis 2019 zusätzlich pro Jahr 500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau. Die Länder verpflichten sich, das Geld wirklich für neue Sozialwohnungen einzusetzen.

Können Städte den Mietern kommunaler Wohnungen kündigen, um Flüchtlinge unterzubringen?

Im nordrhein-westfälischen Nieheim wurde Mietern von der Kommune die Wohnung gekündigt, weil dort Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Eigentlich ist das nicht rechtens, denn wegen Eigenbedarf kündigen können Vermieter nur, wenn sie selbst oder enge Familienangehörige nachweisen, dass sie die Wohnung nutzen müssen. Ein weiterer Grund der Kündigung könne auch die „wirtschaftliche Verwertung“ sein, sagte Michaelo Damerow, Geschäftsführer des Mietervereins Düsseldorf. Die Streitfrage sei immer, ob ein berechtigtes Interesse besteht.