Erlangen/Stuttgart

3-D-Drucker erobern die Industrie

Frisch aus dem 3-D-Drucker kommt dieser metallische Sattelstützhalter für ein Fahrrad. Konstrukteure müssen für die neue Herstellungsmethode umdenken, denn viele Einschränkungen herkömmlicher Methoden fallen weg. 
Frisch aus dem 3-D-Drucker kommt dieser metallische Sattelstützhalter für ein Fahrrad. Konstrukteure müssen für die neue Herstellungsmethode umdenken, denn viele Einschränkungen herkömmlicher Methoden fallen weg.  Foto: dpa

Schicht für Schicht schmilzt der Laser des 3-D-Druckers das Metallpulver. Das Produkt: Hitzebeständige Brennerköpfe für industrielle Gasturbinen, die Temperaturen um die 1000 Grad standhalten. Der Industriekonzern Siemens nutzt 3-D-Druck, um die 18 Millimeter dicken Verschleißteile an seinen Turbinen schneller zu erneuern. Die Reparaturzeit des Bauteils reduziert sich drastisch – von 44 auf 4 Wochen.

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Von Annika Graf (dpa)

Siemens ist nur ein Beispiel. Bis zu 10 Prozent der 3-D-Druck-Bauteile sind inzwischen aus Metall – mit steigender Tendenz, schätzt Rainer Gebhardt vom Branchenverband der Maschinenbauer VDMA. „Additive Manufacturing“ nennt die Industrie das Verfahren, auch um sich von dem Hype-Thema 3-D-Druck abzuheben. „Das Interesse ist sehr groß“, sagt Gebhardt. „Umsatzschätzungen gehen von 2,5 bis 3,5 Milliarden Euro aus.“ Ein Wachstum von 25 Prozent sei realistisch. Luftfahrtindustrie und Medizintechnik nehmen eine Vorreiterrolle ein.

Prototypen: Neu sind die Verfahren nicht. Der Automatisierungsexperte Festo setzt bereits seit 1995 auf „additive Fertigung“. Bislang baut Festo mithilfe von 3-D-Druckern vorwiegend Prototypen. Inzwischen werden auch Kleinserien gefertigt – zum Beispiel um Schlauchhalter an Maschinen herzustellen. Reif für die Serie? „Selbst wenn man noch größere Stückzahlen mit dieser Technologie produzieren kann, wird der 3-D-Druck herkömmliche Fertigungsverfahren nicht ersetzen, sondern ergänzen“, sagt eine Sprecherin.

Produktentwicklung: In der Produktentwicklung kommt 3-D-Druck häufig dann zum Einsatz, wenn schnell günstige Teile benötigt werden. Der Autohersteller Daimler beispielsweise fertigt damit Teile von Motorblöcken in der Entwicklung. An diesen werden Reparaturkonzepte überprüft. In der Serie werde das Verfahren noch nicht eingesetzt, so ein Sprecher. Das werde aber nicht ausgeschlossen. Das US-Startup Local Motors hat in diesem Jahr ein ganzes Auto mit Teilen aus dem 3-D-Drucker gefertigt.

Leichtbau: Dank des Schichtverfahrens können Strukturen ausgespart werden. Das macht das Verfahren interessant für Leichtbau. Die Firma Renishaw hat beim Design-Wettbewerb „Formula Student“ geholfen, Teile für einen Rennwagen zu konstruieren. „Bei Radträgern konnten wir das Gewicht um die Hälfte reduzieren“, sagt Renishaw-Geschäftsführer Rainer Lotz. Mithilfe von 3-D-Druck können innen liegende Hohlräume konstruiert werden, wo bei einem von außen geformten Werkstück normalerweise Material wäre. Damit wird es zum Beispiel möglich, um eine Ecke zu bohren; Konstrukteure müssen umdenken.

Spezialanfertigungen: Weil das Verfahren schnell und individuell ist, lassen sich die Kosten für Spezialanfertigungen senken. Die Firma Robomotion mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen fertigt Spezialmaschinen zum Beispiel für die Lebensmittelindustrie. Ihre Herausforderung: „Die Greifer müssen immer an ein individuelles Produkt angepasst werden“, erklärt Geschäftsführer Andreas Wolf. Vor fünf Jahren hat seine Firma mit 3-D-Druck begonnen.

Grenzenlos: „Es hängt von ihrer Vorstellungskraft ab, was sie mithilfe eines 3-D-Druckers produzieren können“ sagt Alphacam-Geschäftsführer Michael Junghanß. Aus den Druckern seiner Firma kamen schon Schuhe, Zahnschienen, aber auch das Modell eines menschlichen Herzens. Ein Ingenieur hat mit ihrer Hilfe von Alphacam eine Papierfliegerkanone mit Faltautomatik gebaut. „Sie können auch Personen und Gesichter drucken“, sagt Junghanß. Beim Hamburger Start-up Twinkind beispielsweise kann man kleine Klone von sich selbst anfertigen lassen. Kostenpunkt – je nach Maßstab – zwischen 100 und 700 Euro. Neben hochbelastbaren Kunststoffen werden mithilfe des Laser-Sintering-Verfahrens auch verschiedene Metall-Legierungen eingesetzt – wie bei Siemens. Renishaw hat Skulpturen für das Folkestone Triennial Kunstfestvial hergestellt.

Trotzdem gibt es Hindernisse: Einer Umfrage des Marktforschers Gartner zufolge sind die hohen Anfangskosten für die Anschaffung der Drucker noch ein großes Hindernis. Dabei sei die Technologie inzwischen deutlich günstiger, weil Patente ausgelaufen seien, sagt Alphacam-Geschäftsführer Junghanß. Das stärkste Argument für 3-D-Druck sind die niedrigeren Kosten im Vergleich zu anderen Verfahren.

VDMA-Experte Gebhardt glaubt trotzdem, dass das Verfahren sich vorerst noch in einer Nische halten wird. „Qualität und Produktionsgeschwindigkeit sind große Hürden“, sagt er. Gerade in der Autoindustrie, wo Bauteile exakt gleich und hochpräzise sein müssen, ist das Verfahren noch zu ungenau.

2 bis 5 Jahre wird es bis zu einer größeren Verbreitung von professionellem 3-D-Druck dauern, glaubt der Vizepräsident des Marktforschers Gartner Inc., Pete Brasiliere. Dies werde zu lebensverändernden Effekten führen, glaubt er und führt als Beispiele Anwendungen in der Prothetik und bei Implantaten an.