„Echte“ Heirat für Lesben und Schwule: An der Ehe scheiden sich die Geister

Am Freitag im Bundesrat konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare schon heute Wille der Mehrheit in Deutschland ist. Die rot-grün, grün-rot und rot-rot-grün regierten Länder schickten einen Fürsprecher nach dem anderen für die Ehe für alle in die Arena der Länderkammer. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) stand als Gegner allein auf verlorenem Posten.

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Es ist trotzdem unwahrscheinlich, dass die Ehe noch in dieser Legislaturperiode für homosexuelle Paare geöffnet wird. In der Union hat die Debatte darüber gerade erst begonnen.

Der Bundestag entscheidet

Ob es zu einer Öffnung der Ehe kommt, wird schließlich ohnehin im Bundestag und nicht im Bundesrat entschieden – im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ist eine weitergehende Regelung bisher nicht vorgesehen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft wurde zuletzt immer wieder durch wegweisende Urteile des Bundesverfassungsgerichts aufgewertet – und ist der Ehe in den meisten Lebensbereichen von Steuer- bis Erbrecht gleichgestellt. Gemeinsam Kinder adoptieren können Lebenspartner allerdings nicht. Sie haben also nicht das Recht zur Volladoption. Das meint, dass das adoptierte Kind durch die Adoption die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes der annehmenden Eltern erhält. Und auch der besondere Schutz der Ehe durch das Grundgesetz gilt für sie nicht. Die Kritiker der bisherigen Regelungen in der Lebenspartnerschaft halten die Gleichstellung für noch nicht erreicht, solange dem so ist.

Malu Dreyer: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“

SPD und Grüne in den Ländern haben nun die Gelegenheit gesehen, die Große Koalition im Bund bei dem Thema unter Druck zu setzen. Nach dem Ja der als in solchen Fragen eher konservativ geltenden Iren zur sogenannten Homo-Ehe gewann auch die Debatte in Deutschland neu an Fahrt. Doch während die SPD im Bundestag erkennen ließ, dass sie es bei dem Thema nicht auf einen Koalitionsbruch ankommen lassen würde, machen die Sozialdemokraten in den Ländern jetzt mächtig Wind. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) argumentiert vor der Länderkammer: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Seit der Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 hat sich aus ihrer Sicht „auch im Bewusstsein der Bevölkerung sehr, sehr viel getan“. Dass gleichgeschlechtliche Partner nicht die Ehe eingehen dürfen, bezeichnet Dreyer als „eine Diskriminierung, die niemand versteht“. Niemand wolle deshalb die Ehe „beliebig öffnen“. „Niemand will die ,Vielehe‘ oder die Ehe von Verwandten ermöglichen“, betonte Dreyer. Mit der Gleichstellung würde der Gesetzgeber aus ihrer Sicht „die gesellschaftliche Realität“ anerkennen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnete es als diskriminierend für kinderlose Ehen, wenn die Ehe in der Diskussion lediglich als „Hort der Fortpflanzung“ gesehen würde.

Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte, „eine besondere Form der Diskriminierungsgeschichte zu beenden“. Die Länder haben am Ende sogar mehrheitlich für die Öffnung der Ehe abgestimmt – beschlossen ist sie deshalb aber noch lange nicht. Der Bundestag hat schließlich seine eigene Agenda. Wenn die Große Koalition will, kann sie den Gesetzentwurf der Länder lange in der Schublade liegen lassen.

In der CDU und CSU hat das Ja aus Irland aber eine Debatte in Gang gesetzt. An der Basis wie Parteiführung sind völlig unterschiedliche Stimmen zu hören – von den deutlichen Befürwortern des Status quo bis hin zu den überzeugten Anhängern einer Öffnung der Ehe. Die Spannweite der Meinungen wurde bei einer ersten Debatte im Bundestag in dieser Woche allzu deutlich.

CSU sieht „politisches Manöver“

Der bayerische Justizminister nannte den Antrag der Bundesländer im Bundesrat einen „Angriff auf die Ehe als wichtige und lange gewahrte Institution unseres Grundgesetzes“. Aus seiner Sicht handelt es sich um „ein durchsichtiges politisches Manöver“. Es würde so getan, als gäbe es noch zahlreiche „Unerträglichkeiten“ für gleichgeschlechtliche Paare. Damit würden zehn Jahre Rechtspolitik aber „einfach ausgeblendet“. Die Lebenspartnerschaft sei eine eigene Rechtsform, die nahezu überall der Ehe angeglichen wurde.

In den Ausführungen Bausbacks zeigt sich der grundsätzliche Dissens zwischen Befürwortern und Gegnern der Öffnung. Die Befürworter sehen eine völlige Gleichstellung erst vollzogen, wenn gar kein Unterschied mehr gemacht wird, auch nicht in der Bezeichnung. Der Zugang zur Ehe ist zum Symbol dafür geworden. Die Gegner wollen unterdessen weiter Unterschiede benennen. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare würden „Dinge gleichgesetzt, die nicht gleich sind“, argumentiert etwa Bausback. Es gibt erste Stimmen in der Union, die das Thema beim Parteitag im Dezember grundsätzlich diskutieren wollen – Kehrtwende nicht ausgeschlossen. Dass die Christdemokraten sich aber vor der Sommerpause auf eine Abstimmung in der Frage einlassen, darf als ausgeschlossen gelten. Auch der SPD ist das Thema offenbar dann doch nicht dringlich genug, um sich deshalb ernsthaft mit ihrem Koalitionspartner anzulegen.

Rena Lehmann